Teil 4) Das Ende - ein Passion,
deren Folgen das ganze Abendland furchtbar betreffen
Erst trieb man ihn in einer Gasse aus
Menschen zum Gefängnis. Immer wieder schlug man ihn, um dann zu fragen:
"Na, sagt uns doch, wer hat dich geschlagen, du bist doch ein Prophet?"
Nachdem man ihn ins Gefängnis gebracht hatte, erstellte der Stadtrat das
Tribunal für seinen Prozeß. Als oberster Richter wurde der bereits
genannte Doffo Spini eingesetzt. Wie es damals üblich war, wurde dem
Prozeß aber die Folter vorangestellt. Savonarola brach unter der Tortur
zusammen und "gestand" (wie es unter Folter üblich ist) alles - auch,
daß er ein falscher Prophet sei. Das war sein Todesurteil.
Zuvor
aber sollte er noch offiziell aller kirchlichen Würden entkleidet
werden. Papst Alexander sandte für diesen Akt den in ganz Italien als
"Romolino" bekannten Bischof von Lerida nach Florenz, um Richter, Jury
und Exekutor zugleich zu sein. Aus Dankbarkeit sandten die Reichen der
Stadt diesem eine als Page verkleidete Hure in sein Schlafgemach, von
der der Bischof so begeistert war, daß er sie im Anschluß nach Lerida
mitnahm.
Romolino
verkündete nun formell die Kirchenstrafe. In der er den Dominikaner
"aus der streitenden und triumphierenden Kirche verstieß", woraufhin der
gebrochene Mönch erwiderte: "Von der streitenden Kirche magst du mich
ausschließen, aber nicht von der trimuphierenden!"
Um
ihre Milde und Güte zu beweisen, verkündeten nun die Richter, daß sie
Savonarola und zwei seiner engsten Mitarbeiter, die allesamt der Häresie
und der Kirchenspaltung für schuldig befunden wurden, daß sie erhängt
würden, ehe ihre Leiber auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden würden.
Als man den Galgen für Savonarola errichtet hatte, hatte dieser eine so
seltsame Form, daß die Leute raunte, daß er wie ein Kreuz aussehe -
Gerüchte verbreiteten sich, daß er gekreuzigt werden solle. Als das den
Stadtvätern zu Ohren kam, schickten sie einen Tischler zum Richtplatz,
der mit einer Säge diese seltsame Kreuzform durch Kappen des senkrechten
Balkens beseitigte.
Es
war soweit. Man legte allen dreien die Schlinge um den Hals, und ließ
sie fallen. Aber die Seile waren so schlecht, naß und steif, daß sich
die Schlingen nicht zuzogen. Damit brach nicht, wie beim Hängen
intendiert, jeweils das Genick, sondern alle drei wurden mehr oder
weniger langsam erdrosselt. Frater Silvestro, der Assistent von
Savonarola, stieß dabei lange Zeit immer wieder das Wort "Jesus!" aus,
ehe er doch verstarb. Im Vergleich dazu starb Savonarola rasch. Als man
die Leichname zum Scheiterhaufen trug, warfen viele Zuschauer
Pulversäckchen auf den Holzstoß, in der Hoffnung, daß er rascher und
heißer abbrennen und der Dominikaner schneller zu Asche verschwinden
würde. Das führte dazu, daß es bei Entzündung zu einem wahren Feuerwerk
kam.
Schließlich
wurde die Asche der drei von der Brücke in den Arno gestreut. Niemand
sollte sich eine Reliquie sichern können. Viele Florentiner waren so
entsetzt über dieses Vorgehen, daß sie offiziell vom Glauben abfielen.
Andere aber verehrten Savonarola sofort als Heiligen und Märtyrer. Vier
Tage nach seinem Tod, am 26. Mai 1498, knieten zwar erst nur vier Frauen
an jener Stelle, wo er verbrannt worden war. Vier Jahrhunderte später
wurde in Florenz an seinem Todestag aber bereits ein Pontifikalamt zum
Gedenken zelebriert.
Noch
ehe Savonarola hingerichtet worden war, hatte der überwiegende Teil
seiner früheren Anhänger ein Schreiben an den Papst unterzeichnet, in
dem sie sich von den Dominkaner heftigst distanzierten und sich als
betrogene Opfer seiner Verführungskünste bezeichneten. Aus Dankbarkeit
gewährte Papst Alexander VI. der Stadt Florenz, Kirchengüter drei Jahre
lang zu besteuern. Um Gerüchten zu begegnen, die aufkamen, daß
Savonarola der wiedergekommene Jesus Christus gewesen sei. Diese
verstärkten sich, als bekannt wurde, daß der Papst zugestimmt hatte, von
jedem Mönch und Priester drei Decimen (Silberstücke, "Zehner", mit dem
Nominalwert von "10") zu besteuern, denn die Zahl dreißig wurde mit der
Passion Christi - dreißig Silberstücke als Lohn für Judas' Verrat - in
Verbindung gebracht.
Den
jüdischen Pfandleihhäusern wurden wieder alle früheren Rechte
eingeräumt. Die öffentliche Moral in Florenz - völlig irritiert - brach
erneut zusammen. Homosexualität wurde wieder eifrig praktiziert. "Nun können wir endlich wieder," meinte unmittelbar nach der Hinrichtung einer der Ratsherren der Stadt.
Schwerste
Auswirkungen auf die Moral hatte aber ein anderer Umstand: Denn im
Rathaus der Stadt wurde Savonarolas Folter-"Geständnis" laut und
öffentlich verlesen, um diesen endgültig zu desavouieren. Daraufhin
fielen tatsächlich viele Florentiner tief enttäuscht vom Glauben ab.
Denn darin hatte ausgerechnet der, den sie für einen Propheten gehalten
hatten, zugegeben, daß er KEIN Prophet sei und daß er das, was er
gepredigt und verkündet hatte, NICHT von Gott empfangen hätte. So viele
hatten dabei aber vom Mönch eine Erneuerung der Kirche und ein neues,
himmlisches Jerusalem und Bekehrung der Ungläubigen erwartet. Nun
"stellte sich heraus", daß alles eine Lüge Savonarolas gewesen war.
Damit
hatten die Oligarchen von Florenz erreicht, daß auch alle
sozialreformerischen Ansätze Savonarolas diskreditiert und vom Tisch
waren. Sofort begannen sie, das alte System des Zinswuchers und
niedriger Löhne, mit dem sie reich geworden waren, wieder aufzurichten.
Die Prostituierung junger Männer florierte wieder, und niemand in
Florenz kümmerte sich noch um Anstand und Sitte. Womit freilich niemand
gerechnet hatte - Geld kann sich nicht vermehren. Eine jahrzehntelange
schwere Rezession setzte ein, denn es wurde kaum noch etwas produziert.
Geld arbeitet eben doch nicht.
Schluß
Sadro Botticelli berichtet, daß ihn etwa 18 Monate nach Savonarolas Tod Doffo Spini besucht hätte. Jender homosexuelle Bankier, der in dem Drama eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Botticelli frage ihn zum Tod des Mönches. Spini antwortete darauf: "Wir haben keine einzige Sünde bei ihm gefundne, keine Todsünde, keine läßliche Sünde, nichts." "
Aber warum habt ihr ihn dann verurteilt," wollte der Maler nun wissen?
"Der Mob hätte uns in einen Sack gesteckt und in Stücke gerissen, wenn wir das nicht getan hätten. Im Volk war so ein Haß auf Savonarola, daß wir ihn und seine Gefährten verurteilen mußten, um unsere eigene Haut zu retten."
*271016*