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Sonntag, 26. Mai 2013

An der Wegscheide (2)

 2. Teil) Der Heilige wird Aristokrat




Deshalb ist dem Griechen (und dem Abendländer) Homers Ilias, das Heroentum die entscheidende Lebenshaltung. Der Ritter, der Adel wird zum Lebensideal überhaupt.

Während dem Chinesen und Inder - in den Rigvedas und den chinesischen Erzählungen vom alten Reich der Harmonie - die entscheidende Lebenshaltung das Vermeiden von Konflikten wird, und auch hier: eigentlich: wurde, im Gegensatz zur Lebenshaltung in den Vorzeiten, die auch dort Heldengeschichten dokumentieren. Dem Griechen ist aber diese Haltung des Weltharmonisierens der Vernichtung der Welt gleich - wie es umgekehrt dem Asiaten der Kampf wird.

Asien beginnt einzuschlafen, weil es einschlafen will. Während das Abendland aufwacht, weil es wach werden will.

Wiewohl beide ursprünglich eine selbe und religiös-metaphysische Grundlage haben, die auch die Grundlage jeder Religion überhaupt ist: In Harmonie mit dem göttlichen Willen als das der Welt zugrundeliegende Gesetz ihres Ganges zu gelangen. Hier ist es aber der Logos in der Persönlichkeit, dort die praktische Harmonisierung durch Versenkung als Angleichung an das Weltprinzip. 

In Heraklith's Konzeption wird der Mensch in dem Maß vollkommener, als er sein Denken und Handeln an die objektive Vernunft anbindet. Die nicht im Vielwissen (als Wissen von Einzelnem) besteht, sondern in der Tugend, die auf das Modifizierende, Umfassende, den Sinn geht. Heraklith mündet in die Transzendenz, er sieht die Beschränktheit des Menschen, erkennt die Autonomie der sittlichen Persönlichkeit in ihrer Hingestrecktheit auf den Logos als Auftrag zum persönlichen Adel, mit dem (aus Realismus unerreichbaren) Endziel des Absoluten, der absoluten Werte und Tugenden.  Aber so nimmt er Teil an der göttlichen Macht (die in vernünftigen Gesetzen überhaupt zur göttlichen Ordnung gerinnt).

(Freilich bleibt ihm die Vollendung nur im Ruhm möglich, mit dem Dichter als Ruhmesrichter, als Künder und Hebamme, ja Schöpfer des Fortlebens, weil er das Göttliche in die Welt stellt und im Ruhm festigt. Denn als Teile der Welt sind die Menschen abhängig von dem "allen Gemeinsamen", woraus sich auch die absolute Stellung des Gesetzes ergibt.)

Beiden - Orient wie Abendland - prinzipiell gleich ist zwar auch das Bemühen der Selbsterlösung in einem pantheistischen Weltbild als Ausgangspunkt, wenn man so will. Weil ihnen natürlich das personale Prinzip*** eines inkarnierten Gottes (in der Dreifaltigkeit) fehlt, der sich nur selbst offenbaren KANN, weil Gott an sich unerkennbar ist. Welch letzteres eine logische Einsicht der fortentwickelten Philosophie wird, die natürlich den Lebensvollzug selbst erhellt. Erst aus der Dreifaltigkeit wird das Wesen des Seienden verstehbar, schließt sich auch der Denkbewegung auf - mit der Welt als Analogie Gottes.

Aber damit ist auch klar, daß sich die abendländische Philosophie und Kultur in ihrer Richtung auf die Inkarnation Gottes in Jesus Christus - auf eine Gesellschaft der Königssöhne - hin bewegte, die ihr wie ein Schlußstein - "in der Fülle der Zeiten" - zupaßte und alles aufhellte. Ganz im Gegensatz zu den asiatischen Konzepten, so ähnlich oder gar gleich die metaphysischen Ansätze und Ahnungen ursprünglich auch waren. Die entscheidenden Umbrüche standen in beiden Erdteilen in einer absolut vergleichbaren kulturellen Epoche (um 500 v. Chr.): dem Zusammenbruch der alten, feudal-hierarchischen Lebensordnung.
Es läßt sich bei Heraklith (gerade in der Gegenüberstellung mit asiatischen Religionsentwicklungen) hervorragend beobachten, wie eine Ethik, die aus der metaphysischen Grundbewegung des Menschen hervorgeht, Gestalt und Konkretion gewinnt aufgrund der in der (hier: aristokratischen) Gesellschaftsordnung ausgebildeten Rangordnung der Werte.**** Die Lebenswerte sind ihrem Wesen nach mannigfaltig; ihre Schätzung hängt von der Lage der Lebewesen ab, die ihrer bedürfen und sie genießen, schreibt er deshalb. 






***Die entscheidende Rolle der Schuldvergebung sei hier nur angedeutet, aber hier blitzt sie auf. Jacques Lacan übrigens, als nihilistischer Psychoanalytiker, weist in seinen Schriften darauf hin, daß als Ergebnis seiner Untersuchungen für ihn feststeht, daß der Mensch in seinem Tiefsten persönliche Vergebung vom Sein selbst, im Wort, sucht und benötigt.
 
****Heraklith hat sich politisch völlig enthalten. Denn ihm war die Demokratie, die sich zu dieser Zeit in Athen herausbildete, zutiefst verhaßt.




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