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Montag, 11. April 2022

Man nannte sie "Rus" (1)

So wirklich viel wissen wir nach wie vor nicht von den Wikingern. Aber was wir wissen ist doch recht zuverlässigen Quellen entnommen. Da sind einmal die vielen archäologischen Spuren, die sich von England bis Baghdad durchziehen, und dann sind da einige Berichte. Einer aus Byzanz, wo der Kaiser seinen Bruder im Westen, der damalige Ludwig der Fromme, Sohn Kaiser Karls, ganz offensichtlich in diplomatischer "Schönwetter-Mission" ganz herzlich grüßen läßt, ihm viele Geschenke schickt, und so nebenbei eine Gruppe von blonden Hünen übergibt.
 
Die entstammen einem Volk "von weit weg", schreibt er, mit dem die Byzantiner seit geraumer Zeit Handel treiben. Und die ihn gefragt hätte, ob er ihnen nicht weitere GeschäftskKontakte vermitteln könne. Das täte er hiemit, und wenn Ludwig mit ihnen nichts anfangen kann, na dann soll er sich halt einsperren (oder töten, das meinte er wahrscheinlich), er sei ihm dafür dann nicht böse.

Ich schreibe das, weil von diesem Bericht ausgehend einer der beiden Hauptströme ausgeht, woher denn der Name "Rußland" stammen könnte. Denn Theodosius VII. nennt sie in seinem Schreiben "Ros". Geht man dem Wort weiter nach, dann zieht sich eine Verbindung zu "rus/roa (norw.)/rur", quasi "die Ruderer". Auch die Islandsagas, eine wichtige Quelle, berichten von den Austrvegr, den Ostfahrern. Denn der Osten ist in der Geschichte der Vikinger ihr (fas möchte man es so sagen) größerer, wichtigerer Lungenflügel. 

Apropos Islandsagas. Was wir heute als Rußland definieren, bezeichnen sie als Gardarike, und da steckt so herrlich erkennbar das Wort gorod drinnen - das heißt: Stadt, auf russisch bzw. als slawischer Wortstamm in allen übrigen slawischen Sprachen, in grad etc. zu finden. Befestiger Platz, das war das Entscheidende, und Rußland war dieses Land mit vielen befestigten Plätzen, sozusagen, wo man geschütgzt war, sich verteidigen konnte. 

Wo man (und das war Berichten nach wirklich so) zum Scheißen gehen durfte, ohne von drei, vier Brüdern (Vikingerfahrten, Handels- und Beutezüge der Vikinger waren seit je eine Familienangelegenheit) mit gezückten Schwerten umstellt und bewacht zu werden, sonst war man recht sicher tot. Zumindest, solange man noch nicht wohlhanbend war. Denn dann war die Wahrscheinlichkeit, daß einen die eigenen Brüder und Cousins abmurksten, extrem hoch.

Man muß sich so rechtsfreie Räume wie diesen Osten tatsächlich wie den Wilden Westen vorstellen. Als geographische Räume, von Menschen besiedelt, durchstreift, die keine Wurzeln hatten und in denen es nur an einzelnen Orten "Recht und Ordnung" gab, wo ein starker Sheriff dafür sorgte. Den eine bestimmte Gemeinschaft auswählte, bezahlte, und umhätschelte, weil erst er ihnen ermöglichte, zum Scheißen zu gehen, ohne ums Leben fürchten zu müssen. Recht viel anders hat sich auch in unseren Ländern Lebenssicherheit und Ordnung nicht etabliert. 

Die Stellung der Vikinger in diesem geographischen Raum war sehr sicher mit der Zeit so begründet. Sie stellten für Jahrhunderte das stabile Ordnungsgitter, dessen Zwischenräume dann etwa von den Slawen ausgefüllt wurden, die rein zahlenmäßig als das "eigentliche Volk" in diesem riesigen Territorium gesehen werden könnte. In dem ein Sheriff gebraucht wurde, vor dem sich alle fürchteten. Der Preis dafür schien noch immer niedriger als die Alternative - der Tod durch eine Schar Petschenegen, Bolgaren, Kazaren, Magyaren oder aus einem der weiteren zahlreichen Turkvölker, die auch untereinander um Vorherrschaft rangen. Und um Beute, dem Haupterwerbszweig aller dieser berittenen Nomadenvölker. 

Ins Land waren die Vikinger vom Baltikum her gewiß allmählich durch immer weiter ausgebaute Handelsbeziehungen gekommen. Die hier nach Westen, vor allem aber und viel zu wenig beachtet nach Osten ausgedehnt wurden. Und mit dem Handel kommen immer auch dann Münzen. 

Ich sage bewußt nicht "Geld", denn Geld ist etwas anderes: Ein abstraktes Medium interpersonaler Verbindlichkeiten, das ursprünglich mit Münzen etc. gar nichts zu tun hat. Ich habe zuletzt schon einiges dazu gebracht, und ich werde noch mehr bringen. Da gibt es immer noch einiges Grundsätzliches aufzuhellen. Kaum etwas bestimmt uns so, kaum etwas ist aber dermaßen im Dunklen wie Geld. Wie bei der Zeit, hat es sich an bestimmten Phänomenen festgemacht, die aber mit der Zeit ein völliges Un- und Mißverstehen für das eigentliche Wesen der Dinge - Zeit, Geld - brachten. Das Thema ist aber deshalb interessant, weil ich mir daingehend schon recht sicher bin, daß Abstrakta selbst keine Erfindung des Menschen sind, sondern gewissermaßen wesenszugehörige "Selbstverständlichkeiten", also an den Anfang der Menschheitsgeschichte gehören.

