Daß
das Kreditwesen in der Renaissance derartigen Aufschwung erfuhr lag
also darin begründet, daß die Menschen allgemein nicht mehr ein
gerechtes Leben suchten, das der Vorsehung Gottes entsprach, sondern (im
Mangle an Tugend) ein möglichst "angenehmes, und das möglichst gleich",
für das sie auch die Zukunft riskieren. Dazu spielten die neuen
rationalistischen Wissenschaften eine verhängnisvolle Rolle - denn sie
wurden gewissermaßen zu "magischen Beschwärungsformeln" über den
Weltenlauf. Das verführte zu einer falschen Sichtweise Haltung zur
Zukunft, mit der Welt als lenkbarem Ablauf, und das führte zu einer
völligen Neueinschätzung von "Risiken".
Und
damit sind wir mitten im Kapitalismus der Neuzeit. Wobei sich sein
Mythos als regelrechte ins Gegenteil verkehrte Lüge herausstellt. Denn
der Kapitalismus ist NICHT Lohn und Freiheit der Übernahme von Risiken,
sondern das genaue Gegenteil: Er ist der Versuch, das Risiko des
Weltenlaufes durch Gewalt und Macht zu LÄHMEN. Kapitalismus ist staatlich finanzierter, staatlich geschützter Wucher.
Wo die, die etwas besitzen, alles tun, um alle Risiken auszuschalten die bewirken könnten, daß sie etwas
verlieren. In Wahrheit ist es immer der KreditNEHMER, der (mit den
Zinsen) das gesamte Risiko eines Kredites übernimmt, das der KreditGEBER (durch die Zinsen) völlig ausschaltet.
Auch darin liegt einer der Gründe des Zinsverbotes durch die Kirche, das bis zur Renaissance verbindlich war: Der Kreditnehmer trägt das gesamte Risiko, egal, ob sein Unternehmen, für das er Geld brauchte, erfolgreich war oder nicht. Kredit ist damit ein unfaires, ungleiches, sündhaftes Geschäft. Das noch dazu fast prinzipiell entweder die Schwäche oder die Lasterhaftigkeit des Kreditbedürftigen ausnützt. Umgekehrt nützen andere ihre Stärke zur Übervorteilung des anderen aus.
Das ist eine Wiederkehr des antiken, brutalen Raubtierprinzips - es ist nicht christlich. Denn das antike Konzept, daß egal wie und egal was der Vertragsabschluß Ausdruck des Willens und DAMIT der Gerechtigkeit eines Vertrages und das Ende der Geschichte ist, ist objektiv FALSCH. Damit fällt aber einer der Grundpfeiler des liberalen Kapitalismus. Mit diesem Konzept des "Konsens = Gerechtigkeit" wird der Stärkere in jedem Fall bevorzugt, der Bedürftige hingegen ausgenützt. Damit wird der Grund jeder Wirtschaft - Bedarf und dessen Befriedigung - zu einer Geschichte der (dabei durchaus wechselseitiger) Gewalt.
Freiheit ist eine Frage des Zustands eines Menschen, nicht einfach einer formalen Willensäußerung. Und ein Preis ist nicht einfach das, was ich für ein Gut "maximal" an Erlös (oder für den Käufer: minimal als Kaufpreis) erzielen kann. Schon gar nicht gilt das für Löhne.
Gerade die Geschichte des heute so diskutierten Mißbrauchs zeigt beispielhaft, daß jemand auch zu einem objektiv ungerechten Zustand zustimmen kann, den er nur nicht erkennt. Es gibt etwas wie eine objektive Gerechtigkeit einer Situation, einer Beziehung, AUCH bei Verträgen (und der VdZ kann dies aus zahlloser Erfahrung sogar für simpelst erscheinende Kaufverträge bestätigen, etwas, das sträflichst kaum erkannt wird) die jeden Akt faktischer, verbaler Zustimmung übersteigt. DIESEN Zustand zu treffen muß also Inhalt und Bemühen eines Konsens sein.
*121016*