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Dienstag, 31. Oktober 2017

Die Geister die man rief

Es ist typisch, und es ist tragisch - Tragik ist die Typologie der Unwissenheit und Verworfenheit der Gegenwart. Da erzählt etwa nun eine "Sexologin" im Kurier, daß das Problem der jungen Menschen heute sei, daß ein so hoher Perfektions- weil Erwartungsdruck herrsche, wenn es zu sexueller Aktivität kommt. Und rät zu mehr Entspanntheit. Ohne das freilich begründen zu können, im Gegenteil sehen ihre "Ratschläge" so aus, daß sie diesen Erwartungsdruck noch weiter steigern. Ohne ein Rezept anbieten zu können, wenn es um die tiefsten Sehnsüchte der jungen Menschen - Treue, Beständigkeit - geht, der über dieses lächerliche "man muß über alles reden"-Gehabe hinausginge. 

Daß eine Ausgliederung der Sexualität, die so zu einem Gut für sich wird, das es auch gesondert anzustreben gäbe, aus der Ehe diese zu einer Technik, nämlich zu einer Technik der bloßen Konsumtion und Genußbereitung wird, diese auch demselben Druck unterliegt, der jeder Technik unterliegt: Perfektion, Ablaufoptimierung, ist aber einfach logisch. Offenbar aber reicht es trotzdem nicht, und schon gar nicht ist es möglich, im Zwischenmenschlichen auf Perfektion zu setzen. Denn die gibt es nicht, weil wir alle unperfekt sind. 

Vor allem aber gibt es in der Sexualität keine - und zwar KEINE - Perfektion, weil sie kein Ding für sich ist. Wenn man sie aus dem ontologischen Bezug des Menschen auf Ergänzung zum Menschen hin - in der geschlechtlichen Komplementarität, in der jeweils Mann und Frau zum "Menschen", ja überhaupt erst zu hier Mann, dort Frau werden (die selbst wiederum erst Mann und Frau werden, wenn sie Vater und Mutter sind) - reißt man der auf die Bahnen der Sexualität irregeführten menschlichen Bewegung nach Menschwerdung eine ganz tiefe Wunde der Unerfülltheit. 

Erfüllbar ist dieses Streben nach dem anderen Geschlecht nur durch die Ehe. Dort ist der Hafen, in dem erst Sexualität stattfinden kann, die eiderdautz plötzlich gar nicht zum Ding für sich wird, sondern lediglich eines der Vehikel im Rahmen eines viel Größeren ist - der Menschwerdung. Die ein Selbstüberschreiten auf den anderen hin, ein Handeln an ihm "nach seiner eigenen Art" wird, indem ich dem anderen das tue, was ihm fehlt, weil ich ihn ergänzen kann. Hier spielt der körperliche Akt eine mehr oder weniger untergeordnete Rolle, individuell verschieden. 

Aber niemals KONSTITUIERT er diese Ergänzung, niemals konstituiert er das, was die Menschen suchen: Eine dauerhafte, tragfähige Beziehung, in die kraft der Treu einzubrechen niemandem gestattet ist. In der auch die Körperlichkeit ihre Rolle spielt, ja, mal mehr, mal weniger, aber nicht weil sich die Zweisamkeit darüber definiert. 

Versuche, dies doch irgendwie hinzukriegen, so zu tun, als wäre die Sexualität das was Zweisamkeit zu tragen vermöge, ist plumpe Lüge, in den allermeisten Fällen pure Dummheit. In der die sexuelle Befreiung ihre Geister, die sie rief, und die sie nun umschwirren wie Motten das Licht, einzufangen versucht. Was natürlich nicht gelingt. Aber zu dieser Ideologie gehört es eben die Menschen GLAUBEN zu machen, es gäbe einen Weg innerhalb der Selbstverfehlung, die die sexuelle Befreiung ("sexual liberation"), die seit Jahrzehnten die Grundlagen unserer Kultur, unseres Zusammenlebens devastiert, eben IST. 

