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Dienstag, 20. Dezember 2016

Sozialreform als Kampf gegen den Wucher (2)

Teil 2) Sozialreformen müssen alles Soziale umfassen, nicht nur Brot




Savonarola, der bei den Florentinern in hohem Ansehen stand, begann sofort, die alte Idee der in Norditalien so verbreiteten Bewegung gegen den Finanzwucher als zentralen Ansatz einer Sozialreform umzusetzen, und schaffte es wirklich, in Florenz das erste "monte di pieta" einzurichten: Ein Pfandleihhaus, das gerade zu Gebühren bzw. Zinsen arbeitete, die zwar kostendeckend waren - das hieß: einmalige 5 % bis 7 %, die Jahresbilanz sollte gerade positiv sein - aber niemanden übervorteilten. Sie verliehen auch nur an wirklich Bedürftige, die ihre Not lindern, Saatgut oder dringend benötige Werkzeuge für ihre Arbeit kaufen mußten. Geld für Spekulationszwecke wurde nicht verliehen. Woher aber das Kapital nehmen, das man dann verleihen konnte? 

Savonarola predigt den Florentinern
Erstmals setzte der Dominikaner dieselbe Jugend ein, die zuvor noch so verderbt war. Er kleidete sie in weiße Gewänder, und ließ sie (an die 5.000) durch die Straßen ziehen, wo sie bei den Bürgern um Geld "baten". Tatsächlich kamen die ersten 1500 Florin (Goldstücke) zusammen, ein Anfang war gesetzt. Sofort war Erleichterung der für viele so bedrückenden Lage zu bemerken. Aber bald stellte sich heraus, warum diese Häuser nirgendwo auf Dauer funktionierten - das Geld, das man verleihen konnte, ging aus. Denn die Anleger (und auch die noch verbliebenen Bankhäuser von Florentinischen Familien) bevorzugten die ... jüdischen Häuser, die ihnen Zinsen jenseits der 20 % boten. Also mußten diese verboten werden. Das setzte Savonarola im Stadtparlament auch noch durch, aber es kam nie zur Umsetzung. Denn in Wirklichkeit brauchte auch die Stadt Geld, und das borgten ihr ... dieselben jüdischen Häuser, gegen die Zusage, weiter ihren Geschäften nachgehen zu können.

Das hatte Savonarola ein ganzes Heer von Feinden geschaffen, die sich mehr und mehr zusammenschlossen. Denn der Dominkanerpater verdarb ihnen einfach alles, entzog allen die Basis ihres Reichtums - die Geldwirtschaft. Und entzog ihrer Lebensweise den Nährboden - die jungen Bettgefährtinnen, vor allem aber die Lustknaben. Denn auch ein Verbot der Homosexualität war erlassen worden, das nach vorherrschender Lehrmeinung denselben ontologichen Wurzeln entstammte wie der Finanzwucher: Als Unfruchtbarmachung an sich produktiv sein sollender Kräfte. Beides war also sogar Gotteslästerung. Beides war zutiefst verwerflich. Beides aber war tief in der Lebensweise der Florentiner verankert. Die Syphilis war seuchenartig verbreitet.

Also griff Savonarola zu einer eigentlich sehr klugen Strategie: Er stellte die Gewohnheiten der Florentiner auf den Kopf, indem er sich nutzte, aber zu anderen Zwecken einsetzte. Auch er organisierte 1496 erstmals einen Karneval, den er noch eindrucksvoller  inszenierte, als ihn die Florentiner von den Medici her gewohnt waren. In erschütternder Dramaturgie zogen nachts dieselben 5.000 Jugendlichen in ihren weißen Gewändern durch die Straßen, und "baten" die Bewohner, alles was an unsittlichen Bildern, Gütern, Liedertexten, Dingen die nur der Eitelkeit dienten, alles was man irgendwie als unsittlich oder der Unsittlichkeit dienstbar bezeichnen konnte herauszugeben. Das wurde auf der Piazza della Signora zu einem großen Berg aufgeschichtet, und dann unter beeindruckenden Gesängen verbrannt. So ernst war es allen damit, daß sogar das Angebot Venezianischer jüdischer Bankiers abgelehnt wurde, die ihnen die Dinge für viel Geld abkaufen wollten. Der Maler Botticcelli warf selbst sogar seine früheren Aktzeichnungen, die er noch im Dienst der Medici angefertigt hatte, ins Feuer.

Der Dominkaner aber hatte auch begriffen, wie tief die Musik der letzten Jahrzehnte die Unsittlichkeit in den Köpfen und Herzen verankert hielt. Denn gerade in den frivolen, erotischen, offen anzüglichen und rein lustbetonten Liedern wurden jene Haltungen dauerhaft, die sie als Lebenshaltungen verfleischlicht hielten. Also dichtete er um, schuf andere Lieder oder regte solche an. Die Begeisterung der Florentiner für ihn und seine Reformen wuchsen, die sozialen Zustände besserten sich auch zusehends. Florenz geriet regelrecht in einen Enthusiasmus einer Reform, die von vielen (darunter Macchiavelli, an sich ein Atheist) als "sinnenverneinend" bezeichnet wurde. Aber es war ein Versuch, ein ganzes Gemeinwesen von der Wurzel her zu sanieren, und diese Wurzel war tief im Laster verfault. Und sie war vor allem im Finanzwesen - im Wucher - gegründet, der die Lebensweise der Menschen so tiefgreifend verändert.


Morgen Teil 3) Der Kampf gegen Savonarola - apokalyptische Schlacht der Finanzwirtschaft




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