Ein Journalist meinte unlängst - war's in einem Radioessay, war's in einer Fernsehabschrift, ich hab's vergessen, mir scheint abgesehen davon, daß ich das zuletzt öfter gehört habe, und warum das gar recht wahrscheinlich sein sollte, erschließt sich späterhin, handelt es sich hier doch um eine Befindlichkeitsstörung einer ganzen Zunft* - der Journalismus habe es. wie der Ukrainekonflikt nun zeige, erstmals mit einer Sphäre eines kollektiven Journalismus zu tun, hinter der eigentliche Berufsberichterstatter nicht mehr hinterherkomme, weil die zahllosen Hobbyvideofilmer und -berichterstatter dank der unzähligen Aufnahme- und Sendegeräte ihm gegenüber in unaufholbarem Vorteil seien. Und die Zuhörer nickten, denn jeder hat doch so ein SmartPhone, seinen Youtube-Anschluß, sein WhatsApp-, Telegram- oder Twitter-Account.
Die Finesse dieser Feststellung wird erst beim zweiten Blick erkennbar. Denn dann zeigt sich das Elend des Journalismus, der VON BILDERN ausgeht, von DETAILS, von EINZELEINDRÜCKEN, um von dort aus dann das Ganze zu bewerten. Da ist ein totes Kind - also muß der Verursacher ein Kinderschlächter sein. Da ist eine klagende Menschengruppe - also muß der Verursacher dieser Klagen ein Verbrecher sein. Da ist eine zugerichtete Soldatenleiche - also muß der Verursacher dieses Todes ein Böser sein.
Gleichzeitig nimmt große Bereiche des Debattenraumes eine Berichterstattung über die Berichterstattung ein, in der dann endlos darüber disputiert wird, welche Bilder "wahr" seien und welche nicht, und warum. Welche was und welche jenes darstellen, und nicht jenes und dieses. Welche Bilder gar nicht aus diesem Krieg, sondern aus einem ganz anderen stammen, denn teilweise wurde (v. a. zu Anfang der Berichterstattung) mit Bildern aus ganz anderen Kriegen hantiert, um den Konflikt in der Ukraine zu illustrieren. Und der Sieger im Diskurs ist dann jener der beweisen kann, daß sein Bericht tatsächlich das darstellt, was er behauptet.
Aber ist damit jemandem geholfen? Führt so eine Berichterstattung überhaupt zu etwas, außer zu - und auch das kann man zweifellos feststellen - einer ungeheuren Verwirrung. Sodaß ich sogar der Meinung bin, sie ist nicht nur vollkommen nutzlos, sondern sogar äußerst schädlich. Denn auch in der Berichterstattung kann es nur eine feste Rollenzuteilung geben - in Berichter, und in Adressaten. Beide Seiten haben dabei ihre festen Aufgaben und Verpflichtungen. Und beide Seiten ihre Art der Gewissenserforschung, der sie in der Urteilsfindung (soferne sie überhaupt verpflichtet sind, sich ein Urteil zu bilden! und das ist keineswegs bei allem notwendig, was "auf der Welt geschieht", schon das ist ja ein völlig eigenes Thema: Nicht alles, was vorkommt, GESCHIEHT IN DER WELT. Niht alles, was sich ereignet, IST GESCHICHTE.
Dabei versgt vor allem die professionelle Berichterstattung. Sie wirft nämlich ihr Grundprinzip über Bord, durch das Faktische hindurch das Wirkliche zu suchen. Aber Bilder und schon gar Photographien können überhaupt niemals WAHR sein, schon überhaupt nicht, bezieht man sie auf ein aktuelles Geschehen, von diesem selbst berichten, um über Details eine Erzählung zu formieren.
Wahr können nur die Interpretatioen sein, die Erzählungen, die Geschichten, und sie können nur wahr sien, wenn sie einen Wahrheitskern enthalten, der völlig unabhängig vom aktuellen Geshehen wahr oder unwahr ist. Der Adressat, der Leser, der Hörer kann damit nur eine Grundwahrheit der Welt vor Augen gestellt bekommen.
