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Mittwoch, 13. April 2022

Man nannte sie "Rus" (3)

Das war den Wikingern eines der schlimmsten Schicksale, wenn auch nicht ganz selten. Kaum eine Ausgrabung, in der die Skelette keine (oft genug tödliche) Kampfeswunden haben. Denn auf ihren Reisen durch die Weiten der Steppen, die im Prinzip vom Baltikum aus über Ungarn, Kaukasus und den Pamir umgrenzt waren, also wirklich ein mit 5.000 Kilometern Durchmesser ein riesiges Becken, sozusagen, in dem sich alle möglichen Völker herumtrieben. Eines davon waren auch die Slawen, die bei den Wikingern besonders beliebt waren, weil sie recht dankbare Sklaven lieferten. Die waren wenig aufsässig, und höchst kooperativ.

Denn das mußten sie sein, wenn man sie mitführte, um sie dann vielleicht am Sonntagsmarkt auf Gotland zum Verkauf anzubieten. Viele Stromschnellen des Don oder Dnjepr galt es da zu überwinden, fünf mal mußte umgeladen und Kilometer lang das gegen die eigenen Felle eingetauschte Handelsgut samt der Streifzugsbeute getragen werden, Boot inklusive. Ging alles aber gut, so war die Reise von Byzanz nach Estland, wo es endlich wieder ins Meer ging, in dreißig, vierzig Tagen zu bewältigen.

Also ist es auch mehr als verständlich, daß die Wikinger auf diesen Strecken Posten anlegten. Wo es Transporthilfen gab, sichere Nachtunterkünfte, Proviant, oder gleich Handelsware, wie in Kiew, wo sich so viele Handelsstraßen kreuzten, und welche Stadt überhaupt als Handelskontor der Wikinger gegründet worden ist. Gorod - das hieß befestigte Stadt, und stammt auch diesem Gemengelage, das skandinavische und slawische Wortstämme oft bilden.

Ibn Khurradadhbih (dieses ibn ... hören Sie nicht, werter Leser, das "-sen" oder "son" der Skandinavier, das "-vic" der Slawen, das "-en", das "-us" (/alles dann noch mit den weiblichen, töchterlichen Endungen, sozusagen) und so weiter und so weiter ... aller übrigen (indogermanischen, aber auch aller übrigen) Völker der Erde? Die Menschen sind eben immer gleich: Familie, Haus, Mann, Sohn ... Identität läuft über den Vater, seit Adam ist das so, und es ist Wesensbestandteil des Menschen. Wer das leugnet, hat entweder einen Dachschaden, oder eine "starke" Mutter, und damit am Ende beides.

Dieser Ibn Khurradadhbih also beschrieb die Vikinger. Und er tat es auf eine köstliche Art, der man so richtig das Gruseln abnimmt, das den Verfasser erfüllt haben muß, als er ihnen begegnet ist. Die Mär war allgemein zwar gleich - Vikinger werden überall als extrem schmutzig und grauslig dargestellt - aber man muß es dann doch einmal sehen, riechen, schmecken, und das alles immer untelegt mit einer gehörigen Portion Furcht, denn zu spaßen war nicht mit diesen rauhen, brutalen Gesellen. Die gestunken haben müssen, daß es jedem Wiesel noch den Magen umdrehte, die so schmutzig und unzivilisiert waren, daß ihnen ihr Ruf bis in den letzten Winkel vorauseilte.

Sie wuschen sich praktisch nie, nicht einmal (und das hat der Araber extra vermerkt) nach dem Geschlechtsverkehr, dem sie sich schamlos und wo immer es ihnen einfiel hingaben. Scham war ihnen überhaupt unbekannt. Es kam schon vor, schreibt Ibn Khurradadhbih, daß eine Wikingerfrau in einer abendlichen Versammlung (und wann fanden sich die Wikinger abends NICHT zum Saufen und Fressen und vor allem: zum SPIELEN, zum Würfelspiel vor allem, ein?) ihren Rock aufschürzte und sich vor den gaffenden Männern ihre Muschi untersuchte, um ein paar lästige Läuse zu zerdrücken, und sich dann ausgiebig zu kratzen. Wobei man das wohl in Zusammenhang mit ihrer Lebensweise auf den Schiffen sehen muß. Wo zwanzig, dreißig oder mehr Menschen auf engstem Raum über Wochen und Monate gemeinsam lebten. Was soll sich da an Form erhalten, selbst wenn es "als Kinderstube" dagewesen wäre? 

