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Mittwoch, 20. April 2022

Bei der Lektüre von Johannes de la Crux (4)

Noch einmal aber müssen wir hinter uns greifen, noch einmal die Basis jedes Weiterschreitens auf dem Wege der Beschaulichkeit (wir betonen hier das Wort, weil es das Kriterium selbst ist; wer es genau bedächte, hätte eine weitere Durchdringung gar nicht mehr nötig, er hätte den Gegenstand bereits durchdrungen) klären weil befestigend vor Augen stellen. 

Denn so viel Mißverstehen ist aus einem kulturellen Grundhabitus erwachsen, der alles technisch machbar sieht, was doch nur mit Zeit und Grundsatzentscheiungen ganz anderer Art erreichbar wäre. Im Speziellen soll hier das aufgegriffen werde, was wir als "esoterischen Griff" bezeichnen wollen. Den die Esoterik ist immer aus der Tatsache entstanden, daß der eigentliche Blick "hinter den Vorhang" eine so hohe Frucht ist, daß sie letztlich mit dem Gang zur Heiligkeit unlösbar vernüpft ist - diese Heiligkeit aber so hohe Opfer erfordert, die der Esoteriker nicht zu gehen bereit ist. 

Also versucht der den Weg "abzukürzen". Esoterik und Schuld, Esoterik und Kapitalismus haben also ganz enge Verbindungen und stammen aus derselben Wurzel, der im allerbesten Fall dann eine "gutmenschenethik" aufgesetzt wird, in der also auch das Gute durch "Taten" abzukürzen, durch Etikettenhandel vorzutäuschen gesucht wird. Denn weil das Handeln dem Sein folgt, etwas nur so handeln kann "wie es isset", so kann auch die gute Tat nur dem guten Menschen entstammen. 

Dieses Sein als Guter Mensch" (man achte darauf, wie Jesus reagiert, als man ihn, den Gottmenschen, als "gut" bezeichnet: NUR EINER IST GUT, Gott der Vater. Nicht einmal ER, der Sohn! Weil sogar dessen Gutheit nur die abgeleitete, vom Vater stammende Gutheit selbst ist.

Den Weg der mystischen Beschauung zu gehen, wie er von Johannes vom Kreuz (in enger Kongenialität mit Theresia von Avila gereift und ausgearbeitet, buchstäblich ausgearbeitet) setzt aber eine Lebensweise voraus, die diese "Mystik" zu einer Sonderfrucht macht, die dem "normalen Bürger" gar nicht möglich ist. Ich spreche hier von MÖGLICH. Weil sie - und Johannes vom Kreuz schreibt es gleich zu Beginn seiner Anleitung "Aufstieg zum Berge Karmel", wobei es der Titel ja schon aussagt - von einem Leben IM KLOSTER abhängt.

Sie braucht einen Ausstieg aus dem normalen Lebenskreis der Nützlichkeiten und Verantwortlichkeiten, weil sie einen Tod verlangt, der dem Menschen in sozialen Kreisen nicht erlaubt ist. Der seinen Tag mit der Hingabe an den Nächsten, an die soziale Aufgabe, an die Arbeitspflicht als Tätigkeitsweise seiner Seele (und somit als seinen genuinen Weg der Heiligkeit, wie er den allermeisten Menschen auch zugedacht ist) zu füllen hat,sonst würde er nicht nur das eine, sonden auch das andere verspielen: Also weder die wirkliche Aneinigung mit Gott verfehlen, sondern sogar sein Seelenheil.

Der "Aufstieg zum Berge Karmel" als radikalster Weg zur Einheit mit Gott, als Weg der Beschaulichkeit, ist also ein ähnlich "exclusiver" Weg, wie der dem Künstler und Einsiedler vorbehalten bleiben muß. Nicht einmal das ist eine Lösung, wie sie im auslaufenden Mittelalter zu finden ist. 

Und schon von den Kaisern des 11., 12. Jhds. in Italien beklagt wurde, die die aufkommenden (antikapitalistischen, sprich gegen die Praxis der verzinsten Schuld gerichteten) Bettelbewegungen als immense Kulturgefahr erkannten. Worin ihnen nicht zu widersprechen ist. Für sich gesehen wäre der Weg des Hl. Franziskus als Allgemeiner Weg eine Häresie, und aus all den damaligen Büßerbewegungen heraus hat es ja auch nur Franziskus geschafft, den Weg zur Ketzerei zu vermeiden. Der so schmal ist, daß er seinen Nachfolgern beileibe nicht immer geglückt ist. 

Zumalen gilt das für das Spanien des 16. Jhds., also dem Spanien des Heiligen Johannes de la Croce und seiner Mitstreiterin, der Heiligen Theresia von Avila. Sie waren beide (!) Karmeliten, das wird meist übersehen. Und als solche berufen wie gewillt zu einem Leben in engen Klostermauern, fern jeder weltlichen Aufgabe, fern jeder weltlichen Funktion  außer der ZU BETEN. Sie sind deshalb nur bei einem gesunden verständnis des Corpus Christi, der Kirche zu begreifen und richtig zu interpretieren. Wo die Lunge eine streng begrenzte aufgabe hat, die von der Niere nicht zu ersetzen ist, und doch sind beide für einen lebendigen Gesamtorganismus unbedingt notwendig. Aber jeder auf seine Weise. 

Und so erfüllt auch der Karmelit GERADE in der Zeit des immer strengeren, strafferen, umfänglicheren zivilen Lebenslaufs eine Aufgabe, die eine Ausgliederung darstellt. Die die Karmeliten, diese Beter (und sonst nichts) zu Dienern am Gemeinwohl macht. Weil sie erfüllen und für alle fruchtbar machen, was diesen anderen aufgrund ihrer engen Lebensforderungen nicht (mehr) möglich ist. 

Insofern sind sie im Rahnem der "Arbeitsteilung" zu begreifen, die auch einen kulturellen Fortschritt (im Sinne einer Lebenssteigerung des Ganzen Organismus, also eines kulturellen, "völkisch" aufzufassenden Organismus, von dem jeder Einzelne ein Teil ist) auszeichnet, und den gleichermaßen der umfassendste aller geistlichen Orden, nicht zufällig der erste, der als solcher aufzufassen ist und an der Wiege aller übrigen stand, der Benediktiner, erstmals als Urbild der Gesellschaft selbst vorgelebt hat. Weshalb wir völig zu Recht davon sprechen, daß es die Benediktiner waren, die uns "Normalbürger" das kulturelle Leben ÜBERHAUPT verdanken. 

(Fortsetzung folgt)