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Dienstag, 29. September 2015

Gegen die einbetonierte Elite

Der VdZ schickt es voran: Er hängt keiner der nachfolgend genannten Parteiungen an. Leser dieses Blog werden das wissen. Nicht einmal inhaltliche Nähen ließen sich konstruieren, selbst bei manchen Übereinstimmungen, die es aber auch mit allen anderen gibt. 

Er beschreibt also nur beobachtete Mechanismen, wenn er feststellt, daß der erdrutschartige Wahlerfolg der FPÖ in Oberösterreich bei der Landtagswahl vom 27. September 2015, die nun endgültig beweist, daß sie in der Lage ist, zumindest im Wählerpotential die ehedem "großen" Parteiungen zu zertrümmern. Indem sie seit einiger Zeit, und nun ganz deutlich sichtbar, sogar die ÖVP an ihrer Gurgel zu fassen bekommt. Der die Wähler - nach Jahrzehnten der Selbstauflösung dieser ehedem christlich-sozialen Partei, der eigentlichen und einzigen volks- und staatstragenden Partei nach 1945 - nun endgültig ihren Bund aufsagen. Und zur FPÖ überlaufen. Wie viel da passieren mußte, wissen nur Eingeweihte. Die Frage auf das "Flüchtlingsproblem" zu reduzieren, greift in jedem Fall zu kurze. Das Thema, das die Hilflosigkeit der staatsführenden Parteien fast beschämend aufgezeigt hat, hat den Schritt ins eigentlich Unmögliche nur ausgelöst.

Der Schock saß tief, auch in den Medien, überwiegend gleichfalls ÖVP-nahe. Und einige Stunden herrschte deshalb eine gewisse Zurückhaltung. Denn mit den bisherigen Schlagworten schien dem Aufstieg der "rechten" FPÖ nicht beizukommen, das hat Oberösterreich endgültig bewiesen.

Aber es dauerte nur Stunden. Denn sofort wurde allen klar, daß es nun - am 11. Oktober wird in der Bundeshauptstadt gewählt, einer Stadt, die seit 100 Jahren fest in roter Hand ist und einen direkten Einflußbereich hat, der ein Drittel des Staates Österreich umfaßt - tatsächlich um etwas geht. Der Sturz der regelrecht einbetonierten Sozialisten, die die Stadt regieren und bis in kleinste Institutionen und Einrichtungen parteipolitisch durchdrungen haben wie Wasser einen Schwamm, sodaß selbst ein wirklicher Regierungswechsel praktisch scheitern wird müssen, denn deren Umbau, der erst wirklich zu einer Änderung der Politik führen würde, und nur der würde es, wäre nur über Jahrzehnte zu bewerkstelligen, ein solcher Sturz scheint plötzlich möglich, ja ganz realistisch. Es bleiben nur noch zwei Wochen, um ihn abzuwenden, denn die Umfragen zeigen, daß sich in den Bandbreiten der Prognosen die beiden Parteien (und nur noch die führen diesen Kampf um die Wähler) - hier unten, dort oben - bereits überschneiden. So nahe sind sie sich bereits.

Und augenblicks setzte die Panik ein. Schon gegen Mittag des folgenden Montag begannen die ersten Zeitungen, von den "Gefahren" zu schreiben, die bei einem Sieg der FPÖ, bei einem blauen = "rechten" Bürgermeister, der Stadt drohen. Da schrieb der Kurier bereits von unvorhersehbarer Rufschädigung, von Einbußen im Tourismus und in der Kongresswirtschaft. Vom Verlust des Status von Wien als Weltstadt

Das sind natürlich unhaltbare Behauptungen, die sich nur darauf beziehen können, daß der Ruf Wiens jenen Kriterien nicht mehr entsprechen könnte, nach denen besagte Journalisten und Medieninhaber (und Parteien) Wien gerne definiert und umgestaltet hätten. Genauso gut könnte man das Gegenteil behaupten - und belegen. Der VdZ erinnert sich nur zu lebhaft an wahrlich zahlreiche Gespräche mit Touristen, die Wien als wohltuenden, geliebten Fluchtpunkt des Konservatismus sahen, inmitten einer linksdralligen Welt. Aber das ist gewiß nur der Auftakt zu dem, was den Österreicher in den kommenden beiden Wochen noch erwartet.

Sofort also fallen die Medien nicht nur in alte Schemata der Parteinahme und Manipulationsabsicht zurück. Was zeigt, daß die in den letzten Wochen in einem teilweise wirklich überraschenden Schwenk "bewiesene Offenheit für alle Seiten" nur geheuchelter, plumper Pragmatismus war, den man sofort entsorgte, sobald er sich als unwirksam herausstellte.

