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Dienstag, 15. September 2015

Die Heiligkeit nichtheiliger Männer (1b)

Teil 1b) Zwischenschritt - So manches Detail aus der Schule geplaudert, 
aber nicht zum Hauptstrang des Artikels gehörend. 
Oder doch?
Vielleicht auch nur eine auseinandergeflossene Anmerkung.



Bischöfliches Tafelgut Schloß Ochsenburg im Traisental, St. Pölten
*Krenns Vorgänger, Bischof Franz Zsak, nutzte die Ochsenburg wenigstens als sommerliches (damals noch unbeheizbares) Jagdschloß. Als der VdZ das alles sah (er war mehrmals dort; einer seiner Söhne ist sogar im originalen Silberbecken des ersten Bischofs der Diözese St. Pölten aus dem späten 18. Jhd. eben auf dieser Burg - natürlich im vollständigen (alten) Ritus, in dem er selbst 1961 getauft worden war - getauft worden), begann er zu begreifen, daß dieser gar kein so schlechter Bischof gewesen sein konnte. Und er war froh, von diesem seinerzeit die Firmung empfangen zu haben. 

Denn Franz Zsak war ein Herr, ein Landesfürst im wahrsten Sinn. Sein engster Vertrauter, Freund und Weihekamerad, erzählte dem VdZ, wie irritierend da Bischof Krenn in seiner eigenartigen Jovialität, ja Modernität eigentlich wirkte. Denn man war überall im Lande gewöhnt, man stelle sich das vor!, dem Bischof nur unter aller Ehrenbezeugung - Kniefall, Ringkuß, etc. - zu begegnen. Und Zsak war wie ein Renaissancefürst für seine Launen, seine Unduldsamkeiten bekannt, denen sich jeder fügte. Ein Wort von Zsak - und niemand wagte Widerspruch. Wenn er zur Jagd lud, kam alles, was Rang und Namen hatte. Es gibt (oder: gab) in der Ochsenburg ein wundervolles Portrait in Öl von ihm: Als Fürst stand er da. 

Zsak gehörte der ersten Nachkriegs-Priestergeneration an. Mit der hat es seine eigene Bewandtnis. Die ist interessant, und soll kurz geschildert werden: Unter den Nazis war der Priesternachwuchs ziemlich zum Erliegen gekommen. Junge Männer mußten in den Krieg, sollten nicht Theologie studieren. Dadurch fehlten nach 1945 an allen Ecken und Enden - Priester, während es keine weihereifen Studenten gab. Also wurden die Kandidaten, deren es ausreichend gab, im Schnellverfahren durchs Studium geschleust, um so rasch als möglich "ausgeweiht" zu werden. Das blieb noch einige Zeit so. Dabei wurden natürlich gewisse Qualitätskriterien etwas großzügiger betrachtet, als gut war. Intellektuell wie charakterlich. Denn es war eine Zeit des Wiederaufbaus und der Geburtenexplosion. Und es war eine Zeit mit religiösem Hunger. So sehr, daß - man stelle sich das heute vor! - noch in den 1950ern nicht wenige Priester aus Holland nach Österreich kamen, weil es dort so viele Priesterberufungen gab.

Aus diesen so rasch wie möglich geweihten Priestern sind aus genannten Gründen zum einen natürlich kaum große Theologen oder wissenschaftliche Leuchten hervorgegangen. Zum anderen aber hat so mancher (sagen wir: disziplinäre) Skandal der Kirche, wie sie in den letzten Jahren aufgetaucht waren, ebenfalls dort Wurzeln.

Diese Priestergeneration, die mit weit offenen Armen von der Kirche aufgenommen und umworben (um nicht zu sagen: umhätschelt) wurde, hatte auch ein ganz eigenes Verhältnis zur Kirche und ihren Einrichtungen. Es war ein bißchen, als stünden sie darüber, als wäre die Kirche so etwas wie ihr Privatrefugium Und sie machte natürlich auch sehr schnell Karriere. Als 1962 das Zweite Vatikanum anbrach, saßen sie bereits an allen maßgeblichen Stellen in unseren Länden.  Als Bischöfe, als Lehrer, als Leiter und Lenker. Mit perennierenden Folgen. 

Denn Autorität  muß verliehen werden, man muß nach oben geholt werden. Es ist dabei ein altes Gesetz, daß nur geistig hochstehende Menschen auch Hoch-, ja über ihnen Stehende nachziehen. Das Mittel- und Untermaß aber sieht solche als Bedrohung, es zieht nur unter ihnen stehende nach. So wurden in dieser Zeit personelle Weichen sehr nachhaltig mit gestellt. 

