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Mittwoch, 16. September 2015

Die Heiligkeit nichtheiliger Männer (2)

Teil 2) Die Stunde der Gaukler




Die Konstellation war verzwickt, und doch auch so einfach: Beide Seiten, beide Seiten selbsternannter Kirchenreformer, ins vermeintlich Konservative hier, ins vermeintlich Progressive-Moderne dort,  hatten ihren idealen Spielraum gefunden. Und sie taten des Bischofs Arbeit gründlich. Also zumindest das, was Arbeit am effektivsten vortäuscht: Sie produzierten Reaktion. Krenn mußte wieder nichts mehr arbeiten. Er konnte sich zurücklehnen, und das Spiel genüßlich verfolgen. 

Nichts ist in der Diözese mehr passiert. Alle haben gemacht, was sie wollten, was natürlich vor allem den Progressiven entgegenkam, und alle hatten ihr Rechtfertigungsargument und waren plötzlich wichtig. Immerhin stand das Schicksal der Kirche am Spiel, lag in ihren Händen, der Tiber floß vor dem Fensterchen des Klohäuschens vorbei. Wann erlebt man das schon? Und deshalb haben alle so getan, als passierte tatsächlich Weltbewegendes, durch diesen Bischof, der gerne des Kaisers neue Kleider annahm. So dicht war der Blick des Volkes noch nie. Er konnte seine Abende in der Trattoria genüßlich fortsetzen, und am Morgen den Professoren irgendetwas erzählen.

Und die Aufstiegschancen der Progressiven waren noch nie so hoch. Umoveatur ut amoveater, oder wie hieß das alte Weisheitssprüchlein doch? Denn Chancen zur Beförderung hatten ja nur sie. Krenn mußte nur ab und zu ein kleines Kohlestückchen zum Scheinfeuer nachliefern, gewissermaßen "unter Blitzlichtgewitter", und den Gefallen taten ihm die Progressiven sehr gerne, und schrieen gerne auf, sobald es das Herrchen brauchte. Bald brauchte Krenn ohnehin nicht einmal mehr das zu tun. Die sogenannten Konservativen redeten die Früchte ohnehin auch für die andere Seite herbei. Wozu sie noch erbringen, oder gar - mein Gott! das wäre ja Mühe! - durchsetzen, erarbeiten? Da verschmolzen beide Seiten auf bemerkenswerte Weise, denn sie hatten sich ohnehin immer berührt - an ihrem Schwänzchen, am Hinterteil. Dort, wo auch Krenn so gerne saß, sodaß alle Seiten zufrieden grunzend zurücksanken, vereint im Nichtstun, ersoffen im Geräusch lang durchgequatscher lauer Sommernächte. In St. Pölten oder in Rom oder im Stiftsgarten von Herzogenburg, oder in jeweiligen Kampfpostillen. War die Welt jemals schöner?

Irritiert waren nur die einfachen Katholiken, die eigentlich weder hier noch dort standen. Die aber waren leicht zu bedämpfen. Denn die hatten eine fatale Eigenschaft: Sie ... konnten schweigen. Sie nahmen als einzige das Gebot der Diskretion ernst. Wurden sie dennoch unangenehm, wurden sie entfernt. Amoveater ut amoveater, so ungefähr. Und schwiegen ebenfalls. Nahmen als einzige den Glauben ernst. Wie viele der hervorragendsten Pfarren und Pfarrer soll der VdZ denn nennen, die ... schwiegen? Es war eben die Stunde der Gaukler.

Wie soll aber bitte jemand, der die Welt sein ganzes Leben so elegant an der Nase zu führen verstand, jemals Achtung vor den Menschen UND VOR SICH SELBST entwickelt haben? Nur so am Rande gefragt.

Das aber, werte Herrschaften, ist vielleicht wirklich Insiderwissen. Das den Horizont so mancher gewiß übersteigt. Und es sei nur deshalb ein wenig gelüftet, um auf DEREN Ehre hinzuweisen, die auf ihren Namen verzichteten, weil es der Kirche, der Wahrheit diente. Namentlich wird sie der VdZ natürlich nicht nennen. Zumalen Kurt Krenn bei ihnen von etwas Bestimmtem gelebt hat. Wie so oft, wie fast immer eigentlich, es gehörte zu seiner persönlichen Art, was er selber freilich nicht besaß, vielleicht aber doch in seinem letzten, in völliger Zurückgezogenheit und Verschwiegenheit verbrachten Lebensjahrzehnt lernte: Von der Diskretion desjenigen, der sein Leben wirklich für Christus hingibt. 

Die "Insider" jedenfalls, die das Buch mit den angeblichen Krenn-Kolumnen, die er nie geschrieben hatte, herausgegeben haben (was immer heißt: die Veröffentlichungsrisken zu tragen), scheinen das ebenfalls nicht zu kennen. Sonst hätten sie wenigstens geschwiegen. Oder das Buch anders betitelt. Haben sie es aber gewußt, dann muß man sehr ernst fragen, was sie mit dieser Veröffentlichung bezweckt haben. Deren Ehren und vor allem deren Lorbeer nämlich ganz anderen zustünde. Die also Unrecht tun, um ihr kirchenpolitisches Mütchen (und dabei ... ihre eigene Ehre im Blick: "Wir hatten recht!") zu kühlen. Die bei besserem Wissen aber noch eine ganz andere - nicht GANZ so schmeichelhafte - Aussage zur Amtszeit des Kurt Krenn liefern würden. Das war dann so wohl doch nicht beabsichtigt.

Aber das zu sagen muß eben jemand unternehmen, der sowieso nicht heilig wird. Und auch keine Karriereabsichten in der Kirche hat. An dem Hopfen und Malz verloren ist. Leute, deren Hände so voller Blut sind, daß es auf ein paar Spritzer mehr auch nicht mehr ankommt. Unbedeutender Abschaum, der wie die Henker im Niemandsland weit vor den Toren wohnt. Wie der VdZ. Der zur Kenntnis nehmen lernte, daß Menschen oft Bücher geschrieben haben, die sie nie geschrieben haben. Weil sie sich alle so herzlich wenig unterscheiden. Daß aber die, die sie geschrieben haben, niemand kennt.

Nur Gott.

Ist das nicht das Schicksal jedes Schauspielers, wenn er seine Berufung ernst nimmt?



Morgen Teil 3) Parallelen - Ach, es geht in einem Aufwasch





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