Teil 2) Die Stunde der Gaukler
Die
Konstellation war verzwickt, und doch auch so einfach: Beide Seiten,
beide Seiten selbsternannter Kirchenreformer, ins vermeintlich
Konservative hier, ins vermeintlich Progressive-Moderne dort, hatten
ihren idealen Spielraum gefunden. Und sie taten des Bischofs Arbeit
gründlich. Also zumindest das, was Arbeit am effektivsten vortäuscht:
Sie produzierten Reaktion. Krenn mußte wieder nichts mehr arbeiten. Er
konnte sich zurücklehnen, und das Spiel genüßlich verfolgen.
Nichts
ist in der Diözese mehr passiert. Alle haben gemacht, was sie wollten,
was natürlich vor allem den Progressiven entgegenkam, und alle hatten
ihr Rechtfertigungsargument und waren plötzlich wichtig. Immerhin stand
das Schicksal der Kirche am Spiel, lag in ihren Händen, der Tiber floß
vor dem Fensterchen des Klohäuschens vorbei. Wann erlebt man das schon?
Und deshalb haben alle so getan, als passierte tatsächlich
Weltbewegendes, durch diesen Bischof, der gerne des Kaisers neue Kleider
annahm. So dicht war der Blick des Volkes noch nie. Er konnte seine
Abende in der Trattoria genüßlich fortsetzen, und am Morgen den
Professoren irgendetwas erzählen.
Und die Aufstiegschancen der Progressiven waren noch nie so hoch. Umoveatur ut amoveater,
oder wie hieß das alte Weisheitssprüchlein doch? Denn Chancen zur
Beförderung hatten ja nur sie. Krenn mußte nur ab und zu ein kleines
Kohlestückchen zum Scheinfeuer nachliefern, gewissermaßen "unter
Blitzlichtgewitter", und den Gefallen taten ihm die Progressiven sehr
gerne, und schrieen gerne auf, sobald es das Herrchen brauchte. Bald
brauchte Krenn ohnehin nicht einmal mehr das zu tun. Die sogenannten
Konservativen redeten die Früchte ohnehin auch für die andere Seite
herbei. Wozu sie noch erbringen, oder gar - mein Gott! das wäre ja Mühe!
- durchsetzen, erarbeiten? Da verschmolzen beide Seiten auf
bemerkenswerte Weise, denn sie hatten sich ohnehin immer berührt - an
ihrem Schwänzchen, am Hinterteil. Dort, wo auch Krenn so gerne saß,
sodaß alle Seiten zufrieden grunzend zurücksanken, vereint im Nichtstun,
ersoffen im Geräusch lang durchgequatscher lauer Sommernächte. In St.
Pölten oder in Rom oder im Stiftsgarten von Herzogenburg, oder in
jeweiligen Kampfpostillen. War die Welt jemals schöner?
Irritiert
waren nur die einfachen Katholiken, die eigentlich weder hier noch dort
standen. Die aber waren leicht zu bedämpfen. Denn die hatten eine
fatale Eigenschaft: Sie ... konnten schweigen. Sie nahmen als einzige
das Gebot der Diskretion ernst. Wurden sie dennoch unangenehm, wurden
sie entfernt. Amoveater ut amoveater, so ungefähr. Und schwiegen
ebenfalls. Nahmen als einzige den Glauben ernst. Wie viele der
hervorragendsten Pfarren und Pfarrer soll der VdZ denn nennen, die ...
schwiegen? Es war eben die Stunde der Gaukler.
Wie
soll aber bitte jemand, der die Welt sein ganzes Leben so elegant an
der Nase zu führen verstand, jemals Achtung vor den Menschen UND VOR
SICH SELBST entwickelt haben? Nur so am Rande gefragt.
Das
aber, werte Herrschaften, ist vielleicht wirklich Insiderwissen. Das
den Horizont so mancher gewiß übersteigt. Und es sei nur deshalb ein
wenig gelüftet, um auf DEREN Ehre hinzuweisen, die auf ihren Namen
verzichteten, weil es der Kirche, der Wahrheit diente. Namentlich wird
sie der VdZ natürlich nicht nennen. Zumalen Kurt Krenn bei ihnen von
etwas Bestimmtem gelebt hat. Wie so oft, wie fast immer eigentlich, es
gehörte zu seiner persönlichen Art, was er selber freilich nicht besaß,
vielleicht aber doch in seinem letzten, in völliger Zurückgezogenheit
und Verschwiegenheit verbrachten Lebensjahrzehnt lernte: Von der
Diskretion desjenigen, der sein Leben wirklich für Christus hingibt.
Die
"Insider" jedenfalls, die das Buch mit den angeblichen Krenn-Kolumnen, die er nie geschrieben hatte, herausgegeben haben (was immer
heißt: die Veröffentlichungsrisken zu tragen), scheinen das ebenfalls
nicht zu kennen. Sonst hätten sie wenigstens geschwiegen. Oder das Buch
anders betitelt. Haben sie es aber gewußt, dann muß man sehr ernst
fragen, was sie mit dieser Veröffentlichung bezweckt haben. Deren Ehren
und vor allem deren Lorbeer nämlich ganz anderen zustünde. Die also
Unrecht tun, um ihr kirchenpolitisches Mütchen (und dabei ... ihre
eigene Ehre im Blick: "Wir hatten recht!") zu kühlen. Die bei besserem
Wissen aber noch eine ganz andere - nicht GANZ so schmeichelhafte -
Aussage zur Amtszeit des Kurt Krenn liefern würden. Das war dann so wohl
doch nicht beabsichtigt.
Aber das zu sagen muß eben jemand unternehmen, der sowieso nicht heilig wird. Und auch keine Karriereabsichten in der Kirche hat. An dem Hopfen und Malz verloren ist. Leute, deren Hände so voller Blut sind, daß es auf ein paar Spritzer mehr auch nicht mehr ankommt. Unbedeutender Abschaum, der wie die Henker im Niemandsland weit vor den Toren wohnt. Wie der VdZ. Der zur Kenntnis nehmen lernte, daß Menschen oft Bücher geschrieben haben, die sie nie geschrieben haben. Weil sie sich alle so herzlich wenig unterscheiden. Daß aber die, die sie geschrieben haben, niemand kennt.
Nur Gott.
Ist das nicht das Schicksal jedes Schauspielers, wenn er seine Berufung ernst nimmt?
Aber das zu sagen muß eben jemand unternehmen, der sowieso nicht heilig wird. Und auch keine Karriereabsichten in der Kirche hat. An dem Hopfen und Malz verloren ist. Leute, deren Hände so voller Blut sind, daß es auf ein paar Spritzer mehr auch nicht mehr ankommt. Unbedeutender Abschaum, der wie die Henker im Niemandsland weit vor den Toren wohnt. Wie der VdZ. Der zur Kenntnis nehmen lernte, daß Menschen oft Bücher geschrieben haben, die sie nie geschrieben haben. Weil sie sich alle so herzlich wenig unterscheiden. Daß aber die, die sie geschrieben haben, niemand kennt.
Nur Gott.
Ist das nicht das Schicksal jedes Schauspielers, wenn er seine Berufung ernst nimmt?
Morgen Teil 3) Parallelen - Ach, es geht in einem Aufwasch
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