Kurz: Die Kirche war dem Ansturm der Zeit, dem Vatikanum, den 68ern, der sexuellen Revolution, dem wissenschaftlichen Umbruch (Biologie/Evolutionslehre, etc. etc.), intellektuell nicht mehr gewachsen, so hat es der VdZ auch erlebt, hatte keine Antworten mehr. Ja, zum Teil zumindest ist dieses Mißtrauen in die älteren Geister, das diese Revolution anfachte, gar erst aus dieser Schwäche heraus entstanden. Auch der VdZ hat seine Lehrer bereits als intellektuell hilflos erfahren, angesichts einer Zeit, die einfach alles in Frage zu stellen begann, und deren Vollgestalt wir heute sehen.

Das ist deshalb gesagt, weil in diese Situation hinein die eigenartige Aufbruchsstimmung des Konzils wie ein Tornado gewütet haben  muß, vermutlich aber sogar daraus entstanden ist. Denn intellektuell ausgewogenere Geister, um es so zu formulieren, hätten wohl etwas weniger überzogene Erwartung produziert, oder auf die Laien (durch die Medien wurde erstmals ein Konzil fortlaufend auch in Laienkreisen heftig diskutiert) mäßigend eingewirkt. Was dann konkret in den Diözesen, in den Pfarren, in der Kirche passierte, ist in den Augen des VdZ (und so hat er es in den frühen 1970ern erlebt: als unglaubliches Kasperltheater) die glatte Folge einer intellektuell bereits desaströsen Lage. Und zwar bei den wie durch die Priester ... jener Nachkriegs-Generation. Das erklärt  nicht alles. Aber der VdZ hat diesbezüglich viele Beobachtungen gemacht, sodaß er zu dieser These kam.

Die Geschichte der Diözese St. Pölten ist eine Geschichte von Bischöfen, die allesamt viele Jahrzehnte herrschten. Als stille, eigentliche Könige eines Landes, das nie einen König gehabt hatte, weil als Mark dem Territorialprinzip, nie dem Personalprinzip unterworfen war. Hier waren sei je Gesetze am Boden verhaftet, nicht in der personalen Würde der Stammeszugehörigkeit wie im Kern Deutschlands. Deshalb konnte sich in Österreich auch Zentralismus, Absolutismus entwickeln - anders als im übrigen Deutschland. Im Bischof hatte man aber gewissen personalen Ersatz.

Krenn hingegen trat auf wie ein Kumpel vom Sauftisch. Er war - und das mag seltsam klingen, ist aber selbst von manchen Gegnern so gesehen worden - modern, besonders in seinem Umgang mit Form, riß Distanzen nieder. Ihm widersprach jeder, selbst der einfachste Mann aus Eggenburg an der Pimpf, spätestens nach dem fünften Bier auf der mittlerweile durchgebogenen Jahrmarktsgarnitur, was dem Bischof wichtiger schien als die Liturgie. Ehe der Bischof der aufgekratzten Männerrunde zu später Stunde mit schwerem Zungenschlag das Du antrug. 

Unter Krenn zerfiel tatsächlich die Autorität des Bischofs in der Diözese St. Pölten, er verluderte das großartige, wenn auch oft eigentümliche, dabei aber so lokal-verwurzelte Erbe, das ihm seine Vorgänger hinterlassen hatte. Und er befremdete damit viele Menschen. Der VdZ hat in zahllosen Pfarrbesuchen die Irritationen vieler erlebt, die keinesfalls "gegen Krenn" und schon gar "gegen die Kirche" gewesen waren, die sich einfach aber nicht mehr auskannten. Die Leute Niederösterreichs hatten es dabei doch immer "lieber streng" gehabt. Wie also "gegen den Bischof" sein? Das kann man doch gar nicht? Daß sie das doch könnten, hat erst Krenn ihnen klargemacht. Bis praktisch überall auf den Tischen die Mäuse tanzten. Glaubensinhalte waren plötzlich diskutabel. Das waren sie noch unter Zsak nie gewesen. DAS war Krenns größter "Verdienst".

Was meint denn der Leser, warum so mancher Bekannte aus Krenns früheren Jahren, oder seine Studenten, es nicht verstehen konnten, warum er nun plötzlich als "konservativer Hardliner" dastand, der nicht mit sich reden ließ? "Das ist er doch nie gewesen?!" Tatsächlich. Das war er nie. Das ergab sich so. Unter dem Bergoglio-Papst hätte sein Profil auch deutlich anders ausgesehen, das wagt der VdZ zu behaupten. Unter dem Polen Johannes Paul II. war anderes gefragt. 

