1) Als in Österreich die Diskussion um den Beitritt zur EU stattfand, also besonders intensiv 1993, war er in seiner damaligen Tätigkeit bei der Kirche quasi am Puls der "Meinungsbildung". Und mit Entsetzen sah er vor allem die Entwicklungen, die auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Niederösterreich zukommen würde. Es kam ganau so, aber darum soll es jetzt nicht gehen.
Vielmehr um das, was man den Bauern als Zukunftsperspektive vorstellte: Ja, es würde zu einem Kahlschlag (den man natürlich anders nannte) unter den vielen Kleinbetrieben kommen. Aber man müsse eben das Bild des Landwirts der Zeit anpassen - denn er würde gebraucht, aber als "Landschaftspfleger". Die Wiesen müßten weiterhin gemäht werden, schon des Fremdenverkehrs wegen, die Wälder gehegt, die Felder in Form gehalten, um das wilde Aussehen von Brachen zu vermeiden. Und das, das sei natürlich zuerst Aufgabe der Politik ...
Ungefähr so, als würde man den Schriftstellern sagen, sie sollten zukünftig Versicherungsberichte eintippen - auch die werden nicht gebraucht, und dort könnten sie den ganzen Tag schreiben. So nebenbei dürften sie noch die Rechtschreibung korrigieren.
Tatsächlich bezahlt nun die EU sogenannte "Brachgelder" (man möge den Begriff im weitesten Sinn fassen). Bauern schneiden tatsächlich das Gras, aber sie lassen es dann verrotten.
Erst diesen Sonntag stand in mehreren Artikeln zu lesen, daß speziell Biobauern einen gar nicht unbeträchtlichen Anteil an der weltweiten Verknappung der Nahrungsmittel, die derzeit in aller Munde ist, zu tragen hätten. Denn nicht nur wird weit mehr Getreide in der Fleischproduktion verfüttert, sondern gerade Bio-Fleisch benötige besonders viel an Futtermitteln. Und die müßten als Getreide zugekauft werden.
Fraßen früher Rinder nicht vor allem ... Gras und Heu? So nebenbei: Futterpflanzen sind in der Regel nicht dieselben wie solche für Lebensmittel, ja für diese gar nicht verwendbar.
2) Große Aufregung gab es in diesem Frühjahr im Ybbstal in Niederösterreich. Satellitenvermessungen hatten ergeben, daß die örtlichen Bauern mehr Flächen bewirtschafteten, als in den EU-Anträgen um Förderungen angegeben waren! Damit würden sie aber die beabsichtigten Limitierungen (um die Preise zu stützen) unterlaufen. Der Fall war virulent geworden, als zahlreiche Bauern nun mit für ihre Verhältnisse hohen Rück- und sogar Strafzahlungsforderungen konfrontiert waren, und sich an die Medien und die Landwirtschaftskammern gewendet hatten, um diesen Zahlungen auszuweichen. Wie es aussieht - mit Erfolg. Aber nicht, weil die Zusatzmengen akzeptiert wurden, sondern weil die meisten der inkriminierten Flächen von Hand nachgemessen und die Flächenbestimmungen um die wirkliche jeweilige Situation korrigiert wurde. Denn da gab es mitten in den Feldern Gräben oder Hänge oder Steinschluchten, die nun wirklich nicht zur an den Außenmaßen gemessenen Nutzfläche gezählt werden konnten. Sie zählten zum vorgeschriebenen Brachland.
Etwa 7 % der an sich landwirtschaftlich genutzten Fläche in der EU sind per Verordnung stillgelegt. Die Bauern werden dafür entschädigt. Trotzdem hat die EU 2012 einen Getreideüberschuß von rd. 20 Mio Tonnen produziert.
