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Sonntag, 22. Oktober 2017

Stellen wir die Sache einmal auf ihren paradoxen Kopf (2)

Teil 2) Und weiter führen wir die Beispiele.
Aber ist das mehr als ein Gedankenspiel?
Oder: Worum es wirklich geht!




Könnte man die immer bedrückendere Aufgabe der Freiheit, in die wir gleiten und längst geglitten sind, weil wir uns "alternativlos" Bedrohungen gegenübersehen, an die wir zwar gar nicht zuinnerst glauben, die wir aber nicht (auch weil medial so massiv behauptet, wie eine Mauer vor uns aufgebaut) "entkräften" können, weil wir die Kraft zur Vernunft (die eine Kraft zum Selbststand, zur "Einsamkeit" ist) nicht mehr finden?

Und die Methode funktioniert noch weiter, bis in Details hinein, der Leser möge es ausprobieren: Könnte nicht die Verweigerung der Ehe, die heute fast schon Generalerscheinung der Jugend ist, ein paradox intendiertes Vorgehen gegen die Schwäche der Ehe sein, die wir uns zwar alle nicht nur wünschen, sondern um deren ontologische Fundierung in unserem Selbstsein (nur in der Ehe wird der Mensch "ein Mensch", also eins, also zu sich selbst) wir wissen, doch sehen wir, daß sie im realen Leben nicht mehr "eingerichtet" ist? (Denn man mag sagen was man will: der Grund für das so vielfache Scheitern der Ehe, noch mehr für das Verweigern der Ehe liegt NICHT einfach in subjektiven Überzeugungen, sondern ZUERST in der Schwächung der Institution durch die heutigen Gesetze, die dem Wesen der Ehe spätestens seit den linken "Justizreformen" der 1970er Jahre gar nicht mehr gerecht werden.)

Der VdZ bricht an dieser Stelle ab, der Leser merkt nämlich schon: Betrachtet man die Sache SO, dann werden die Beispiele fast unendlich. So gut wie alles an diesem unserem Heute läßt sich auf diese Weise betrachten, die durchaus eine "ontologische" Betrachtungsweise ist, insofern schon seinen Sinn hat. Vieles wird damit wohl auch tatsächlich zu erklären sein, vielleicht sogar - alles? Das möge der Leser entscheiden, wenn er sich mit dieser Denkweise einmal angefreundet hat und den Sand der Welt einmal durch dieses Sieb laufen läßt. Er wird auf jeden Fall feststellen, daß sich enorm viele Argumente, gute Argumente finden lassen, die Angemessenheit dieser Denkweise anzuerkennen. Und er wird feststellen, daß sich damit viel erhellen läßt, ohne Frage.

Aber er wird vielleicht auch feststellen, daß sich neue und andere Fragen erheben. Einerseits nämlich wird man durch diese Denkweise tatsächlich einmal ruhiger, und kann manchen Katastrophengestus ablegen, und hat keine Angst mehr, die Realität zu jedem Wort kommen zu lassen, das sie uns flüstern will. Gleichzeitig stellt sich eine gewisse Genugtuung ein (spürt der Leser es?), weil auch alles Tun "der Bösen" sein Ablauflaufdatum bereits in sich trägt. Denn das Schlechte ist deshalb schlecht, weil es vor allem eines ist: Ein Mangel am Gut, also ein Mangel am Sein. Die Wut Satans ist eine Wut der Gewißheit, daß er über kurz oder lang - und das ist gewiß - verloren haben wird.

In einem nächsten Schritt aber stellt sich die Frage, ob es also reicht - und hier sind wir fast schon in hegelianischem Fatalismus! Ob es also reicht zu warten, zuzuwarten, bis sich die Dinge irgendwann schon von selbst regeln werden. Und hier kommen wir denn doch zu einer ernüchternden Erkenntnis: Diese Methode mag gut sein, Dinge wieder auf Abstand zu kriegen, sie damit sachgemäßer zu betrachten, angstfreier, ruhiger. Aber sie bleibt eine psychologische Methode! Sie ist ontologisch unzulänglich, und zwar zutiefst. 

Denn sie verkennt, worum es überhaupt im Leben geht! Sie verkennt, daß die Geglücktheit unseres Lebens NICHT davon abhängt, ob die Welt, unsere Kultur toll, stark, mächtig, vollkommen dasteht. Sondern daß es im Leben darum geht, daß WIR uns zur Freiheit und Persönlichkeit (= Heiligkeit, Heldenhaftigkeit) erheben. Daß wir uns also nicht des Handelns dadurch entschlagen, indem wir mit der Macht des Seins spekulieren, das hinter allem steht und schon dafür sorgen wird, daß letztlich "alles gut wird". Nein, nichts "wird von selber gut". Diese Hoffnung dürfen wir nur dahingehend haben als wir uns nicht dem Druck aussetzen müssen, daß es um die Welt, und nur um die Welt geht. Sondern daß es darum geht, sich in dieser Welt - "zur" Welt werdend, also - in Freiheit zu unserem Leben, zu den Sachverhalten unseres Lebens zu erheben. 