Dieser Mann hätte niemals in eine so hohe Position gehoben werden dürfen. Zu der es mehr braucht als ein wenig (eloquente) Hegelkenntnis, eine charmant abgenuschelte Dissertation, die im Gegensatz zu wissenschaftlich wirklich knallharten Dissertationen, die sich bescheiden bestenfalls auf den letzten zehn Seiten zu solchen Ausflügen wagen, zu 100 % aus Spekulation besteht (so interessant sie auch zu lesen ist, der VdZ mag Spekulation). Und schon gar mehr als clevere Seilschaften, deren Rudimente noch heute in der Landschaft des Vatikan herumstehen, sodaß so mancher Kardinal besser ganz kleine Kuchen backen sollte. Sein Boden ist dünn. Während so mancher seiner früheren "Studenten" und Kollegen, unter ihnen ebenfalls mancher Kardinal oder ehrenwerte Wissenschaftler, ihn ... ohnehin nie mochte.

Beim VdZ war es freilich umgekehrt - er mochte ihn, er entdeckte sofort viele Ähnlichkeiten. Krenn aber mochte wohl genau deshalb IHN nicht. Wer dieses Gegenüber wirklich war, hat ihn ja nie interessiert. Das interessiert in der Kirche traditionell ohnehin niemanden, das nur so nebenbei. Kleriker sind meist geschlagen von Neid, durch die weltliche Impotenz, zu der sie verurteilt sind, und Mißachtung. Ihre Kernprobleme, wie der VdZ heute weiß, die vieles in der Kirche erhellen, auch die Überbetonung von (vergegenständlichter) "Liebesbezeugung" (wozu sich ja social media bestens eignen, die sich ja generell bestens eignen, alles mögliche als Scheinbild zu vergegenständlichen, das in Wirklichkeit fehlt) sowie die von Laienmöglichkeiten; die soll diese Schwäche kompensieren. Diese Haltung hat dazu geführt, daß die eigentlichen Schichten des Katholizismus - die mit handfester Lebenspraxis und einer auch geistigen Erdung, die keine Grillen zuläßt - sich in der Kirche nicht mehr beheimatet fühlen. Die Kirche hat ihr "Publikum" (bhühnentechnisch gesprochen) nicht verloren - sie hat es "aussortiert". Ausgesiebt wurde ihr eigentlicher Kern, geblieben ist der wirklichkeitsferne, verstiegene und ideologisierende Rest. Auch das spricht für die Plausibilität der o. a. Thesen über das Geschehen nach dem Krieg. Das betrifft auch, ja insbesonders sogar, die "neuen/erneuerten" Gruppen, fast immer Formen von Religionssimulation.

Krenn hat also den VdZ nur als Gefahr begriffen, das hat er sofort nach dem Gespräch geäußert, das wurde dem VdZ hinterbracht. Und eigentlich nicht ganz zu Unrecht, auch er witterte Parallelen. Die es gab. Er war - wie der VdZ - ohne Vater aufgewachsen, beiden verstarb er früh. Wenn die Mutter den Vater nicht mitlebt - NICHT ersetzt! ihn nur stellvertretend wahrnimmt, als verweisende Tangente bestehen läßt! - entsteht ein Muttersöhnchen, auch oft durch explizites Männlichkeitsgehabe verdeckt. (Siehe männliche Türken - die Türken sind in Wirklichkeit matriarchalisch organisiert!; siehe ... Krenn hat einmal geboxt; der VdZ hat sich in seiner Jugend stark im Sport engagiert.) Und Muttersöhnchen haben nur ein Wirkmittel, zum Rest - der eigentlichen Realität - fehlt ihnen der Mut: Die Sprache. So, wie die Frauen eben agieren. Wenn es nicht gelingt, das zu überwinden, bleibt solch ein "Mann" ein eloquentes (Mann bzw. Vater zurückweisendes) "Weib", dessen Wirklichkeit nur die Sprache (und damit Moral, Wahrheit, Autorität bzw. Karriere, Titel, etc. etc. als Herrschaftsmittel) bleibt. Gerade dann nämlich, wenn er es durch Jovialität überspielt. Denn dann kann er die Ebenen nicht auseinanderhalten, sieht die Trennung zwischen Amt und Person nicht mehr, okkupiert ersteres. Krenn hielt die Kirche in ganz Österreich wie in Geiselhaft. Auch er - ein Nachkriegspriester im obigen Sinn?




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