Bilder - sofern sie das vermögen, und das ist bei einer Photographie beinahe unmöglich, wenn man über ein aktuelles Geschehen per "Schnappschuß" berichten will - können dann als Kunstwerke gleichermaßen solche Erzählungen enthalten, oder als Photographien Belege FÜR eine (geistige) Aussage bekommen. Aber Bilder lassen an sich keine Aussage über Wahrheit oder Unwahrheit zu, die IN IHNEN SELBST liegen soll, und über ein aktuelles Geschehen berichtet, das ohne Text auskäme. (Auch wenn es seltene Ausnahmen geben mag, die Wahrheit dieser Aussage bleibt.)
Auch im Journalismus ist also zu beobachten, was die Kunst bereits so marginalisiert hat: Zuschauer- und Darbietungsraum gehen ineinander über, und biede wollen gleichermaßen Akteure wie Konsumenten sein.
Weil es hier aber um die Frage von Kopf zu Leib, also eine Hierarchie geht, folgt dasselbe wie überall, wenn das Obere sich selbst auflöst: ALLES WIRD ZU PUBLIKUM.
Denn nur noch darum geht es ja seit der sogenannten Aufklärung und Egalisierung: Zu Publikum zu werden.
Wenn sich er Journalismus derzeit also so besonders darauf stürzt, DURCH Bilder irgendetwas beweisen zu wollen, das er als Aussage transportieren will, so muß man ihm die Maske vom Geicht reißen und sagen: Er lügt. Und er will noch dazu täuschen, indem er so tut. als könne er das nun. Damit will sich der Berichterstatter aber nur von seiner Verantwortung loskaufen, die seine Aussage (expressis verbis) als Ergebnis eines unausweichlichen Tatsachendrucks erscheinen lassen soll, und nicht als Frucht persönlichen Bemühens um Objektivität und Wahrheit, die die Distanzierheit der Sachlichkeit verlangt. Die wiederum eine Frucht der Sittlichkeit ist.
Und genau so wurde auch die Berichterstattung gerade in diesem aktuellen Ukrainekonflikt: Sie ist unsittlich.
Nicht nur das, will sie nun sogar diese Unsittlichkeit zum Gebot der Stunde erheben.
Mit einem klaren Verlierer. Denn anders, als ständig behauptet wird, ist keineswegs Zelinsky und die Ukraine der Sieger in diesem "Wettstreit der Public Relations", als die die Berichterstattung mittlerweile schon pauschal gesehen wird. Sondern Zelinksy ist der Verlierer, weil die Bilder auf dessen Seite sind. Er wird mit ihnen identifiziert, und das zurecht. Somit hebt er sich und damit das ganze Land Ukraine in dieses Licht - in das Licht der Unsittlichkeit.
Sodaß die Tatsache, daß wir mit so seltsam wenigen Bilern der russischen Seite versorgt werden (und das war auch volle Absicht, denn unsere Regierungen haben gezielt den Eindruck erwecken wollen, jede Form der Berichterstattung aus russischer Sicht wäre mit hohen Strafen belegt) zurückschlagen wird.
Weil wir das, was wir nunmehr "kennen", schon in kurzer Zeit angewidert ablehnen werden. Schon jetzt interessiert es ja kaum noch jemanden, und das aus besgtem Grund, es wird als widerlich empfunden.
Während aber das Fehlende - das Sittliche - idealisiert und mit der anderen Seite in Verbindung gesetzt werden wird. Denn der Mensch braucht unbedingt das Vernünftige, das Wahre, anders kann er sich nicht in der Welt halten, also existieren. Aber Unsittliches kann niemals vernünftig sein.
Das halte ich für dermaßen eindeutig, daß ich mich schon frage, ob nicht DARIN der Sinn dieser ganzen Geschichte lag.
*Bei der mir auffällt, daß sich niemand auch nur noch etwas zu denken - also wie dann gar shcämen! - scheint, von sich selbst mit gar stolzgeschwellter Brust davon zu sprechen, daß man SUBJEKTIV sei, daß man HALTUNG habe, daß man also auch Haltungsjournalist sei. Angetrieben von ganz gewiß profitgierigen Herausgebern und Medienbesitzern, die sich davon goldene Hörner versprechen. Sei es im Stieraquarium, sei es in der Logenbruderschaft des Bayreuther Hupfdohlenensembles.
Erstellung 03. April 2022 - Ein Beitrag zur