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Donnerstag, 6. September 2012

Versuch einer Gedächtnistheorie

Das Gesetz der Entropie besagt, daß ein abgeschlossenes System zerfällt, daß der Selbstvollzug abbricht, wenn ihm keine Energie von außen zugeführt wird. Ein immanentes Universum muß (bzw. müßte) also zwangsläufig über kurz oder lang zerfallen.

Wie nimmt ein System Energie auf? Durch Ingetration eines außenliegenden Faktors. Wie intergriert es diesen? Durch Selbsttranszendenz: es läßt sich vom Entgegentretenden formen, um sohin in der (nachleidend nur zu gewinnenden) Erkenntnis an dessen vitaler Kraft ("Energie") teilhaben. Weil Selbsttranszendenz und Mechanik (Methodik) sich aber ausschließen, verlangt diese Selbstöffnung eine Öffnung ins Unbekannte hinein. Und weil das umgekehrt kein summarisches Übergehen von "Energie" ist (fremde Energie kann also nicht einfach übernommen werden), sondern Energie, die im Selbstvollzug, im Vollzug von etwas Vorhandenem bereits ist, allerdings nur im Vollzug aktiv und damit vorhanden ist, ist diese Aktivierung nur in dem Ausmaß möglich, wie diese Vorgänge in einem System aus seiner Natur heraus angelegt sind. Was beim Menschen, dem Abbild Gottes, heißt: universal. Alle Dinge des Universums kommen also im Menschen gleichfalls vor. Abstrahiert, prinzipiell, in ihrer wirklichen Wirklichkeit.

Auf diese Weise wird das aufnehmende Lebewesen zu einer abstrahierten Verdichtung dessen, was ihm begegnet ist, und worauf es affektiv geantwortet hat. Befestigt im Fleisch (!), wird der Mensch zu einem verdichteten, präsenten Gedächtnis seiner Vergangenheit - sein "Selbst" der Gegenwart ist Gedächtnis an sich.

Wo immer der Mensch bzw. ein Lebewesen nicht naturgemäß (in obigem Sinn!) handelt bzw. sich vollzieht, also in dieser Selbsttranszendenz (das Tier, die Pflanze ist IMMER selbsttranszendent), bleibt er ohne dieses Leben. (Wobei mehr und mehr sich ein Sträuben im Autor einstellt, das Wort "Energie" noch zu verwenden, weil es sich angesichts heutiger Denkweisen zu leicht mit physikalisch-mechanistischen Kategorien tränkt) Damit verfällt er nach und nach dem Tod, und er tut es dort, wo dieses Gedächtnis nicht mehr präsent ist. (Weshalb Nostalgie dem Morbiden zugerechnet wird, mit Recht.)

Seine geistige Gegenwart geht dem Gesetz der Entropie gemäß in Verfall über.

Das Gesetz der Entropie verlangt also die Präsenz des zu Erinnernden, geordnet von der Vernunft, die eine Einheit mit dem Einen, dem Sein (Gott) bedeutet. Mit dem - als lebendiger Vollzug von Lebenswirklichkeiten - die Gegenwart zu bestreiten ist. 

Was also passiert, wenn diese Erinnerung nicht mehr fleischlich präsent ist? Der Mensch stirbt, nachdem er in Demenz gefallen ist.

Nachdem jede Technik eine Fähigkeit des Menschen auslagert, fördert jede Technik der Gedächtnisauslagerung ... die Demenz. Und damit den Tod. Und nachdem alle Lebewesen nur im Maß der Selbsttranszendenz überhaupt leben, führt eine selbstbezogene, invertierte Lebenshaltung zum Tod, stirbt der Mensch an der Entropie seines Leibes, der unfleischlich wird.



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