Denn die "bürgerlichen" Parteiungen in Österreich, denen sich die Medien sämtlich eingeordnet und als Instrumente zur Verfügung gestellt haben, und wovon sie gut leben (wahrscheinlich nirgendwo in Europa ist die Verflechtung von Medienfinanzierung und Politik derartig ausgewachsen wie in Österreich, hier wäscht nur noch eine Hand die andere) werden nun kein Mittel scheuen, um ihre Pfründe zu sichern. Daß das nach "Sympathie" für die FPÖ klingt, liegt nicht an einer solchen, sondern am simplen Sachverhalt, an den realen Umständen in diesem Land.

In dem es mit Staunen festzustellen gilt, daß die seit 1945 das Land bestimmenden Parteien und Parteiungen die Realitäten nicht mehr erkennen. Denn der VdZ lehnt sich zwar wieder einmal weit aus dem Fenster, aber er hat den klaren Eindruck, daß nach vielen Jahren, in denen die Österreicher immer noch und trotz allem ihren Grundsatzpositionen treu geblieben sind, wenn auch murrend und immer unzufriedener festgestellt haben, daß diese nicht mehr beantwortet werden, sie seit recht kurzer Zeit beschlossen haben, sich also doch davon zu lösen. Und neue Wege zu riskieren. Denn auf den bisherigen - und das nimmt der Österreicher in offenbar schon breitem Ausmaß ernüchtert zur Kenntnis - wird ganz sicher nichts besser, weil jede Partei im Blindflug agiert und die Bereitschaft, sich substantiellen Problemen zu widmen Lippenbekenntnis blieb.

Wollten nicht genau das aber - neue Wege - nicht sowieso alle?

Oh nein, der Österreicher ist nicht plötzlich bösartig geworden. Er hat nur lange zugeschaut, hat nur lange geschwiegen. Nun aber setzt er sich zur Wehr. Und diese Gegenwehr ist die Gegenwehr gegen ... den Betonblock der Elite dieses Landes. Es ist die Gegenwehr jenes Grundstocks an Menschen in diesem Land, dessentwegen der VdZ es immer noch so geschätzt hat - die Menschen, die es eigentlich tragen. Die Menschen mit Vernunft, die es immer noch in erstaunlichem Ausmaß in Österreich gibt. Die aber selben dieser in sich abgeschlossenen, sich selbst perennierenden, zum Albdruck des Landes gewordenen Elite zugehören. Die noch stärker als in Deutschland eines kennzeichnet: Eine tiefe Kluft zur Wirklichkeit, zur Realität. Der aber das Volk zu großen Teilen gar nie entfliehen kann.

Sie sind es, die sich nun endgültig zu Wort melden. Daß das die FPÖ auf sich vereint, ist eigentlich Zufall, in oberösterreich aber gewiß auch dem Geschick des dortigen Parteiobmanns zuzuschreiben, der viel tat um die Zuschreibung von FPÖ=RECHTS oder gar rechtsradikal vergessen zu machen. Damit hat er diesen Grundschichten des Landes den Schritt erleichtert. Einmal aber gesetzt, ist dieser Schritt nun etabliert. Diese Wahl hatte Initiationscharakter, behauptet der VdZ.

Er ist deshalb auch ein gewisses Verdienst, dessen prinzipielle Wurzeln man gewiß bei einer politischen Erscheinung suchen muß, die vor 25 Jahren begann und wieder verglüht ist, Jörg Haider. Und das sagt im VdZ ein Mann, der genau diesen Jörg Haider als Politiker aus hier genau dargestellten Gründen nie schätzte. Schon aus diesen Gründen hätte er ihn nie gewählt, hätte er gewählt.

Wobei der VdZ hier ein Wort einer in diesem Zusammenhang Unverdächtigen - Elfriede Jelinek - anführt, es sagt nämlich viel. Die einmal bemerkte, daß schon deshalb etwas an diesem Land nicht stimmen könne, weil sie selbst sich häufig dabei ertappe, sich von einer ihr möglicherweise zugedachten "nicht richtigen" Richtung loszusagen - nur weil sie die Wahrheit schreibe.

Die heutige FPÖ (die nicht einmal ein halbwegs solide zu nennendes Parteiprogamm, und schon gar keine Konzpte hat!) ist deshalb ein eigentümlicher Beweis der Laune des Schicksals, das sich am Sein orientiert, nicht am Schein. Das deshalb das Faktische weiter umspannt, als die meisten es je wahrhaben werden. Das deshalb auch das vordergründig Untaugliche benützt, um das Richtige auszulösen. Aber sie wird sich ihrer Wählerschaft nie sicher sein können. Sie ist eine Durchgangsstation. Möglicherweise aber als fast groteske Dauerlösung. Denn wenn man von ideologischer Ausrichtung sprechen kann, dann ist es die von 1848. Und die ist ... links.

