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Montag, 17. September 2012

Lebensamplituden

Das Leben als Rhythmus des Stirb und Werde, des Ein- und Ausatmens ... Walter Schubart schriebt einmal, daß es kaum etwas Spannenderes gibt als das Vergehen (Ausatmen) eines Zeitalters zu erleben, hinter dem sich die Ahnung des Neuen verbirgt, das unweigerlich folgen wird: wenn die Linie des Abwärts sich ihrer Sohle neigt, und ein neuer Aufschwung ansetzen wird, dessen Gestalt man noch nicht kennt.

Die Technisierung des Denkens, des Lebens, hat die Abstrahierung des Lebens selbst auf eine unmodulierte Zahlenreihe - im mathematisch-exakten Takt - bewirkt, die unser Leben überlagert hat, und alles zu erdrosseln droht. Was sich am mindesten noch in Herzrhythmusstörungen ausdrückt, die übrigens auch zum Tod führen können.

Aber das Herz der Menschen schlägt nach wie vor, und so gläsern-mächtig, so glatt und eisern diese mathematische Linie über uns liegt - der Rhythmus des Herzens sucht seine Wege. Und er tut es, angesichts der kaum faßlichen Übermacht der Gedankengebäude, der Moraldiktate, der Zwingkästen der Lebensführung, erst in akzeptierten Ersatzhandlungen, nähert sich aber zwangsläufig dem wirklichen Bedürfnis nach Befreiung. Nähert sich zwangsläufig dem Religiösen. Weil jeder Rhythmus die Transzendenz der Dingwelt selbst auf ein hinter allem stehendes Wollen, und damit Müssen, bedeutet.

Es ist immer das Leben, das wirklich werden will, das sich hienieden zum Ewigen steigern, zum Bleibenden befestigen will, zur allumfassenden Freude. Wenn man das nicht vergißt, wenn man das erinnert, wird einem so viel verständlich. Und sei es als unbeholfener Versuch, doch noch Leben zu gewinnen, zu steigern. Weil der Ort des Lebens das Fleisch ist, wo es sich im Individuum kristallisiert und mit andrängender Wucht - einem nie erlöschenden Willen der Liebe - selbst vollziehen will, zum Kosmos ausformt. Das gar nicht anders kann, weil es sein Wesen ist, als sich im Rhythmus zur je dieser und jener Gestalt zu finden.

Gib dem Himmel Luft, schreibt Johannes Kepler einmal, und es entsteht ganz sicher ein Zusammenklang.


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