Übrigens ist in dem Zusammenhang interessant, daß das Leben auf dem Meer, auf den Flüssen, auf den Fahrten, in Küstenregionen generell wie eine Lebensentscheidung gesehen worden sein muß. Die Skandinavier im Binnenland waren anders, und fürchteten sich selbst vor ihren ehemaligen Landsleuten, die zu einer andern Art von Vikingern geworden waren.

Köstlich aber, wie der ganz andere Zivilisationsstandards gewöhnte Araber die Morgenprozedur beschreibt: Es begann mit dem Chef, der war der erste, der eine Schüssel mit Wasser (das irgendwo geholt worden war, egal wie dreckig die Wasserquelle auch gewesen sein mochte) vor sich hielt. Und dann seine Mund spülte, das Wasser durch die Nase zog, sich schneuzte und hustete und spuckte, sich die Ohren putzte, die Zähne - das alles in die Schüssel mit Wasser vor ihm. 

Die er nun an den im Rang Nächsthöheren weitergab, der diese Prozedur leidenschaftlich wiederholte. So ging das dann bis zum letzten hinunter, und immer mir demselben Wasser in derselben Schüssel. Der Film "Der 13te Krieger" wird, eingebettet in eine recht plausible Szene des Zusammenpralls der beiden so unterschiedlichen Kulturen der Araber und Vikinger, enthält so eine Szene. Es dreht nicht nur dem von Antonio Banderas verkörperten Araber den Magen um, auch dem Zuschauer, garantiert. Zumindest in diesem Punkt haben sich unsere Sitten über die seither verstrichenen 800 bis 1.200 Jahre leicht gebessert.

Wasser wollten die Vikinger nur unterm Kiel. Sie wuschen sich nicht einmal nach dem (häufig vollzogenen) Geschlechtsverkehr (was der Araber ganz besonders abstoßend fand, zumal die Frau ja "unrein" sein konnte), ja sie wuschen nicht einmal nach der Notdurft ihre Hände, liest man. Und das will etwas heißen, denn Klopapier gab es nicht. Womit also reinigte sich der gestandene Wikinger nach seinem Geschäft? Richtig. 

Was an sich ja keineswegs ungewöhnlich ist, daran soll's also nicht liegen. Noch heute ist es östlich und südlich vom Schwarzmeer Sitte, von Damaskus bis zum Indus. Weshalb man sich dort ja nicht die (rechte) Hand gibt, es wäre ein Zeichen der Verachtung. Aber immerhin reinigt man sich dort überall mit Wasser, die Vorrichtung dazu findet sich auf jeder Provinztoilette, wie man selbst in Nordzypern sehen kann.

Was bei uns bemerkenswerterweise erst seit wenigen Jahrzehnten durch das sogenannte "Bidet" Sitte wurde. Und mit den "Feuchttüchern", wie sie Zewa anbietet, so halbwegs nachgeahmt wird. Auch das aber eine noch recht junge Angelegenheit. Mit der Wasserkultur hat es aber sowieso ein Problem bei den West- und Zentraleuropäern. Was immer wir von den Römern übernommen haben - deren Badekultur und Hygienefimmel war es nicht. Leider. Noch heute fristet eine in irgendeine Ecke gepfriemelte Dusche ein verschämtes Nutzen- und Technik-Schattendasein in der Existenz des durchschnittlichen Bewohners unserer Breiten. 

Morgen Teil 4)


Erstellung 06. April 2022 - Ein Beitrag zur