Man darf gespannt sein, wer das als erstes erkennt. Es steht aber zu befürchten, daß es jene Kreise und Persönlichkeiten und Institutionen, die dies sowohl sehen als auch in Form gießen können, vom Geist wie von der Umsetzungskraft her, in diesem Land gar nicht mehr gibt. Zu lange bereits hat man die Zerstörer gewähren lassen, in der Haltung getragen, auch damit noch fertigzuwerden. Weil Revolution ihrem Wesen widerspricht. Vielleicht aber liegt es auch am Oberösterreicher selbst, der tendentiell immer eine gewisse und sehr katholisch-mutige Wirklichkeitsoffenheit hatte.

Denn an den Medienreaktionen läßt sich deutlich nachvollziehen, daß das Mut braucht. Denn wer so entscheidet ist bereit, sich hinkünftig als dumm, ungebildet und menschlich unzulänglich und grundsätzlich böse oder irregeführt, also nicht frei entscheidend - also: nicht als Mensch! - bezeichnet zu sehen. Von wem? Von der Elite, und denen, die sich in deren Dunstkreis sehen weil Nutznießer sein wollen, sich also andienen. Wer aber ist mehr von Angst beherrscht, als diese Elite? Die Antwort möge der Leser selbst finden.

Die Schockwirkung auf sämtliche übrige Parteien ist förmlich zum Greifen. Nun hat sie es schwarz auf weiß, daß ihre bisherigen Mittel versagen. Wei aber nun reagieren? Es scheint sich alles gegen sie zu wenden. Und die Zeit für einen Kurswechsel ist zu kurz, zumindest für die Wahlen in Wien. Aber man wird reagieren, darauf kann man wetten. Am wahrscheinlichsten derzeit ist: mit Brachialgewalt, mit einem Versuch, direkte Entscheidungen zu beeinflussen. Durch Drohungen, durch Versprechungen, direkt an den Wähler gerichtet. Die Not rechtfertigt ja bekanntlich manchmal alle Mittel. Und hier spielt die Zeit gegen sie. In früheren Zeiten brachen Regierungen aus solchen Anlässen sogar schon Kriege vom Zaun.

Wohltuend ist dieses Ergebnis in Oberösterreich deshalb allemal. Und sei es, weil es dem unbeteiligten Zuschauer wieder Spannung in die Aufführung gebracht hat. Denn die als Starre zu mißverstehende Duldungskraft des Österreichers ist nicht nur sein Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern, ist seine hervorragendste - ja: christlichste - Eigenschaft. Sie ist auch seine entmutigendste, denn sie schien unendlich.

Ob es aber eine politische Kraft geben wird (=in Person; die Politik der Zukunft wird den Personen gehören, behauptet der VdZ, gegen allen Anschein, wie ihn v. a. das Internet errichtet, wird es in Zukunft politisch um Person GEGEN Konzeptualismus gehen, und die Person wird gewinnen), die dieses nunmehr "freigewordene Potential" in Form und Praxis zu gießen versteht, steht zu bezweifeln. So wird es die FPÖ nützen, sie kann diesen Effekt fast nur verspielen. Die Zeit leistet die Hauptarbeit. Es passiert ihr also ohne daß sie genau weiß, wie ihr geschieht.

Denn diese Bevölkerungsschichte Östereichs - die zahlenmäßig die Mehrheit ist - fällt ihr von selbst zu. Als einziger Gruppierung, die nicht der bestehenden Elite angehört, wird sie von einer Woge des Schicksals getragen. Und wenn es diesmal nicht reicht, dann das nächste mal. Vielleicht ist es diesmal sogar noch zu früh für einen entscheidenden Sieg. Denn möglichweise würde sie ihn gar nicht effektuieren können, sich an den Betonblöcken ihre Köpfe zerreiben.

Wenn sich aber die Freude über die Möglichkeit eines "neuen Besens" verselbständigt, wird der FPÖ in Österreich überhaupt nichts mehr unzugängig bleiben. Dann wird sie in fünf Jahren selbst die absolute Mehrheit erringen, nicht unähnlich den Vorgängen in Ungarn vor sechs Jahren, die sich in ein paar Jahren möglichweise noch einmal selbst "nach rechts" korrigieren, weil Orban letztlich Pragmatiker ist. (Und die Jobbik übertrifft die FPÖ an inhaltlicher Schärfe um Längen, es ist ja fast lächerlich, die FPÖ mit ihr zu vergleichen.)

Wie immer man zu dieser FPÖ stehen mag. Aber hier geht es um eine sehr tiefgreifende Stimmung des Volkes. Und der Mensch denkt aus Stimmungen. Wenn er denkt.





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