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Donnerstag, 22. Dezember 2016

Sozialreform als Kampf gegen den Wucher (4)

Teil 4) Das Ende - ein Passion, 
deren Folgen das ganze Abendland furchtbar betreffen





Erst trieb man ihn in einer Gasse aus Menschen zum Gefängnis. Immer wieder schlug man ihn, um dann zu fragen: "Na, sagt uns doch, wer hat dich geschlagen, du bist doch ein Prophet?" Nachdem man ihn ins Gefängnis gebracht hatte, erstellte der Stadtrat das Tribunal für seinen Prozeß. Als oberster Richter wurde der bereits genannte Doffo Spini eingesetzt. Wie es damals üblich war, wurde dem Prozeß aber die Folter vorangestellt. Savonarola brach unter der Tortur zusammen und "gestand" (wie es unter Folter üblich ist) alles - auch, daß er ein falscher Prophet sei. Das war sein Todesurteil.

Zuvor aber sollte er noch offiziell aller kirchlichen Würden entkleidet werden. Papst Alexander sandte für diesen Akt den in ganz Italien als "Romolino" bekannten Bischof von Lerida nach Florenz, um Richter, Jury und Exekutor zugleich zu sein. Aus Dankbarkeit sandten die Reichen der Stadt diesem eine als Page verkleidete Hure in sein Schlafgemach, von der der Bischof so begeistert war, daß er sie im Anschluß nach Lerida mitnahm.

Romolino verkündete nun formell die Kirchenstrafe. In der er den Dominikaner "aus der streitenden und triumphierenden Kirche verstieß", woraufhin der gebrochene Mönch erwiderte: "Von der streitenden Kirche magst du mich ausschließen, aber nicht von der trimuphierenden!" 

Um ihre Milde und Güte zu beweisen, verkündeten nun die Richter, daß sie Savonarola und zwei seiner engsten Mitarbeiter, die allesamt der Häresie und der Kirchenspaltung für schuldig befunden wurden, daß sie erhängt würden, ehe ihre Leiber auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden würden. Als man den Galgen für Savonarola errichtet hatte, hatte dieser eine so seltsame Form, daß die Leute raunte, daß er wie ein Kreuz aussehe - Gerüchte verbreiteten sich, daß er gekreuzigt werden solle. Als das den Stadtvätern zu Ohren kam, schickten sie einen Tischler zum Richtplatz, der mit einer Säge diese seltsame Kreuzform durch Kappen des senkrechten Balkens beseitigte. 

Es war soweit. Man legte allen dreien die Schlinge um den Hals, und ließ sie fallen. Aber die Seile waren so schlecht, naß und steif, daß sich die Schlingen nicht zuzogen. Damit brach nicht, wie beim Hängen intendiert, jeweils das Genick, sondern alle drei wurden mehr oder weniger langsam erdrosselt. Frater Silvestro, der Assistent von Savonarola, stieß dabei lange Zeit immer wieder das Wort "Jesus!" aus, ehe er doch verstarb. Im Vergleich dazu starb Savonarola rasch. Als man die Leichname zum Scheiterhaufen trug, warfen viele Zuschauer Pulversäckchen auf den Holzstoß, in der Hoffnung, daß er rascher und heißer abbrennen und der Dominikaner schneller zu Asche verschwinden würde. Das führte dazu, daß es bei Entzündung zu einem wahren Feuerwerk kam. 

Schließlich wurde die Asche der drei von der Brücke in den Arno gestreut. Niemand sollte sich eine Reliquie sichern können. Viele Florentiner waren so entsetzt über dieses Vorgehen, daß sie offiziell vom Glauben abfielen. Andere aber verehrten Savonarola sofort als Heiligen und Märtyrer. Vier Tage nach seinem Tod, am 26. Mai 1498, knieten zwar erst nur vier Frauen an jener Stelle, wo er verbrannt worden war. Vier Jahrhunderte später wurde in Florenz an seinem Todestag aber bereits ein Pontifikalamt zum Gedenken zelebriert. 

