Martin Sellner stellt in einem Video ("Vlog" nennt er es; die Affinität zur Moderne kann er einfach nicht bestreiten, ein eigenes Thema: er ist erschreckend deutlich Hegelianer, und er hat Hegel mit Heidegger mitgeschluckt, wie so viele; aber wer ist heute nicht Hegelianer ...) die Karriere von Sebastian Kurz vor. Den designierten Kanzler von Österreich, gerade einmal 31 Jahre alt.
Und er zeigt dokumentarisch, wie Kurz, der angebliche Hardliner, seine Ansichten innerhalb weniger Jahre völlig verändert hat. Kurz wandelte sich in der öffentlichen Wahrnehmung vom Multikulti-Repräsentanten zum Schützer von Identität und europäischer kultureller Integrität. Was stimmt also nun? Immerhin siegte ja Kurz mit dieser neuen, harten Linie. Die ihm erst in den letzten 18 Monaten eingefallen ist, denn zuvor gab es von ihm sehr sehr andere Töne zu hören.
Der VdZ spricht als Vater, als Beobachter von nicht wenigen Kindern, Jugendlichen, und Heranwachsenden. Was Sellner hier zeigt ist interessant. Und Sellner redet über Kurz gar nicht ohne Sympathie, das macht das Video noch interessanter. Aus Erfahrung sagt nun der VdZ, daß es für Jugendliche - und Kurz ist das bis heute, wo er mit seinem Alter an der Schwelle zum Erwachsenen steht - einen ersten (nein, eigentlich ist es der zweite) kritischen Punkt gibt. Und er taucht bei Männern um 30-33 Jahre Alter auf. Hier erfolgen Festlegungen, die die nächsten 3 Jahrzehnte bestimmen. Dann, rund um die 60, folgt die Retrospektive, und entweder eine Korrektur, die aber den wenigsten noch gelingt, weil sie viel viel Kraft kostet, oder der Rest des Lebens verläuft in simplen Rechtfertigungskonstrukten.
Wenn Kurz also wirklich eine Festlegung - vielleicht bestärkt durch den Erfolg, den er damit hatte - erfahren hat und vollzieht, dann kann man von ihm manches erwarten. Wenn nicht, wenn es nur gut eingepackte Strategie der vorigen Haltung war, mit der er immerhin im Bauch der Mutter gut geborgen war, dann war es nur die nächste Täuschung. Und für die Wähler die nächste Fehlentscheidung. Denn wenn eines am Ausgang der Wahl vom 15. Oktober 2017 in Österreich stimmt, dann ist es ein Aufruf zur Vernunft. Und selbst, wenn die Sozialisten gerade noch mit einem blauen Auge davonkamen, ihre Stimmenanteile halten konnten, dann zeigt sich im Schmälerwerden des linken Spektrums in der Wählerschaft genau das: Die Menschen haben die Utopien und sozialistischen Totalitarismen satt.
Kurz soll diese Chance gegeben werden. Daß das in einer politischen Entscheidung eigentlich keinen Platz hat - der VdZ Kurz für unwählbar hielt, weil ihm diese entscheidende Schwelle noch fehlt - war der Grund, warum der VdZ es für unverantwortlich hielt, ihn ins Kanzleramt zu schicken (würde er selbst zu Wahlen gehen). Es war ein Lotteriespiel, und daß die ÖVP sich für diesen Weg entschied spricht ihr ein vernichtendes Urteil. Wir können also nun nur noch hoffen, daß er diese Schwelle im rechten Sinn überwindet. Diese Chance wollen wir ihm geben. Auch wenn Kanzlerwahlen keine pädagogischen Entscheidungen sein dürfen.
*161017*