Jede begriffliche Einsicht hat mit der Sicherstellung der in der Erfahrung gegebenen Anschauung zu beginnen, schreibt Karl Ernst Ranke in seinen "Kategorien des Lebendigen", in denen er vor aller Synthese, Ausfluß eines langen und höchst erfolg- wie ertragreichen wissenschaftlichen Lebens als Mediziner (er hat Bahnbrechendes, bis heute Gültiges in Diagnose und Behandlung von Tuberkulose bewirkt) - den Begriffen nachgeht, mit denen der Mensch der Alltäglichkeit wie der der Wissenschaft heute umgeht. Und dabei jenen Satz bestätigt, der da meint, daß Philosophie überhaupt nur Klärung von Begriffen sei. Darin ist alles enthalten: in deren Rückführung auf das Gesehene, das Anschauliche. Denn nur darüber läßt sich überhaupt reden, darauf muß jede Abstraktion auch wieder rückführbar sein.
Umso drängender sieht Ranke die Notwendigkeit, gerade in Zeiten der Medien zu hinterfragen, wo welche Begriffe als "Wissen" im Umlauf sind, die im Grunde gar niemand begriffen hat - sodaß Menschen wie Medien, Laien wie aber auch und gerade Wissenschaftler (!), zum allermeisten von Dingen reden, ohne zu wissen, wovon sie überhaupt reden.
"Der alte scholastische Satz "latet dolus in generalibus", in den Allgemeinbegriffen lauert die Täuschung, ist überall da nur allzu berechtigt, wo man den Allgemeinbegriff unbesehen als gesichert und fertig hinnimmt, ohne den Anschauungsgehalt vorher geprüft zu haben, über den er sich erheben soll. Allgemeinbegriffe wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, oder auch Leben, Materie, Kraft, Ursache sind sehr vielfach angelerntes Gut ohne klare Anschauungsunterlage.
Viele besitzen die Worte und haben sie im täglichen Gebrauch, die die dazugehörigen Begriffe nicht nur aus eigener Kraft niemals hätten bilden können, sondern die sich auch niemals die Mühe gegeben haben, ihre Entstehung aus der Anschauung und ihre Bindung an diese wenigstens von anderen zu lernen. So stehen solche Begriffe jeglichem Mißbrauch offen.
Wo sich beschränkter Fanatismus ihrer bemächtigt, werden dann Allgemeinbegriffe die Veranlassung zu verheerenden geistigen Krankheiten, die bei der Wehrlosigkeit der führerlosen Massen gegen sie das Leben ganzer Völker bedrohen, ihnen schließlich sogar Zerstörung und Tod in einem Ausmaß bringen können, das die schlimmsten Seuchen weit hinter sich läßt.
Es mag scheinen, als ob die Gefahren der wissenschaftlichen Arbeit sich damit nicht vergleichen ließen. Aber die Allgemeinbegriffe, auch gerade die falsch gebildeten - die die Masse verblenden, entstammen ohne Ausnahme der wissenschaftlichen Arbeit der Vergangenheit. Klärung wie Verwirrung bringt der geistige Führer oder Verführer.
Das legt der wissenschaftlichen Arbeit eine Verantwortung auf, wie sie größer kaum gedacht werden kann, und wie sie nur selten voll bewußt übernommen wird. Die verhängnisvollen Folgen ihrer Mißgriffe treten im allgemeinen erst so spät auf, daß der irrende Forscher sich ein Leben lang in dem hochmütigen Glauben sonnen kann, er sei ein Führer zu geistiger Freiheit und zu materiellem Lebensglück gewesen, während er nur die Knechtschaft des Gegensatzes zum Alten heraufführte.
Auch wissenschaftliche Arbeit stellt die höchsten Anforderungen an den Charakter und wird ohne den Ausblick auf höchste Ziele und die Treue zu innen immer irre gehen. Wie leicht ist die leise und langsame lebendige Entwicklung der erkennenden Einsicht gestört. Sie bedarf der schonenden und vorsichtigen Hand eines verstehenden Gärtners. Der Zugriff des Einseitigen vergewaltigt sie und wirft sie für ganze Lebenszeiten zurück. Sie gedeiht nur in der Stille eines geduldigen, sich bescheidenden und hingebenden Herzens."
Worum geht es aber da? Um Widersprüchlichkeiten im eigenen Seelen- und Vernunftleben, um Wollensrichtungen, die die Vernunfttätigkeit - und die Sprache - vergewaltigen wollen und in einen Widerspruch zum sinnlich Erfaßten bringen. Ein solcher Mensch befindet sich im Dauerkrieg, der die Wahrheit zugunsten eines Bestehens des (vermeintlich) Gesollten opfert.
"Das Gleiche gilt von jeder praktischen Arbeit. Und immer ist die Vorbedingung die volle Hingebung an die Erfassung der Wirklichkeit, an der man wirken und schaffen soll, das Hinnehmen der Gegebenheiten mit offenen Sinnen ohne Zögern und Vergewaltigungen, aber auch nicht in einseitiger Vereinzelung, sondern in ihrer vollen letzten Ergänzung. Überall ist die innere Vorbedingung zur Gewinnung von Wahrheit im Erkennen oder wahrer Ordnung in der Lebensführung die Überwindung der Einseitigkeiten im eigenen Inneren."
Worum geht es aber da? Um Widersprüchlichkeiten im eigenen Seelen- und Vernunftleben, um Wollensrichtungen, die die Vernunfttätigkeit - und die Sprache - vergewaltigen wollen und in einen Widerspruch zum sinnlich Erfaßten bringen. Ein solcher Mensch befindet sich im Dauerkrieg, der die Wahrheit zugunsten eines Bestehens des (vermeintlich) Gesollten opfert.
"Das Gleiche gilt von jeder praktischen Arbeit. Und immer ist die Vorbedingung die volle Hingebung an die Erfassung der Wirklichkeit, an der man wirken und schaffen soll, das Hinnehmen der Gegebenheiten mit offenen Sinnen ohne Zögern und Vergewaltigungen, aber auch nicht in einseitiger Vereinzelung, sondern in ihrer vollen letzten Ergänzung. Überall ist die innere Vorbedingung zur Gewinnung von Wahrheit im Erkennen oder wahrer Ordnung in der Lebensführung die Überwindung der Einseitigkeiten im eigenen Inneren."
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