Dieses Blog durchsuchen

Montag, 11. April 2022

Die Nazis wollten nie ein Heimchen am Herd

Diese Zahlen sind natürlich interessant, und enorm aussagekräftig. Sie bestätigen, was ich seit je gesagt habe: Das Bild vom Nationalsozialismus ist extrem propagandagefärbt, aber - von der eigenen Propaganda. Die Wahrheit ist, daß Deutschland unter den Nazis der Prototyp des modernen (heutigen) Gesellschaft war. Wir sprechen hier von einem, wenn nicht DEM Schlüsselwert, geht es überhaupt zum Thema Familie. Also, hören Sie zu:

1939 waren in Deutschland noch OHNE Kriegswirtschaft 51 Prozent der deutschen Frauen von 16-60 Jahren in einem Erwerbsberuf tätig. Das war ein Drittel sämtlicher Arbeitskräfte, verglichen mit nur einem Viertel in England. Dort betrug diese Zahl berufstätiger Frauen lediglich 31 Prozent. Und hat sich auch bis 1944, also dem Höhepunkt des Kriegsringens, auf nur 41 Prozent gesteigert.

Anders als auf der britischen Insel war es in Deutschland nicht einfach der Rüstung zuzuschreiben, daß so viele Frauen "arbeiteten". Sondern (und das ist noch interessanter) den wirtschaftlichen Strukturen. Denn fast die Hälfte der berufstätigen Frauen arbeitete in der Landwirtschaft. Während es in England gerade einmal 100.000 Frauen waren. In landwirtschaftlich so stark gerägtne Ländern wie Bayern udn Baden Württemberg betrug der Anteil der Frauen, die "arbeiteten", sogar 60 %, und zwar schon 1939, also vor dem Krieg.

Somit war die Frau auch ohne Krieg für die deutsche Lebensmittelversorgung unabkömmlich. Und, möchte ich fast hinzufügen, auch notwendig, weil das Lohnniveau in der Landwirtschaft miserabel war. Während die Frau durch Kinder etc. so gebunden war, daß sie ohnehin nicht recht viele Alternativen hatte. Was zugleich mit der - auch das anders als in England - kleinbäuerlichen Struktur der Betriebe zu tun hatte. Der Grad an Unterversorgung mit Lebensmitteln war im Reich war vor allem deshalb beträchtlich, denn die Produktivität war natürlich, gemessen an den industriellen Maßstäben, wie sie das britische Commonwealth prägten, sehr niedrig. Die große Ausnahme waren freilich die ostdeutschen, pommerschen und ostpreußischen Güterwirtschaften.

Aber wie in Österreich vor dem EU-Beitritt waren ein Fünftel der Betriebe so klein, daß sie strenggenommen kaum rentabel zu führen waren, während der zahlenmäßig große Teil (40 %) Betriebe von 5 bis 30 Hektar und damit gerade wirtschaftlich waren. Insgesamt aber mit einem sehr bescheidenen Lebensstandard, der sich durch Festpreise sowohl in der Produktion wie in der Lohnstruktur kaum veränderte.

Das ab Kriegsbeginn einsetzende Fehlen der Männer im Arbeitsprozeß, das sich v. a. in den für die Wehrmacht bei weitem verlustreichsten letzten zwei Jahren zur immensen Problem auswuchs, wurde vor allem durch Kriegsgefangene und Deportierte "ausgeglichen". Und das war wiederum nur durch den hohen industriell-arbeitsteiligen Fertigungsgrad der Rüstungsprodukte möglich.

Aber insgesamt ist trotzdem die Landwirtschaft nicht der einzige Ausweis für die hohe (und verglichen mit dem wie man meinen könnte "moderneren" England deutlich höhere) Einbindung der Frau in die Erwerbswirtschaft in Deutschland. Selbst in Berlin, wo es ja beileibe keine namhafte Zahl von Bauern gab, betrug der Anteil der Frauen "im Beruf" schon 1939 über 53 Prozent. Dasselbe trifft, schreibt Adam Tooze, für die sächsischen Industrieknoten zu, oder auf Städte wie Hamburg oder Bremen. Selbst im Ruhrgebiet, wo die Arbeitsplätze ja nicht besonders frauenfreundlich waren (Hochöfen, Zechen etc.!) lag der Prozentsatz noch bei 40 Prozent. So viel, wie in ganz England bei Kriegsende.

Auf jeden Fall, werter Leser, kann jedem, der davon schwafelt, daß die "Nazis" traditionelle Werte verträten hätten, gleich mal ind ie Prade gefahren werden. Und das Bild vom "Heimchen amHerd" ist typisch protestantisch und sogar puritanisch, und NICHT deutsch. 

Seit je hatte nicht nur die Frau bei den Germanen hohen gesellschaftlichen Rang, und war als Kämpferin genauso bekannt wie die Männer, (mit im übrigen hohen Abreibungs- und vor allem geschlechterselektiven - man wollte Männer, wie in Indien heute - Kindstötungsraten, das kann man auch aus der Geschlechterverteilung annehmen, sowei sei aus den Gräbern usw. rekonstruierbar ist), sondern der Nationalsozialismus benützte die traditionellen Lebenshaltungen lediglich, und verwendet sie als Kosmetik. Real vertreten oder gar umgesetzt hat er sie nie. Denn er war eine so moderne Weltanschauung, daß er heute gar nicht "auffallen" würde.

Selbst darin war Deutschland "höchst modern", die Arbeitskräfte im Reich herumzuschieben, wo man sie halt benötigte. Möglich gemacht durch das ganz deutlich zentralistische System des Staates. Man kann sich deshalb auch solche Zahlenveränderungen erklären wie die, daß 1939 22,5 Prozent der deutschen arbeitsfähigen Bevölkerung im wehrrelevaten Bereich tätig waren, 1940 aber bereits 50 Prozent. Sicher nicht, weil man die Betriebe verlegt hatte.


Erstellung 07. April 2022 - Ein Beitrag zur