Diese heutige Gegend, das "Intermarum" Rußland-Ukraine, seit je bewohnt (soweit man das bei Nomaden so nennen kann) von vielen Völkern, hieß im 9. Jahrhundert in den zahlreich vorhandenen Aufzeichnungen allgemein neben Gardar sogar noch häufiger Groeter Svidjod, Großschweden sozusagen. Viel größer als Nordafrika (das "Sarazenenland"), heißt es in Berichten (wie dem von Ibn Rustah), zwischen Polen und dem Ural, zwischen Arktik und Schwarzmeer dehnte sich dieses Flachlandbecken der Rus aus, auf seinem 5000 km im Durchmesser durchzogen von zur Reise geradezu ermunnternden - man muß sich ja vorstellen: der gesamte Kontinent war ja von fast undurchdringlichen Urwäldern bedeckt, und Römer, die Straßen bauten, hatte es eben nur bis zur Linie Rhein / Weißwurstäquator / Donau gegeben - riesigen Flußsystemen mit noch riesigeren Flüsen, die noch dazu durchgängig von Nord nach Süd verliefen, die nur im Norden über einige wenige Kilometer unterbrochen waren. Und Schiffe waren der eigentliche Wohnort der Wikinger, das ist eindeutig auszusagen. Auf Schiffen lebten sie, und auf Schiffen fuhren sie gen Walhalla, wenn es soweit war.

Den ältesten und umfänglichsten wie auch informativsten Bericht haben wir vom Postminister des Sultans von Baghdad, Ibn Khurradadhbih, der ganz offenbar mim Auftrag des Kalifen im 9. Jhd. die Welt bereist hat, um einmal zu erheben, ob es nicht einen gröberen Bedarf nach Missionierung geben könnte, als der sich in den Wüstenvölkern bereits gezeigt hatte. 

Und die nördlichen, die Ural-Bolgaren, ließen sich tatsächlich zum Islam bekehren. Man sieht, aus dem großen Faß, in das viel (unverstandenes) Christentum und jede Menge heidnischer Reste zusammengefüllt, kräftig durchgetreten und dann zur Gärung verschlossen wurden, ist auch dieser unverstandene Teil des Christentums fermentiert, und hat seine Gärgase bereitet, die antreiben.

Unverstanden, weil praktisch alles, was sich als "Kritik" am Christentum gezeigt hat, auf etwas Unverstandenes zurückzuführen ist. Und zwar von allem Anfang an, bis hin zu den großen Protestbewegungen, zu denen auch jener Arianismus gehört, der sich als quasi Selbstläufermission des Christentums in der einen oder anderen Formund gleich von Anfang an mit ausgebreitet hat.

Seine Lehre war immer schon "leichter" zu glauben, als das originäre Christentum. Damsls wie heute. Weil man da gar nichts mehr glauben mußte, daß Jesus Christus kein Gott, sondern nur ein Prophet gewesen ist, wie der Islam täglich fünfmal von seinen Türmen schreit. Und das sich aufs Haar mit dem Arianismus deckt, der sich als "Intellektuellenreligion" ausgebreitet hat. Tatsächlich war es so.

Es ist ja eine der Paradoxien, die einem auffallen könnten, daß die Gescheiten der Welt nichts annehmen wollen, das sich auf "ein Wunder" zurückführt. Also auf so ein richtiges göttliches Eingreifen und Handeln. Einerseits. Um dann anderseits ein Leben lang gierig hinter jedem Fußabdruck her zu sein, der "wunderbar", also mysteriös sein könnte, mit den enttäuschten Zügen von Menschen, denen das große Wunder, dem sie dann auf jeden Fall, also hundertprozentig! folgen würden, einfach nicht und nicht zustößt. Denn DANN, ja dann würden sie auch glauben (hat mir allen Ernstes erst dieser Tage ein Ungar erklärt.

Während ein anderer (das war eine längere Korrespondenz, aber auch in jüngster Zeit) auf derselben Schematik laufend wie ein Wägelchen auf den Schienen das Christentum durch die Vernunft überwunden erklärt hat. Das ist auch erst in jüngster Zeit gewesen. Nun sei er Germane, sozusagen, befreit zu seinen Wurzeln, zu seinem wahren Ich un seiner wahren (überlegenen, also integralistischen) Religion. Freilich, er verstehe mich schon, er sei auch mal darin gefangen gwesen. Jetzt aber sei er spirituell. Etwa in dem er - so nebenbei, aber das sollte ich unbedingt auch mal probieren, das würde mich überzeugen - Bücher über Runenmagie zu lesen begonnen habe. Spannend, echt spannend, denn noch dazu: Das funktioniert!

Morgen Teil 2)