Noch ehe Savonarola hingerichtet worden war, hatte der überwiegende Teil seiner früheren Anhänger ein Schreiben an den Papst unterzeichnet, in dem sie sich von den Dominkaner heftigst distanzierten und sich als betrogene Opfer seiner Verführungskünste bezeichneten. Aus Dankbarkeit gewährte Papst Alexander VI. der Stadt Florenz, Kirchengüter drei Jahre lang zu besteuern. Um Gerüchten zu begegnen, die aufkamen, daß Savonarola der wiedergekommene Jesus Christus gewesen sei. Diese verstärkten sich, als bekannt wurde, daß der Papst zugestimmt hatte, von jedem Mönch und Priester drei Decimen (Silberstücke, "Zehner", mit dem Nominalwert von "10") zu besteuern, denn die Zahl dreißig wurde mit der Passion Christi - dreißig Silberstücke als Lohn für Judas' Verrat - in Verbindung gebracht. 

Den jüdischen Pfandleihhäusern wurden wieder alle früheren Rechte eingeräumt. Die öffentliche Moral in Florenz - völlig irritiert - brach erneut zusammen. Homosexualität wurde wieder eifrig praktiziert. "Nun können wir endlich wieder," meinte unmittelbar nach der Hinrichtung einer der Ratsherren der Stadt.

Schwerste Auswirkungen auf die Moral hatte aber ein anderer Umstand: Denn im Rathaus der Stadt wurde Savonarolas Folter-"Geständnis" laut und öffentlich verlesen, um diesen endgültig zu desavouieren. Daraufhin fielen tatsächlich viele Florentiner tief enttäuscht vom Glauben ab. Denn darin hatte ausgerechnet der, den sie für einen Propheten gehalten hatten, zugegeben, daß er KEIN Prophet sei und daß er das, was er gepredigt und verkündet hatte, NICHT von Gott empfangen hätte. So viele hatten dabei aber vom Mönch eine Erneuerung der Kirche und ein neues, himmlisches Jerusalem und Bekehrung der Ungläubigen erwartet. Nun "stellte sich heraus", daß alles eine Lüge Savonarolas gewesen war. 

Damit hatten die Oligarchen von Florenz erreicht, daß auch alle sozialreformerischen Ansätze Savonarolas diskreditiert und vom Tisch waren. Sofort begannen sie, das alte System des Zinswuchers und niedriger Löhne, mit dem sie reich geworden waren, wieder aufzurichten. Die Prostituierung junger Männer florierte wieder, und niemand in Florenz kümmerte sich noch um Anstand und Sitte. Womit freilich niemand gerechnet hatte - Geld kann sich nicht vermehren. Eine jahrzehntelange schwere Rezession setzte ein, denn es wurde kaum noch etwas produziert. Geld arbeitet eben doch nicht.

Die Langzeitfolgen waren aber weit gravierender, tiefgreifender. Die Kirche hatte sich aus dem weiteren Verlauf des Kapitalismus verabschiedet. Hatte selbst bekundet, daß sie sich in die Lebensweise der Menschen nicht einmischen wollte, daß ihr Wirtschaften nichts mit ihr zu tun hatte. Das zeigte sich in ganz Europa, und dann vor allem in der Reformation, die den ethikfreien Turbokapitalismus der Finanzwelt endgültig auslöste. Sie hatte die Welt sich selbst überlassen, und diese wollte von ihr nichts mehr zu sozialen und wirtschaftlichen Fragen - die zuerst Fragen der Moral, der Ethik sind! - hören. Ein Zustand, der bis heute andauert.


Schluß

Sadro Botticelli berichtet, daß ihn etwa 18 Monate nach Savonarolas Tod Doffo Spini besucht hätte. Jender homosexuelle Bankier, der in dem Drama eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Botticelli frage ihn zum Tod des Mönches. Spini antwortete darauf: "Wir haben keine einzige Sünde bei ihm gefundne, keine Todsünde, keine läßliche Sünde, nichts." " 
Aber warum habt ihr ihn dann verurteilt," wollte der Maler nun wissen? 
"Der Mob hätte uns in einen Sack gesteckt und in Stücke gerissen, wenn wir das nicht getan hätten. Im Volk war so ein Haß auf Savonarola, daß wir ihn und seine Gefährten verurteilen mußten, um unsere eigene Haut zu retten."





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