Ende des 15. Jhd. gab es in Italien - vor allem in der Lombardei und der Toskana - 500 jüdische Pfand- und Bankhäuser. Praktisch alle waren mit Geschäften "mit dem kleinen Mann" befaßt, und sie wurden zunehmend mit dem identifiziert, womit man eben Kredite verband: Wucher, Blutaussauger, Bedrücker. Aber stimmt das so einfach?
Eben nicht. Vielmehr hatten christliche Bankiers aufgrund des offiziellen Kirchenbanns, der mit Geldverleih auf Zinsen einherging, und aus dem gelöst zu werden Rückerstattung und damit Verlust von angehäuften Reichtümern bedeutet hätte, Juden gezielt vorgeschickt und benutzt. Sie selbst behielten sich nur zwei Bereiche vor: Kredite an den Staat und an die Kirche, und ... geheime Geschäfte mit den Juden, die gewissermaßen ihr schmutziges Handwerk erledigten. Denn das Geldleiherwesen war eines der wenigen Gewerbe, das Juden überhaupt ausüben konnten.
Zu allen anderen Gewerben fehlte ihnen die soziale Einbindung. Was verschiedenste Ursachen hat, auf keinen Fall einfach dem Volk angelastet werden kann. Es gibt dafür von den Juden her massive Gründe. Weil sie eben in Europa keine Wurzeln hatten und von sich aus in einer Art "Sonderschichte" lebten, mit enormer Gruppensolidarität, auch international. Für schnelle Geldgeschäfte braucht man keine Wurzeln, im Gegenteil, die sind oft sogar hinderlich, weil sie zwischenmenschliche Aspekte ins Spiel bringen.
Gegebenenfalls konnte man sich ihrer rasch wieder entledigen. Überall kam es auch zu diesen zyklischen Bewegungen aus Judenpogromen - und einem neuerlichen Zurückholen genau dieser Juden. Die Großen brauchten sie nämlich. Um die Folgen ihrer Politik und ihrer Gier zu vertuschen. Denn die einfachen Menschen in waren im späten 14., im 15. Jhd. bald überall verarmt, gar arbeitslos, so gut wie alle kämpften ums Überleben, am Land wie in der Stadt. Die Industrie war unter internationalem Konkurrenzdruck überall im Niedergang, den Profit versuchte man praktisch immer durch Lohnsenkungen und vor allem (!) Entwertung der Silberwährung - als indirekte Lohnsenkung - zu halten oder zu erhöhen.
"Münzschlechterung" nennt man das. Man senkte laufend den Silbergehalt, schrieb aber einen Nominalwert vor; teilweise enthielten italienische Silbermünzen im 15. Jhd. schon unter 2 % Silber. Denn die Löhne wurden in Silbermünzen bezahlt, und das Geld blieb im lokalen Kreislauf. Damit fielen auch die Erträge für die Landwirtschaft, denn die war auf die nahen Märkte, die nächsten Städte als Absatzmarkt angewiesen. Das hat zum einen mit den fehlenden Konservierungsmethoden zu tun, zum anderen wurden sie überall per Gesetz gebunden, mußten also bei Strafe für die nächsten Märkte arbeiten. Noch galt der Grundsatz, daß ein Markt höchstens eine Tagreise (hin und zurück) entfernt sein durfte.
Gold war nur für die großen und überregionalen Transaktionen vorgesehen, nur deshalb blieb ihr Metallgehalt stabil.
Die einfachen Menschen mit Krediten zu versorgen wurde deshalb zynischerweise sogar als "soziale Maßnahme" schöngeredet, wo sie mit dem Abendlohn den (um die Zinsen erhöhten) Kreditbetrag ablieferten, um sich am Morgen wieder mit neuem Kredit zu behelfen, vielleicht um ihre Steuern zu zahlen. Besonders Kurzfristkredite waren überaus häufig. Dafür wurde alles verpfändet, vom Gewand bis zu jenen Werkzeugen, mit denen die Kreditnehmer noch arbeiten mußten. Wenn aber ein Weber seinen Webstuhl verpfändete, um seine Familie durchzubringen, war es natürlich aus mit ihm.
Einzig das Kunstgewerbe, das höherwertige Gewerbe, das für die Großen arbeitete, konnte sich halten. Das einfache Volk lebte elend.
Juden gaben aber immer Kredit, vor allem kleine Kredite, eben gegen eingesetzten Pfand. Irgendetwas einzusetzen hatte fast jeder noch. Juden taten es sogar zu niedrigeren Zinssätzen als die großen (christlichen) Bankhäuser, denn diese Zinssätze, 15 oder 20 % ... wurden ihnen vorgeschrieben. Von den Großen, den christlichen Bankhäusern, die die Politik in der Hand hatten, und die sich an den großen Kreditfischen mit 60 bis 80 % Zinsen bereicherten. Für Cosimo Medici war es sogar eine Maßnahme, die ihm die Konkurrenz in Florenz vom Hals hielt. Etwa die Strozzi mußten die Stadt verlasen, denn nun gab es ja Juden. Ihnen wurden viel niedigere Zinssätze vorgeschrieben, und für ihre Geschäfte interessierte sich auch keiner. Sie wurden mit Konzessoinsgebühren und Pauschalsteuern belegt. Was die Steuerhinterziehung natürlich massiv begünstigte.
Aber Steuern in Kombination mit viel zu niedrigen Löhnen waren es, die das Leben der Menschen so bedrängten. Denn die Steuern waren notwendig, damit die Regierenden ihre Kredite bedienen konnten. Die schon deshalb benötigt wurden, damit sie die Kriege finanzieren konnten, die alle diese italienischen Städte ständig untereinander führten und die Familien wie die Medici kräftig schürten. Denn ihr Vermögen wuchs immer, wenn Kriege tobten. Oder Päpste neue Paläste bauten. Die waren es dann auch, die ihre Kreditgeber moralisch weißwuschen.
