Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Sozialreform als Kampf gegen den Wucher (3)

 Teil 3) Der Kampf gegen Savonarola 
- apokalyptische Schlacht der Finanzwirtschaft




Der Kapitalismus (als Finanzwucher) hatte, schreibt E. Michael Jones, wie überall und immer sonst auch seine sittenverderbende Wirkung gezeigt. Und die war die völlige Zerstörung alles dessen, was ein Sozialwesen ausmacht, zwischenmenschliche Solidarität genauso wie vor allem: die Freiheit! Unter dem Siegel der "erotischen Befreiung" hatte auch in Florenz die Oligarchie die Unfreiheit der Menschen betrieben, die nun ihren Trieben ausgeliefert, von diesen gesteuert waren. Und über die Triebe wiederum läßt sich eine Bevölkerung beliebig lenken. 

Wer die Triebbefriedigung beherrscht, beherrscht die Menschen, die von diesen Trieben getrieben werden. Florenz war ein Sklavenstaat, von wenigen Sklavenhaltern beherrscht - und niemand von den Sklaven merkte es. Und dies alles im Gewande einer neu erweckten Antike, in der dieselben Grundsätze - einschließlich der Sklaverei und der Kapitalakkumulation, vor allem aber der Dienstbarmachung des Staates und seiner Gewalten durch das Geld - geherrscht hatten. Savonarola hatte die wirklichen Zusammenhänge ausgezeichnet erkannt, die Faszination, die er bis heute bewahrt hat, hat ihre sehr realen Gründe.

Ferrara - Statue des Savonarola
Er hörte dabei nicht auf, gegen den Borgia-Papst Alexander VI. zu predigen. Der mit ungeheurer Brutalität und Verlogenheit und Gier regierte, dem es nur um Geld und persönliche Vorteile ging, und vor allem um ein zügelloses Leben. Mit drei Frauen hatte er acht Kinder, und noch als 60jähriger hielt er sich eine jugendliche Geliebte. Kaum ein Vergehen, dessen man ihn nicht - und mit Recht - bezichtigte. Ihm stand nur dieser Dominkaner in Florenz entgegen, der sich nicht und nicht beruhigte und gegen ihn wetterte. Das Konzil von Basel hatte ja gezeigt, wozu solche Bewegungen führen konnten, die Gefahr daß ein neuerliches Konzil der Empörung einberufen wurde, das sich neuerlich über den Papst stellte, dräute, er mußte also um alles fürchten. Ein über Savonarola verhängtes Predigtverbot fruchtete wenig. Der Dominkaner, der den Papst als illetigim bezeichnete, weil er sich das Amt erschlichen und erkauft hatte, ignorierte es weitgehend, und die Menschen hielten zu ihm. Die Autorität des Papstes war für viele sowieso fraglich und nun noch mehr in Gefahr. Also widerrief er sie rasch wieder. Winkte stattdessen mit dem Kardinalshut, um ihn vielleicht so in die Intrigenkammern Roms hineinziehen und korrumpieren zu können - "Umoveatur ut amoveatur", der alte Grundsatz des "Befördern um damit zu entfernen", konnte sich nicht entfalten.

Aber Savonarola lehnte auch dieses Angebot ab. Also verbündeten sich Papst, Bankiers, Juden und die Reichen von Florenz, die um ihren Lebensstil fürchteten. Und sie warfen eine Medienmaschinerie an, wie man es heute bezeichnen würde, die den Dominikaner immer schwerer verleumdete, und ihn als Sektenführer bezeichneten. (Johannes Paul II. hat 1998 seine Seligsprechung eingeleitet.) Schließlich griff Alexander VI. zu schwersten Geschützen: Der Mönch war ein Sektenführer, kein Prophet sondern ein Verführer der Massen - ein "Populist", wie man es heute sagen würde -, also waren alle Befürworter Sektenmitglieder. Aufbauend auf einer Verleumdungskampagne, verhängte er 1497 über ganz Florenz das Interdikt, den Kirchenbann, und forderte die Inhaftierung des Dominikaners. Längst hatte auch Karl VIII. unter den diplomatischen Notwendigkeiten in einem politisch verworrenen Italien seine Unterstützung für Florenz aufgegeben, plötzlich stand auch er gegen Florenz.

Apokalyptische Stimmung machte sich in der Stadt am Arno breit. Das Eingreifen des französischen Königs war jederzeit zu befürchten, und es war fraglich, ob er diesmal die Stadt wieder so großmütig behandelte. Gegenprediger traten auf. Die Angst vor der Pest war ohnehin allgegenwärtig. Plötzlich gab es sogar Mißernten aufgrund des Wetters, Hunger war die Folge. Im Frühjahr 1497 starben schon Kindder auf den Straßen und in den Krankenhäusern. Savonarola wehrte sich lange und heftig, und die Bevölkerung hielt lange noch zu ihm. Aber alles steigerte sich in einen immer hysterischeren Rausch "göttlicher Sendung - gegen die Welt des Antichristen". Ein permanenter Zustand der Aufgeputschtheit, dem bald Erschöpfung folgte, denn die Menschen waren mehr und mehr überfordert, körperlich wegen des Hungers, und immer mehr psychisch.

