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Sonntag, 9. September 2012

Das Allgemeine im Konkreten

Es geht nicht um Kunst, hier würde man wieder einmal zu weit greifen. Aber es geht um eine exemplarische Darstellung dessen, was konkrete Realität überhaupt ist - Ausfluß eines Allgemeinen im Besonderen: im Pressephoto des Jahres 2011.




Es soll nicht auf den erschütternd dummen Kommentar der Presse-Autorin hier eingegangen werden, der nur zeigt, wie "theoretischer Hintergrund" zum manischen Sprachspiel werden kann. Almuth Spiegel meint, daß die Darstellung des Leids in Syrien "als" Pietá unsensibler Eurozentrismus dem Islam gegenüber wäre. Denn der Kontext sei christlich, und müsse für die Muslim - um die es ja hier gehe - eine Beleidigung darstellen. Es soll auch nicht eingegangen werden darauf, daß - wenn schon - die Pietá Menschen darstellt, die demselben geographischen Raum entstammen, was an sich bereits Ausgangspunkt weiterer Betrachtungen sein könnte, selbst innerhalb dieser Argumentationsweise.

Im Christentum aber stellt sich etwas als etwas ganz anderes dar. Die Menschwerdung Gottes bezieht sich nämlich genau auf das allen Menschen gemeinsame Menschsein. Jeder steht in denselben Grundsituationen des Lebens. Und in die einzutauchen, diese darzustellen, ist das Geheimnis der Erlösung. Deshalb ist - von der Kreuzesdarstellung bis zur Pietá - in der Passion eine allen Menschen gemeinsame Grundsituation durchgelitten. Und zwar wirklich, als Mensch, nicht unter dem Augenblinzeln des Wissens um seine Göttlichkeit, die alles nicht ganz so ernst nahm. 

Nur in dieser Allgemeinheit ist Erlösung zu suchen wie zu finden, die sich in jedem Leben ganz konkret wiederfindet. Im Glauben an Jesus Christus, der, wie Ferdinand Ebner schreibt, als Akt völlig verschieden ist vom "Wissen" um die Existenz eines Gottes, das jeden Menschen nämlich bestimmt, wird diese konkrete persönliche Situation in ihm ins Leben gehoben, von der bloß "irdischen" Gebundenheit an den Tod erlöst.

Und weil diese Erlösung, dieser Leidensweg Christi, sich auf alle Menschen bezieht, sich auf allgemeine "Topoi" des Menschseins bezieht, ist auch Inkulturation des Christentums überhaupt erst möglich, hat die Erlösund in Indien indische Menschen zur Darstellung, hat das Bildnis derGottesmutter von Guadalaoupe Gesichtszüge des dortigen Erdkreises.

Deshalb sind die "christlichen" Kunstwerke keineswegs spezifisch an diese Religion gebunden, die enthält sie nur (und das macht ihr Wesen als "katholisch" aus) so wie alles Humane, sondern beziehen sich immer auf etwas allen Menschen Gemeinsames. Und auf dieser Grundlage ist die Erlösung Christi für alle zugängig. Wenn sie an ihn glauben. Aber so weit geht auch die Pietá als Topos der Kunst - weil Topos des Menschseins - gar nicht. Wer nicht weiß, daß es sich um Gott selbst handelt, der in den Armen der Gottesmutter liegt, kann und darf darin lediglich den Ausdruck menschlichen Leids erblicken. Daran, und nur daran! hat sich Michelangelo auch orientiert, ja das war die Größe seiner Kunst. Denn er hat das tief Menschliche gesucht, genau aus diesem Grund.



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