Teil 2) Sozialreformen müssen alles Soziale umfassen, nicht nur Brot
Savonarola, der bei den Florentinern in
hohem Ansehen stand, begann sofort, die alte Idee der in Norditalien so verbreiteten Bewegung
gegen den Finanzwucher als zentralen Ansatz einer Sozialreform umzusetzen, und schaffte es wirklich, in Florenz
das erste "monte di pieta" einzurichten: Ein Pfandleihhaus, das gerade
zu Gebühren bzw. Zinsen arbeitete, die zwar kostendeckend waren - das
hieß: einmalige 5 % bis 7 %, die Jahresbilanz sollte gerade positiv sein
- aber niemanden übervorteilten. Sie verliehen auch nur an wirklich
Bedürftige, die ihre Not lindern, Saatgut oder dringend benötige
Werkzeuge für ihre Arbeit kaufen mußten. Geld für Spekulationszwecke
wurde nicht verliehen. Woher aber das Kapital nehmen, das man dann
verleihen konnte?
Savonarola predigt den Florentinern |
Das
hatte Savonarola ein ganzes Heer von Feinden geschaffen, die sich mehr
und mehr zusammenschlossen. Denn der Dominkanerpater verdarb ihnen
einfach alles, entzog allen die Basis ihres Reichtums - die
Geldwirtschaft. Und entzog ihrer Lebensweise den Nährboden - die jungen
Bettgefährtinnen, vor allem aber die Lustknaben. Denn auch ein Verbot
der Homosexualität war erlassen worden, das nach vorherrschender
Lehrmeinung denselben ontologichen Wurzeln entstammte wie der
Finanzwucher: Als Unfruchtbarmachung an sich produktiv sein sollender
Kräfte. Beides war also sogar Gotteslästerung. Beides war zutiefst
verwerflich. Beides aber war tief in der Lebensweise der Florentiner
verankert. Die Syphilis war seuchenartig verbreitet.
Also
griff Savonarola zu einer eigentlich sehr klugen Strategie: Er stellte
die Gewohnheiten der Florentiner auf den Kopf, indem er sich nutzte,
aber zu anderen Zwecken einsetzte. Auch er organisierte 1496 erstmals
einen Karneval, den er noch eindrucksvoller inszenierte, als ihn die
Florentiner von den Medici her gewohnt waren. In erschütternder
Dramaturgie zogen nachts dieselben 5.000 Jugendlichen in ihren weißen
Gewändern durch die Straßen, und "baten" die Bewohner, alles was an
unsittlichen Bildern, Gütern, Liedertexten, Dingen die nur der Eitelkeit
dienten, alles was man irgendwie als unsittlich oder der Unsittlichkeit
dienstbar bezeichnen konnte herauszugeben. Das wurde auf der Piazza
della Signora zu einem großen Berg aufgeschichtet, und dann unter
beeindruckenden Gesängen verbrannt. So ernst war es allen damit, daß
sogar das Angebot Venezianischer jüdischer Bankiers abgelehnt wurde, die
ihnen die Dinge für viel Geld abkaufen wollten. Der Maler Botticcelli
warf selbst sogar seine früheren Aktzeichnungen, die er noch im Dienst
der Medici angefertigt hatte, ins Feuer.
Der
Dominkaner aber hatte auch begriffen, wie tief die Musik der letzten
Jahrzehnte die Unsittlichkeit in den Köpfen und Herzen verankert hielt.
Denn gerade in den frivolen, erotischen, offen anzüglichen und rein
lustbetonten Liedern wurden jene Haltungen dauerhaft, die sie als
Lebenshaltungen verfleischlicht hielten. Also dichtete er um, schuf
andere Lieder oder regte solche an. Die Begeisterung der Florentiner für
ihn und seine Reformen wuchsen, die sozialen Zustände besserten sich
auch zusehends. Florenz geriet regelrecht in einen Enthusiasmus einer
Reform, die von vielen (darunter Macchiavelli, an sich ein Atheist) als
"sinnenverneinend" bezeichnet wurde. Aber es war ein Versuch, ein ganzes
Gemeinwesen von der Wurzel her zu sanieren, und diese Wurzel war tief
im Laster verfault. Und sie war vor allem im Finanzwesen - im Wucher - gegründet, der die Lebensweise der Menschen so tiefgreifend verändert.
Morgen Teil 3) Der Kampf gegen Savonarola - apokalyptische Schlacht der Finanzwirtschaft
*271016*