So, in der vollen Fähigkeit zur Sachgerechtkeit, dem eigentlichen Ziel des Heiligen, des Helden also, der sachgerecht handelt TROTZ aller persönlichen Schwächen und Hindernisse, so gut wir es eben vermögen, und sei es um den Preis unseres Blutes, erfüllen wir unseren Sinn als Lebensauftrag. Und dieser Sinn setzt beim ganz ganz Nächsten an, bei der Selbstwerdung durch Transzendierung (also: auf die Sache hin greifend) auf jenes Feld hin, in dem wir als Mensch stehen (und das erst durch diese Transzendierung "wird", also in die Welt kommt, zum Beispiel: DURCH die Eheschließung, in der sich erst das Verhältnis zur Frau konstituiert) auf den Sinn zu, in ihn damit hinein.** 

Ob die Welt "gelingt" oder nicht ist dabei sekundär. Denn der Sinn der Welt (denkt man sich den Menschen weg, was eigentlich aber unmöglich ist) liegt nicht in ihr selbst, sondern in ihrer Ausgerichtetheit auf den Menschen, und in ihm auf sein Urbild, auf Gott hin. Ihm ähnlich aber müssen wir werden. Und das werden wir durch unser Sterben, denn alles Hineinbegeben in den Sinn, in den logos der zahllosen Beziehungen, in denen wir stehen, und denen wir sachgerecht zu sein haben, ist ein Sterben.***

Und das heißt nichts anderes, als daß wir uns das treue Tun und Handeln, Tag für Tag, Situation für Situation, Beziehungsfeld um Beziehungsfeld, Sachgerechtheit um Sachgerechtheit nicht ersparen können. Erst DURCH dieses Hineinsterben in unsere jeweilige Aufgabe, Sekunde um Sekunde, wird der Welt nämlich jenes Fenster geöffnet, durch das das Sein gewissermaßen "inkarniert" wird, durch das die Gnade einströmen kann, die alles schafft, auf der alles basiert.**** 

Es ist der Akt des Sterbens, durch den der Himmel sich auftut, durch den Welt und Himmel - Seiendes und Sein - letztlich verbunden sind. Erst wenn wir so leben, wenn wir also leben als stürben wir, werden wir auch schöpferisch tätig sein. Und erst so können wir die Welt der "Alternativlosigkeit" buchstäblich entreißen. In der, wenn sie in diese wirklich gefallen wäre, dem Gesetz der Entropie analog, nur der Fall ins Nichts droht. So aber ist es das Sein selbst, Gott, der dem Seienden seine Anwesenheit gibt. Oder, mit anderen Worten: Eine Welt ohne Freiheit, eine Welt ohne menschliche Sachgerechtheit gibt es nicht. Sie würde ins Nichts fallen. Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. 

Das Paradox der Schöpfung, des Seienden als Teilhaber am Sein, wenn auch nicht als Sein selbst (denn das wäre dann Materialismus), ist also mehr als ein Psychotrick, eine "paradoxe Intention". Es ist eben - ein Paradox. Es ist eine Schöpfung Gottes, die sich aus ihm im Lobpreis des Menschen in ihn zurückbiegt.







*Eine umso größere Rolle spielen Lichtfiguren, denen wir diesen Spielraum zu schöpferischem Handeln noch zuschreiben. Praktisch in allen Lebensgebieten klammern sich die Menschen an Einzelfiguren, die diesen Eindruck machen, und fast immer werden wir dabei enttäuscht, weil meist schon Zwerge zu Großriesen aufgeblasen werden. Man kann laufend beobachten, wie Menschen, die nur einen einzigen Satz sagen, der etwas Richtiges benennt, hochgejubelt werden, bis man feststellt, daß ihr Ganzes im Grunde ebenso defekt ist, das man nämlich gar nicht mitdachte. Was wiederum mit der oben erwähnten generellen Schwäche zu tun hat.

**Womit wir bei der Ebene des Sakraments wären. Aber das würde endgültig zu viel für diesen kleinen Ausflug.

***Und deshalb geht die Fragestellung Hegels am Kern vorbei und setzt etwas voraus, das der Freiheit des Menschen radikal widerspricht, damit dem Sinn der Welt widerspricht: Sie sieht ihren Zweck, den sie dialektisch zu erreichen meint, darin erfüllt, einen "abstrakten logis" (die Vernunft Gottes) zur Realität, ins Seiende zu bringen. Dazu aber muß man die Welt des Menschen jeder Freiheit begeben, weil alles mechanisch-materialistisch abläuft. Was Karl Marx völlig richtig erkannt hat, der meinte: In dieser Automatik braucht es eines sicher nicht - einen Gott. Der erfüllt höchstens eine Aufgabe als "Opium", um manches erträglicher zu machen. Und gut kann irgendwie alles geheißen werden, was nützt. Aber Sinn hat es oft keinen. 

****Das ist im Grunde der Irrtum Hegels, der - wie manche es formuliert haben - "Gott nicht mehr in die Welt hineinbringt". Weil er alles in weltimmanenten Automatismen erschöpft sieht. So seltsam es klingen mag: Aber Hegels System (das heute eine so große Rolle spielt, daß man von einem Hegelianischen Zeitalter sprechen müßte: unser Denken, unser Ableiten, unsere Logik, alles ist "seinslos", "gottlos" im philosophischen Sinn, ist materialistisch und weltimmanent, kann aus Gott bestenfalls eine "Moralinstanz" machen, die aber keine Realitätsrelevanz hat. Das ist eine der letzten Konsequenzen übrigens - aus dem Lutherschen Protestantismus. Und Hegel war ja auch Lutheraner.)  

Auch wenn Heidegger diese Konsequenz nie zog, also seinem Denken einen "Gott" verweigerte, findet sich in seinem Denken ("Sein und Zeit") dieses Denken ganz erstaunlich weit getrieben, und es läßt sich, wie der VdZ meint, wie ein Baustein der wahren Metaphysik einfügen.






*041017