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Dienstag, 24. Oktober 2017

Was steckt hinter Kataloniens Separationswunsch? (1)

Katalonien ist erst seit dem 15. Jahrhundert durch Heirat (Isabella von Spanien) zu "Spanien" gekommen, wie wir es heute kennen. Es hat eine eigene Sprache (die sich aus einer lateinisch-römischen Umgangssprache entwickelt hat), und eine eigene, hochentwickelte, gegenüber dem Restspanien aus verschiedenen historischen Gründen überlegen empfundene Kultur. Es hat ein eigenes Parlament, und eine eigene Polizei. Die Separationsbestrebungen sind deshalb nie ganz zum Erliegen gekommen, und waren sogar einer der (zumindest der offiziellen) Anlässe für den spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, der freilich von ideologischen Konflikten überlagert wurde. 

Die kommunistisch-revolutionären Bestrebungen zur Weltrevolution, die prinzipiell zwar auf Zentralismus setzten, aber sich wie hier regionale Unabhängigkeitsbestrebungen (so wie jede Bewegung, die auf Zerstörung des status quo der Macht abzielt) zunutze machten, welche Furcht vor Revolution damals in ganz Europa umging, weckten eine faschisto-konservative Gegenbewegung (an deren Spitze sich bald der General Franco setzte) auf. Gestützt von einem dezidierten Krieg gegen die Katholische Kirche durch die Kommunisten. Das führte zu einer unseligen Allianz der katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit kommunistischen Bewegungen, die sich unter Franco unselig auswirkten. Neuerlich wurde Katalonien von Madrid "unterworfen", konnte sich nur einige Sonderrechte bewahren. Aber sogar die Sprache war damals verboten, wenngleich dieses Verbot vielfach unterlaufen wurde.

Der Sieg Madrids, eines Gesamt-Spaniens also, wird vielfach von Katalanen bis heute als "Besetzung" gewertet.* Und aus linken Kreisen wird Madrid sogar als "faschistische Herrschaft" bezeichnet, sodaß der derzeitige Aufruhr sogar das Mäntelchen der "Antifa" hat. Immerhin wäre es eben nicht das erste mal, daß Madrid Truppen entsendet, um die 12.000 km² große Provinz an die Kandarre zu nehmen. Mehrmals in der 530jährigen Geschichte Spaniens wurde Barcelona belagert und eingenommen.

Historisch dabei interessant: Die Katalanen (Teil des Königreichs Aragon) waren stets für einen Verbleib unter der Habsburger Krone, also der des Heiligen Römischen Reichs. Endgültig wachte eine Separationsbewegung auf, als Napoleon versuchte, die spanische Krone zu besetzen. So, wie er es in halb Europa gemacht hatte. Denn die Katalanen (als Teil des Königreichs Aragon) sehen ihren Moment der Volksgründung in der Legitimität der Karolinger begründet, die in Karl d. Großen ja das Hl. Römische Reich erneuerten, DAS Einigungs-, aber auch DAS Föderalprinzip Europas. Die Einsetzung von französischen Bourbonen als Folge des von Habsburg verlorenen Erbfolgekriegs seit 1702 hat die Legitimität eines Madrider Königs von "Ganzspanien" in ihren Augen zerstört.

Dazu kommen aber andere Strömungen, deren Relevanz wohl nicht unterschätzt werden darf. Es ist eine Tatsache, daß das Weltimperium Spaniens wirtschaftlich in weit überproportionalem Anteil von Katalanien getragen wurde. Das auch davon am meisten profitiert hat. Denn dort wurden die Exportgüter hergestellt, die die Absatzmärkte in den Kolonien brauchten, umgekehrt haben katalanische Familien eben dort die Rohstoffe importiert. Sodaß sie mit Spaniens Niedergang (der sich im Krieg mit den USA 1898 vollendete, wo Spanien nach den Philippinen auch noch Kuba verlor) als Imperialmacht hohe wirtschaftliche Einbußen zu tragen hatten. Eine Wurzel großer Unzufriedenheit. Auf Kuba spielten reiche katalanische Familien noch lange eine große Rolle, und standen sogar in Konflikten mit der übrigen spanischen Bevölkerung.

Katalanien wird in den Augen vieler als von ca. 300 reichen Familien - Oligarchen - beherrscht gesehen. Das führt auch in Katalanien selbst zu widersprüchlichen Stimmungen. Einerseits will das Volk Freiheit und Unabhängigkeit, anderseits lehnen viele die oligarchische Struktur des Landes ab. Denn diese Familien haben enormen Einfluß auf die Regionalpolitik, und es ist deshalb keine Frage, wer die derzeitige Unabhängigkeitsbewegung massiv unterstützt, ja vielleicht sogar die treibende Kraft dahinter ist. Mit diesen Familien sind auch Gesetzesstrukturen verbunden, die vielen Katalanen ein Dorn im Auge sind weil sie meinen, daß diese konservativen Kräfte eine Standeszementierung möchten - anders als v. a. die städtische Bevölkerung Katalaniens, die sich von der Aufklärung nicht trennen will. Barcelona ist regelrecht multikulturell, also links oder linksliberal. So bevorzugen die Erbgesetze den ersten Sohn. Eine Regelung, die klar den Interessen der konservativen Strukturen entspricht.



 Morgen Teil 2)  Madrid war zu schwach
- Das Kurzvideo



*201017*