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Sonntag, 24. April 2022

Bei der Lektüre von Johannes de la Crux (5)

Sie haben es uns gelehrt, sie haben uns die Arbeitsteiliung beigebracht, und darin eingeschlossen das, was sich dann (bis hin) zu Handwerkstechniken, zu Pflanzenkulturen, zu Viehzuchtwissen, zur Verarbeitungskunde (Wein!) und damit Wissenschaft vom Leben selbst ausgebildet hat. In unseren Landschaften noch ganz direkt vor Augen und nachzuvollziehen, waren es also die Klöster, die ZUERST die wilden Landschaften unserer Länder urbar gemacht weil zu Kulturlandschaften umzugestalten begonnen haben. In deren Gefolge dann die einfachen Bauern standen, die sich den Plänen der Mönche nach und allmählich zu jenem Blumenstrauß des Bürgerlichen ausgefächert haben, wie wir Ältere ihn in der Erinnerung noch erlebt haben.

(Denn nach uns folgte bereits jenes Ineinanderfließen von allem zu jedem. Sodaß diese sintemalene Vielfalt - groteskerweise gerade in einer Zeit, wo VIELFALT an die Fahnen geheftet wird! - zu einer amorphen, ununterscheidbaren Masse wird, der es als Zerfallsprodukt in immer einfachere Ebenen des Geschöpflichen - wie ein Rückstieg vom Samstag aud den Freitag auf den Donnerstag auf den ... usw. - an spezifischen Eigenschaften natürlich bereits fehlt:

Kein Atom ist ein etwas "aus sich", sondern nur DURCH ÜBER-, es selbst EINBEGREIFENDES ANDERES, also durch den Ort, an dem es steht. Was erst wir dann RAUM nennen können. Der es dann ist, der es in Beziehung gestellt sieht. Und die ist es dann, die ihm die Distinktheit eines "etwas sein" gibt. 

Was aber nichts ist, kann auch nicht vollendet werden. Denn ALS WAS sollte es das sein und werden? Kann sich ein Nich-Individuelles, das also gar nicht isset!, ein Dynamisches sohin, denn mit Gott vereinen? Der Gott Abrahams und Isaaks ist doch kein Gott von Toten!) 

Aber sie waren somit auch jene, die es MÖGLICH gemacht haben, daß ein (kleiner) Teil der Menschen sich in seinen Befrufungen so spezialisiert hat, daß er auch zu einem Leben der Beschaulichkeit schreiten konnte. Das kann und darf aber auch nur ein sehr kleiner Anteil an der Bevölkerung. Im Spanien des 16. Jhd. begann diese Zahl (bis ins 17. Jhd.) auf fast 20 Prozent zu steigen. Und das war auch damals bereits Symptom einer völlig zerrütteten Gesellschaft und Kultur, die ihren Höhepunkt überschritten hatte. Somit den völligen Niedergang des einstigen Weltreiches, wie er im 19. Jhd. dann auch stattfand, als tödlichen Keim im Atem enthielt. Begonnen weil der Weg des Aufstiegs zur Einigung mit Gott von seinem Wesensgrunde entfernt wurde, und das ist ... die Heiligkeit.

Der Weg der Beschaulichkeit, den Johannes vom Kreuz lehrt (soweit er eben zu lehren weil zu lernen ist; seinen eigentlichen Antrieb freilich kann nur der Einzelne selbst ausbilden) ist also nur einer sehr kleinen Gruppe von Menschen vorbehalten, und er ist  nur im übergreifenden sinn der Erfüllung des Sinns des menschlichen Lebens überhaupt zu sehen, udn das ist der Weg der Heiligkeit. 

Und diese beide Sätze sollten wir nicht vergessen, wenn wir uns entschließen, diesen Weg weiter voranzuschreiten, oder ihn zumindest hinsichtlich Fruichtbarkeiten für unser Leben zu untersuchen. Wäre es möglich könnte man somit sogar sagen, daß der Aufstieg zum Berge Karmel geschehen kann (wäre es möglich!), obwohl der Aspirant vielleicht gerade durch diese Gier nach Seligkeit sein Seelenheil selbst verspielt. Geiwß, er könnte so weit kommen, sie zu riechen, zu schmecken, zu fühlen. Aber nicht nur weiß niemand mehr um die Freuden des Wassers als der Verdurstende, sondern er genießt sie wie den Duft, der über unübersteigbare Mauern herüberweht. 

Darin gleicht er sogar dem, der erstmals tatsächlich vom Glase der Erbauung nippt. Der Anfänger, sozusagen, ist deshalb am meisten in Gefahr. Denn er ahnt diesen Geschmack, er hat diesen Geruch, diese Pracht der Farben. Aber er hält dann inne, begnügt sich, und lernt ihn gar nicht mehr als "hunderprozentigen Schnaps" kennen, mit dem außerdem umzugehen gelernt sein will, will man nicht daran erblinden. Weil die Nerven der Sinne - am Ziele, sozusagen, was uns die Lehre vermittelt: Alles muß "auf-zu" gespannt sein, sonst endet sein irdisches Leben! - kathartisch erstarren. 