Im Mai 1497 sahen die Gegner Savonarolas ihre Stunde gekommen. Inder Nacht vom 3. zum 4. Mai 1497 brachen junge Männer, die sich den sittlichen Forderungen des Mönches nie hatten fügen wollen, in die Kirche Santa Maria del Fiore ein, in der Savonarola am nächsten Tag predigen sollte, beschmierten die Kanzel mit Eselskot und schlugen in die Balustrade Nägel. Umgekehrt. Ihr Anführer war der homosexuelle Bankierssohn Doffo Spini, und der hatte sich immer schon am heftigsten gegen die Reformen gewehrt, die er als "puritanische Tyrannei" bezeichnete. Am 11. Juni führten sie sogar ein Pferderennen ab, erstmals in offenem Widerstand gegen die seit einigen Jahren geltenden Verbote. Dabei verbreiteten sie Sprüche wie "Laßt uns doch ein wenig Lebensfreude unter die Menschen bringen, oder sollen wir alle Mönche werden?" 

Allmählich drehte sich die Stimmung im Volk, der Hintergrund wurde immer apokalyptischer. Am 18. Juni wurde von einem weitern seiner Gegner, Fra Leonardo, ein Schreiben verlesen, das der Papst erlassen hatte und die Exkommunikation Savonarolas verkündete. Am 19. Juni starb der Lieblingssohn des Papstes. Dieser überlegte unter dem Eidnruck des Schmerzes sogar kurz, die Kirche tatsächlich zu reformieren und sein Leben zu ändern, aber er entschied sich dann doch anders, setzte seinen Kampf gegen Savonarola fort. Am 3. Juli brach in Florenz neuerlich die Pest aus, und hatte am 16. Juli bereits 30 Häuser erfaßt. Zur selben Zeit tauchten erstmals Gerüchte auf, Savonarola wäre selber homosexuell und würde es mit seinen Dominikanerbrüdern treiben. Während sich die Pest weiter ausbreitete, war einige Tage darauf eine Sonnenfinsternis zu beobachten. 

Eine Massenflucht aus der Stadt aufs Land setzte ein, die Menschen wollten den nächsten apokalyptischen Reitern entkommen, von denen es hieß, sie stünden bereits vor den Toren der Stadt. Man kratzte Geld zusammen, um Soldaten anzuheuern, denn der zweite Reiter, Krieg, drohte - Venedig würde, hieß es, in Pisa einfallen, sodaß für Florenz der Verlust des lebensnotwendigen Hafens drohte. Da traf die Botschaft ein, daß der Papst die Exkommunikation Savonarolas auf ganz Florenz ausgeweitet hatte, was hieß, daß niemand mehr mit der Stadt Handel betreiben konnte. Besonders die Wohlhabenden schrien immer lauter, denn ihre erste Lebensgrundlage war nun ernsthaft bedroht. 

Ende 1497 wies Savonarola die päpstliche Anordnugn zurück. Am 24. Februar 1498 nahm er seine Predigten in Santa Maria del Fiore sogar wieder auf um endgültig zu zeigen, daß er sich um die Exkommunikation nicht scherte. Die Stadtleitung sandte eine Abordnugn zu ihm, er möge doch wenigstens ein paar Tage lang damit aufhören, denn die finanziellen Konsequenzen durch das zu befürchtende Handelsembargo waren enorm. Aber der Mönch wies das zurück, er habe Gott mehr zu gehorchen. Zwischenzeitlich traf die Nachricht ein, daß der Papst sämtliche Vermögen und Warenlager florentinischer Kaufleute in Rom beschlagnahmen lassen wolle. 

Am 25. März 1498 entlud sich die enorme Spannung, die sich aufgebaut hatte. Ein Franzuiskanerpater forderte Savonarola auf, sich einer Feuerprobe zu stellen um zu beweisen, daß er tatsächlich Gottes Wort verkündete und kein betrügerischer Prophet war. Am 6. April kündigte der vermjutlich sélbst bereits nervlich schwer belastete Dominkaner tatsächlich, daß er einige seiner Mitbrüder durch ein Feuer gehen lassen werde, ohne daß diesen ein Leid geschehe. Plötzlich meldeten sich tausende seiner Anhänger, daß sie für ihn durch dieses Feuer gehen wollten. Daraufhin errichteten Tischler einen 30 Meter langen Holzparkours, der angezündet und bewältigt werden sollte. 

Der Tag der Feuerprobe kam. Während noch über die Bedingungen diskutiert wurde, unter denen die Anhänger Savonarolas durch das Feuer gehen sollten, zogen plötzlich Wolken auf, und als hätte Gott sich direkt eingemischt, machte ein wolkenbruchartiger Regen jede Feuerprobe unmöglich. Am nächsten Tag, dem Palmsonntag 1498, rottete sich ein Mob zusammen, suchte Savonarola auf und nahm ihn gefangen. Ab nun sind die Parallelen zur Passion Christi so auffällig, daß man sie nicht verschweigen kann.


Morgen Teil 4) Das Ende - ein Passion, 
deren Folgen das ganze Abendland furchtbar betreffen





*271016*