Zu der gehört, mit guten Ratschlägen unter dem Motto "man muß" oder "man muß lernen" so zu tun, als gäbe es das Versprochene. (und wenn es das nicht gibt, wie immer, so sind "die anderen", "die Gesellschaft", "die Eltern", "tradierte Wertvorstellungen", "die Kirche" etc. schuld.) So wird der Schleier über den Augen noch dichter, den zu zerreißen erst möglich machen würde, die gigantischen Schäden der sexuellen Befreiung auch zu sehen, wahrzunehmen. 

Die wir uns im übrigen nicht einmal mehr finanziell leisten können. Roß und Reiter also zu nennen. Klarzumachen, daß die tiefste menschliche Sehnsucht nach erfülltem Leben, zu dem primär die Verehelichung gehört, geistiger Art ist, daß sie also die nach der Ehe ist, und nicht nach erotisch unterlegten körperlichen Gefühlen. Zugleich ist die Ehe eine derartige Selbstverständlichkeit, daß sie eine Einbettung in einen gesellschaftlichen (kulturellen) Kontext braucht, denn nur von ihr aus läßt sich ja eine GesellschaftsFORM aufrichten und tragen. Ehe muß also das sein, was sie immer war, auch bei uns, und in den meisten Kulturen der Welt immer noch ist: das Natürliche, das Selbstverständliche. Denn ERST von der Ehe aus läßt sich eine rundum akzeptable "Zweierbeziehung" aufbauen, die zwar nie perfekt sein wird, in der aber die Frage nach der Perfektion der Sexualität keine Rolle mehr spielt.

Alle Menschen aller Zeiten aller Kulturen haben das gewußt, denn der Mensch ist immer derselbe und immer derselbe gewesen und wird immer derselbe sein. Auch wenn seine Kostüme wechseln. Nur wir meinen ja, wir könnten den Menschen neu erfinden.

Oder ist alles zumindest auch ein Experiment, das man ja noch korrigieren könnte, also kann man die jungen Menschen schon mal ihre Hörner abstoßen lassen, ihre eigenen Erfahrungen aufbauen lassen, ihre eigenen Wertewelten - sollen selber draufkommen? Eben nicht. Es ist ein Experiment der Verantwortungslosigkeit, vergleichbar mit dem Zerschlagen eines Eis, mit dem man jemanden ausprobieren läßt, ob der Dotter auch anders zusammenhält. Die Schäden sind nicht mehr rückgängig zu machen.

Dahinter steht ein Menschenbild, das sich seit der Renaissance ("cogito ergo sum") aufgebaut hat, und nun die fröhlichsten Urstände feiert. Der Mensch sei, was er vereinbare, was er konstruiere. Nichts sei da noch, das ihn (und die Welt) objektiv hält, alles ist ja materielle Funktion. Und der Mensch, mit seinem Zufallsprodukt des "Denkens" (das ja ein Irrtum ist, das einzige, was dem Denken Struktur gibt, ist physikalische Formel, ist Mathematik) ist so volatil, daß er sich sein Leben völlig beliebig gestalten könne.

Wo immer er auf Probleme stößt, liegt es nur an seiner zufälligen psychischen Konstruktion, und die zu ändern, ja im Grunde: die aufzulösen, macht sich eilfertig die Psychologie erbötig. Die dann auch gerne hilft, ein neues Konstrukt aufzusetzen, das dann den neuen Wünschen und Anforderungen entspricht. Es wäre doch gelacht, wenn man nicht überall die Abläufe optimierten könnte. Denn es sind ja alle Zwischenmenschlichkeiten zufällige, der willkürlichen Vereinbarung überlassene Angelegenheiten - jedem nach seiner Façon, so ungefähr. Also liegt es nur an der Fähigkeit, optimale, angepaßte Vereinbarungen zu treffen. Redet miteinander, sagt Euch Eure Wünsche und Sehnsüchte, und schon wird alles gut. Denn immerhin ist ja jeder einzigartig.

Mit solchen Müllabsonderungen, wie im erwähnten Kurier-Bericht (eine Zeitung, die nicht nur der Kirche mit-gehört, sondern die auch noch von christlich-abendländischen Werten zu sprechen wagt), treibt man aber die nächsten jungen Menschen in ein Desaster, an dem man sie dann sogar noch selber schuldig spricht.

Denn es lag ja nur an ihrer mangelnden Perfektion. Oder noch besser: der der anderen.







*161017*