Während man sich also mit Gier und Wonne auf das Studium der Begabungen als pädagogischen Inhalt konzentriert hat, denn schließlich solle ja jeder nur tun und lassen, was ihm Spaß mache, und das solle er auch erfahren haben, weil das native Genie nur so seine Begabung so richtig zu erkennen vermöge, machen die Rückmeldungen aus den Universitäten ziemlich staunen. Denn da heißt es, daß sich Studiendauern und Abbrecherquoten in den letzten Jahren so gut wie gar nicht verändert haben. Dafür hat sich die Zahl jener Studenten bemerkenswert erhöht - vor allem in den Lehramtsfächern* - die etwas studieren, das sie eigentlich gar nicht interessiert. Und entweder abbrechen (denn: wechslen wohin?) oder lustlos fertigstudieren. Die Unsicherheit, das richtige Studium gewählt zu haben, hat aber insgesamt gesehen weit mehr zu- als abgenommen. Seltsam. Obwohl alle immer nur noch machen, wozu sie Spaß haben, was also nach heute gängiger Theorie Aussage treffen soll, wofür man begabt sei?
Oder wie erzählte vor kurzem dem VdZ ein Universitätsdozent für Philosophie über seine Studenten? Er verstehe bei den meisten überhaupt nicht mehr, warum die Philosophie studierten. Denn niemanden scheint mehr die Frage nach Wahrheit und Welterkenntnis zu bewegen. Sie sitzen in den Vorlesungen wie Schüler, schreiben mit und lernen das dann. Eigene Fragen, deretwegen sie das Fach studieren, deretwegen sie mit Theorien etwa unzufrieden sind, die er vortrage, scheinen sie gar nicht mehr zu haben.
Auffallend sowieso die immer deutlicher steigende Zahl der Studenten in geisteswissenschaftlichen Fächern. Worunter etwa so sinnige Studien wie Gender-Studies fallen, wo Studenten, die unzufrieden sind, darüber lernen, wer und was schuld daran ist. Mit dem logischen Phänomen, daß sie dann später keine Arbeitsstelle finden, die ihre Qualifikation so richtig zu schätzen weiß. Sieht man von den hurtigen Politikerhänden ab, die alles tun, um sinnlose Planstellen zu schaffen, um diese (wenigstens ideologisch einsilbige und nützliche) Leute von der Straße zu kriegen und mit "Studienaufträgen" zu versorgen. Hier werden also mit enormem Einsatz volkswirtschaftlichen Vermögens - sinnlose Qualifikationen (und Pseudobeschäftigungen) geschaffen, die die Gesellschaft gar nicht braucht?
Deshalb rät die FAZ, man solle doch besser Fächer wie Juristerei oder BWL (vulgo: Wirtschaft) studieren. Die seien vielfältiger und internationaler verwendbar. Ohne der Frage nachzugehen, wieweit ein BWL-Studium überhaupt etwas mit Wissenschaft zu tun hat, denn es ist ein (fast) reines Ausbildungsfach, das im Ergebnis (eine Erfahrung des VdZ aus der Praxis) die Fähigkeiten eines zumindest früher noch gut ausgebildeten HAK-Absolventen nur marginal übersteigt. (Weshalb vor den großen Akademisierungswellen Absolventen der Wirtschaftsuniversität auch "Diplomkaufmann" waren, was die Realität eben abbildet.) Wirklich übersteigen tun sie ihn aber heute freilich im Anspruch. Und der kennzeichnet natürlich alle Studienabsolventen: Anspruch. Denn schließlich sind sie ja nun Akademiker, Elite. Selbst nach einem Studium, das einen nie interessiert hat.
Entscheidend für den beruflichen Erfolg (und das erzielte Einkommen) seien aber ohnehin ganz andere Fähigkeiten. (Nein, welche Überraschung.) Denn da zeige sich, daß die Mentalität (sic!) den Beruf und den Erfolg mache. Nicht die formalen Bildungszertifikate.**
Daß Akademiker nach wie vor eine geringere Arbeitslosigkeit aufzuweisen hätten läge an simplen Verdrängungsumständen. Vor die Wahl gestellt, einen Museumswärter mit abgeschlossenem Kunstgeschichtestudium oder einen schlichten Mann aus dem Volke anzustellen, wähle das Museum natürlich den Akademiker. Immerhin kostet er ja nicht einmal mehr.
*Das ist besonders tragisch und erhellend. Denn gerade in Lehrfächern ist die Begeisterung (und Verständnistiefe) des Lehrers für das von ihm unterrichtete Fach das (fast allein) entscheidende Kriterium. Stattdessen wird immer stärker auf methodische Pädagogik (Stichwort: Kompetenz vor Inhalt) gesetzt, und Lehrer müssen willig sein, quasi alle Fächer zu unterrichten - nach dem Motto: Wir wissen zwar nicht, wo wir hinfahren, aber dafür sind wir schneller dort. Was sollen da für Lehrerfolge (man nimmt auf, womit man sich in der Person des Vortragenden identifizieren kann!) herauskommen?
**Vielleicht sollte man sich an Universitäten öfter einmal mit den Geschichten von Unternehmern auseinandersetzen. Denn darin ist auffällig, daß so gut wie immer die größten Geschichten nicht von "akademischen" Titelträgern stammen, sondern von wilden, unzähmbar unternehmenswilligen Personen, die sogar in vielen Fällen ein begonnenes Studium hingeschmissen haben, weil es ihnen zu langweilig und Lebenszeitverschwendung war. Die interessantesten Geschichten kommen eigentlich immer von den Außenseitern. Von denjenigen, die die üblichen Wege meist sogar als "Versager" verlassen haben. Der VdZ wagt den finalen Satz: Innovation, Dynamik wird niemals von den titel- und Zertifikatsjägern kommen. Apropos - in Österreich wollen, glaubt man Erhebungen, über 50 % der Studenten später eine Beamtenlaufbahn einschlagen. Nicht einmal 5 % wollen (und noch weniger werden) sich selbständig machen.
*100616*