Stattdessen sitzt er jeden Abend zufrieden in der Taverne, und genießt das Gläslein, dessen Inhalt von Tag zu Tag schaler wird, als kleine, lieblich duftende Mostschorle. 

Vielleicht. Von deren erstem Schluck natürlich manch anderer sogar etwas beschwipst wird. Wir kennen das gerade vom Umbruch von der Fasten- zur Alltagszeit, wo auch manch Gläslein Wein den Sonntag begleitet haben wird. Aber der Schwips aus diesem ersten Schluck wird dann allzu leicht schon für die Fülle selbst gehalten. Niemand spricht berauschter vom Himmel als der gerade anfanghaft Bekehrte! Dabei erhielt er doch nur einen ersten, netten Gruß, sozusagen.  

Der eigentliche Weg des Aufstiegs zum Berge Karmel aber ist ein - ja, ich möchte es so bezeichnen: EXTREM - radikaler Weg, wie er nur wenigen vorbehalten ist. Nicht, weil er FÜR ALLE das wäre, was wir als elitär (etc.) bezeichnen könnten. Nein. Er ist gar nicht für alle vorgesehen, sondern für einen speziellen Teil ein sehr spezieller Weg der Einigung mit Gott.

Wir sagen das aber auch deshalb, weil gerade die bereits erwähnte Esoterik auch noch für einen anderen Fehler die Ursache ist. Eine Ursache, die Johannes vom Kreuz eben seinem Buch voranstellt, weil er sie zu beseitigen, zu klären versucht. Und die ist die des "alles haben wollen", ist die des Unentschlossenen, der es mal hier, mal dort, mal auf diese, dann auf jene Weise versucht, und dann auch noch alles gleichzeitig. 

Wer aber vieles zu retten versucht, der wird alles verlieren, heißt es. Wer also den Weg des Karmeliten Johannes vom Kreuz nachzugehen trachtet, der trachte auch danach, daß er sich definitiv dazu entschlossen hat. Sonst wird alles nur eine literarische Episode bleiben, dessen höchster Genuß vierlleicht (!) ein kleines Herüberwehen aus Gärten bleibern wird ud muß, die ihm aber immer verschlossen bleiben werden. Ja die auch nur anzustreben, ohne sich auf solch einen Enschluß zu gründen, mit fast sicherer Tödlichkeit endet: In Scheingärten des Teufels, an denen wahrlich kein Mangel herrscht.

Denn es ist nicht ur ein Irrtum, es ist eine seelenverderbersiche Sünde zu meinen, die Mystik wäre ein Weg des Alltäglichen, wäre eine Frucht die jedem zu pflücken bereit stünde, als gewissermaßen normales Lebensschicksal. 

Niemandem wird Gott mehr widerstehen. Und niemanden der Teufel so leicht in die Tasche stecken, sodaß der die Aufgabe sogar den untersten Abteilungen der Dämonen überlassen kann. Sie verlangen keine besondere Aufmerksamkeit. Denn es mangelt ihnen an den elementarsten, einfachsten Wegen der Selbsterkenntnis und -prüfung weil der Liebe zur Wahrheit. 

Die nämlich bereits eine Offenheit verlangt, die das allererste Vorgärtlein zu dem ist, was Johannes vom Kreuz dann in seinem "Aufstieg zum Berge Karmel" vorangeschritten ist. Weil sie grundsätzlich ist. Und damit auch dem esoterishen Streben, diesem Versuch sich die Früchte des Geistes auf dem Wege der Täuschung, des Raubes und des Diebstahls anzueignen, dem Prinzipe nach diametral entgegensteht. Die aber aus naheliegenden Gründen eben genau das von sich behaupten wollen: Elitär zu sein.

Aber es ist Gott, der sich seine Eliten wählt, und er ist es, der sie zu sich zieht. Wer nicht einmal diese Auserwählung abwarten möchte, wird an Orten landen, an die er sich niemals hingewünscht hätte, hätte er wach genug sein wollen. Denn die Einung mit Gott läßt sich nicht herbeiphantasieren. Nichts ist stattdessen realistischer, denn nur der Realismus ist die Atmosphäre, in der Reinheit - und nichts Unreines kann vor Gott kommen - gedeihen kann. Wo also diese Reinheit nicht gewollt ist, ist auch der Entschluß bereits gefallen: Nicht vor Gott treten zu wollen. Sondern jenen Wunsch zu hegen, der am Anfang allen Übels stand. Eritis sicut Deus - Sein wollen wie Gott. 
Doch ist es eine tragische, nicht selten mit Bösem durchmischte Haltung zu meinen, daß der "Aufstieg zum Berge Karmel" einer Hobbyleistung im Rahmen eines normal geführten Alltagslebens möglich wäre. Dieses Herunterbrechen der höchsten Spitze des menschlich Möglichen auf einen Konsumismus ist eine der schwersten möglichen Sünden. Weil es das Höchste Sein ins Niederste zerren möchte.
(Fortsetzung folgt)