3) Siegfried Giedeon schreibt in seiner Geschichte der Alltagskultur, daß der entscheidende Bruch in der Fleischproduktion nicht mit der menge zu tun hat, sondern mit dem Umstand, daß sich von den USA ausgehend ein völlig neues Verhältnis zum Vieh eingestellt hatte. Das noch im 19. Jhd. in deutlich erkennbarem Widerspruch zur europäischen Haltung stand. Denn vor allem in den USA machte sich ein anderes Bauerntum bemerkbar - das keinen wirkichen Bezug mehr zum Boden und zum Vieh hatte, sondern Land und Lebewesen nur noch als Produktionsfaktoren sah. Entsprechend machte sich eine Automatisierung der Landwirtschaft, vor allem aber bald eine Automatisierung der direkten Fleischproduktion bemerkbar, die ein wirklicher Einschnitt war: Tiere wurden unter weitgehendem Einsatz von Maschinen geschlachtet und verwertet, und selbst wenn vielfach menschliche Arbeit nicht vermeidbar war - z. B. keine Maschine ist in der Lage, einen Tierkadaver effizient zu enthaaren, kann sich den biologischen Tatsachen ausreichend anpassen - so war es nun nicht mehr ein Schlachter, sondern ein "Arbeiter", der einen abgezirkelten Handgriffsbereich erledigte. Das hat sich mit dem Beginn der USA, in die Welt zu exportieren, über neue Verfahren der Haltbarmachung, bei gleichzeitiger Erfindung neuer Arten, Fleisch anzubieten und zu konsumieren, zu einem enormen Druck auf die Fleischpreise der Welt geführt.
Noch um 1870 wurde hingegen in Paris eine Schlachthalle eingerichtet, in der jedes Rind seine eigene Box hatte, in der es schließlich von einem ausgebildeten Schlachter gekeilt und zerlegt wurde. Diese Halle wurde bald zum Vorbild für viele europäische Städte, die sich in der damaligen Epoche mehr und mehr zu den Großstädten entwickelten, wie wir sie heute kennen. Aber die Preise am Weltmarkt führten auch hier zu einer allmähliche, wenn auch verzögerten Mechanisierung. Deren Endpunkt allerdings immer noch erst mit der EU kam: Erst mit dem Beitritt zur EU kam in Österreich für die meisten der bis dahin noch zahlreichen Kleinfleischereien das Ende. Die neuen Hygiene- und Schlachtvorschriften bedeuteten Investitionen, die sich erst ab einer gewissen Größe, und ab einer gewissen Arbeitsteiligkeit, "rechneten".
Selbst über viele Generationen eingeführte Fleischer wurden somit entweder zu bloßen Händlern und Portionierern degradiert, wenn sie nicht überhaupt zusperren mußten. Weil der Wertschöpfungsanteil nun zu gering wurde, sie nicht mehr davon leben konnten. Und weil die Verkäufer systematisch zu neuen Vertriebsformen geführt wurden: abgepackte Fleischtassen beim Supermarkt ersetzten das berühmte "35 Deka, ist das in Ordnung?" "Geh ja, und geben's mir noch ein paar Knochen dazu."
Vor allem durch diese gedankenlosere, "leichtere" Art des Konsums, zumindest fällt die Korelation auf, stieg der Fleischkonsum in unseren Landen auf das Vielfache. Und damit steigt der notwendige Import von Futtermitteln, denn Soja und Mais aus Massenanbau in Amerika - Süd wie Nord - gehört längst zur üblichen Art der Fleischproduktion auch in unseren Breiten. Man gibt deshalb vor allem diesem Fleischkonsum die Schuld daran, daß es wie derzeit zu einem starken Anstieg der Getreidepreise kommt. (Und nicht, so wird behauptet, der Produktion von Biosprit. Der Verfasser behauptet das dennoch, doch darüber zu einem späteren Zeitpunkt.)
Thomas Mann schreibt in "Der Zauberberg" in einer wunderbaren Passage davon, wie einst das Handwerk des Schlachters sich aus dem Priester heraus entwickelt hatte. Denn ursprünglich, so führt er an, sei das Schlachten von Tieren als Heiliger Akt gesehen und gehandhabt wurde. Ähnlich wie der Schmied, oder der Henker, ragte sogar noch bis in unsere Zeit der Schlachter zutiefst in eine sakrale Dimension.
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