Denn die Medici waren natürlich gläubige Leute, und hatten durchaus ein schlechtes Gewissen. Aber sie wollten beides - Geld UND Himmel. Und das ging nicht, nicht im Katholischen, nicht einmal durch engste Beziehungen zu den Päpsten.
Also versuchte man es auf anderen Wegen - etwa mit einem ökumenischen Konzil. Das in Florenz 1438-45 stattfand. Und sogar tatsächlich kurzfristig zu einem scheinbaren Ende des großen Schismas der Kirche führte. Schon gar, weil Byzanz angesichts der Türkengefahr das Wasser bis zum Halse stand.
Es gibt nicht wenige Historiker, die deshalb den eigentlichen Initialpunkt der italienischen (europäischen) Renaissance, der ein Herüberholen der Antike über Byzanz war ), in ganz handfesten kapitalistischen Intentionen begründen. Denn in der (kapitalistischen) Haltung der in Byzanz lebendigen Antike zur Ökonomie, die speziell im mystizistischen, ja esoterischen Neoplatonismus - den man als DIE geistige Tendenz der gesamten Renaissance bezeichnen könnte - konnte die Rolle und Lehre der Katholischen Kirche ausgehebelt werden.
Gestützt auf ein Aufblühen der Universitäten - die Hälfte der europäischen Universitäten des 15. Jhds. waren in Italien -, die genau diese antiken Ansichten lehrten. Das Gemälde* der Hl. Drei Könige, in dem sich der Bankier Lorenzo "Der Prächtige" Medici von Bennozzo Gozzoli sogar als Nachfolger der byzantinischen Kaiser (Kontantinopel war 1452 gefallen) malen ließ, stammt aus 1469. Der Kapitalismus hatte sich durchgesetzt, er war nun sogar getauft und gottgefällig.
Denn die Medici waren natürlich gläubige Leute, und hatten durchaus ein schlechtes Gewissen. Aber sie wollten beides - Geld UND Himmel. Und das ging nicht, nicht im Katholischen, nicht einmal durch engste Beziehungen zu den Päpsten.
Also versuchte man es auf anderen Wegen - etwa mit einem ökumenischen Konzil. Das in Florenz 1438-45 stattfand. Und sogar tatsächlich kurzfristig zu einem scheinbaren Ende des großen Schismas der Kirche führte. Schon gar, weil Byzanz angesichts der Türkengefahr das Wasser bis zum Halse stand.
Bennozzo Gozzoli - Zug der Hl. Drei Könige - L. Medici als Erbe von Byzanz |
Gestützt auf ein Aufblühen der Universitäten - die Hälfte der europäischen Universitäten des 15. Jhds. waren in Italien -, die genau diese antiken Ansichten lehrten. Das Gemälde* der Hl. Drei Könige, in dem sich der Bankier Lorenzo "Der Prächtige" Medici von Bennozzo Gozzoli sogar als Nachfolger der byzantinischen Kaiser (Kontantinopel war 1452 gefallen) malen ließ, stammt aus 1469. Der Kapitalismus hatte sich durchgesetzt, er war nun sogar getauft und gottgefällig.
Damit identifizierten die einfachen Menschen aber notwendige politische Veränderungen vollständig mit der Beseitigung des Übels, das sie zu kennen glaubten, weil es einen alltäglich erlebten Namen hatte, mit den Juden. Die Hintergründe kannte ja keiner, und es gab weder eine Wirtschaftslehre noch eine kirchliche Lehre, die diese Zusammenhänge hätte erkennen können. Der Kurzschluß geht weiter - Geld war ja das Blut des Wirtschaftskreislaufes, so wurde es gesehen, so nannte man es. Juden, Blut ... überall kamen Ritualmordlegenden auf.
Doch all das konnte nicht verhindern, daß immer mehr Juden durch den Geldverleih wirklich reich wurden, mit Möglichkeiten alleine aufgrund ihrer Internationalität (Diaspora), die anderen verschlossen blieben. Und bald weltweit eine entscheidende Rolle im Aufbau des Kapitalismus spielten.
Doch all das konnte nicht verhindern, daß immer mehr Juden durch den Geldverleih wirklich reich wurden, mit Möglichkeiten alleine aufgrund ihrer Internationalität (Diaspora), die anderen verschlossen blieben. Und bald weltweit eine entscheidende Rolle im Aufbau des Kapitalismus spielten.
*Man kann oder muß sogar dieses Gemälde,. auf dem ja die drei König allesamt Medici sind, die den müden Papst im Schlepptau haben und anführen, als eines der Schlüsselgemälde der Renaissance sehen. Denn auf ihm ist die gesamte geistige Bewegung des 15. Jhd. dargestellt, in dem die Medici die Reiter waren, die jenen esoterischen, gnostizistischen Neuplatonismus salonfähig machten, der sich dann auch innerhalb der Kirche ausbreiten sollte. Es ist eine neue Religion, auf die sie hinführen, neu und alt zugleich: Heidentum, in seiner Magie und Hermetik. In ihm gibt es keine Religionen mehr, sondern alle bestehenden Religionen fließen in dieser neuen Religion zusammen. Was so nebenbei die Folge hatte, den Kapitalismus als hohe geistige Kunst der Magie zu etablieren. Denn wie die Alchemie zeigte: Es ist geheimes höheres Wissen, das schnöde Weltsubstanz (Blei) in Gold verwandelt, ja diesen Veredelungsvorgang durch Wissen zur höheren Sendung der Welt macht. Magie - Technik (Technizismus) - Kapitalismus, sie stehen in einer einzigen Linie.
*131016*