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Samstag, 4. Mai 2013

Strommetaphorik

Nun ist es  nicht mehr zu übersehen - die USA steigen bereits völlig aus der Windkraft aus. Die Erzeugungskapazität sank von zuletzt 13.000 Megawatt bereits auf 3.000 Megawatt. Ja, natürlich, das hat nur mit diesem Fracking-Gas zu tun, und gilt nur für die USA, so ungefährt zumindest ...

Wollen wir mal nicht fragen, was mit den zehntausenden Windrädern passiert, die nun noch sinnloser in der Landschaft herumstehen. Die USA hat immer noch eine sehr dünne Besiedelung, und es war von Anfang an ihr wesentliches Wachstumspotential, große Landstriche vermeintlich veröden, zur Müllhalde werden lassen zu können. Beim Fracking mit dem Vorteil, daß man noch weniger sieht. Vorerst. Es findet völlig in der Unterwelt statt. Da kann man schon noch etwas mehr riskieren. Gewinne ohne Liebe zum Boden, der zum Gestellt (Heidegger) wird, zur Vorhalte von Zehrvolumina - sie waren und sind das Prinzip der USA.

Wollen wir auch nicht in die Schreibstuben der PR-Abteilungen von Siemens gucken, denn irgendwohin müssen all die Propheten einer paradiesischen Zukunft ja ihre Beglückungsprodukte weiterhin verkaufen.* Wo die Tastaturen glühen und die Bewirtungskosten deutliche Steigerungen aufweisen, denn wenn Ranga Yogeshvar im European meint, daß die Energiewende nur funktioniere, wenn zugleich ein "Bewußtseinswandel" stattfinde, dann hat er den Nagle auf den Kopf getroffen: Nur die Gleichschaltung der der Gehirne der Menschen macht ein solche Energiewende möglich. Ach nein, wir adeln das, machen es zu einem "Jesus-Bewußtsein", und wie immer dieser Bewußtseinswandel genannt wird, der uns zu Göttern  machen soll. Das Wesen des Menschseins pervertierend.

Die - auch das spricht Yogeshvar an, nur meint er alles natürlich ganz anders, gewissermaßen naiv-utopistisch, und das hat doch viel Charme, nicht wahr? - eine Zusammenschaltung von Verbrauchern wie Produzenten zu sehr dichten Netzwerken benötigen, wo jeder eine kleine Schaltstelle in einem großen, zentral gesteuerten Netz ist, zum Allgott erweitert.

Elektrizität steht quer zum menschlichen Leben. Anders als der Mensch, dessen Historizität und Realität auf dem Zusammenfassen von Vergangenheit und Zukunft in einem schöpferischen Jetzt beruht, funktioniert Elektrizität nur als "ständige Gegenwart." Sie bildet damit tatsächlich die Wirklichkeit der Zeit selbst sehr unmittelbar nach (aber: auf der Ebene der zerfallenen, umrißhaften Schatten, nicht der inhaltsvollen Wirklichkeit!). 

In der die Vorhandenheit der Welt aus der Berührung mit dem nie unterbrochenen Fluß der Energeia, der Dynamis des Welthervortreibenden - der Begriff Gott schwebt über den Tasten, lassen wir ihn aber noch dort -aufruht, auf dem "Anschluß" an diese apeirische, raumlose Zeit, die reine Potentialität bleibt, die sich dort blitzhaft (die Metaphorik ist nicht zufällig so passend, und im übrigen: uralt: Gott und Blitz war immer eine Analogie, die in den Zerfallsformen zur Vergötzung führte) in die Geräte der Welt entlädt, wo sie ihn mit ihrem Eros, ihrer Empfangsbereitschaft anlocken.

Elektrizität als "Energieform" funktioniert deshalb nur, wenn dieser apeirische Raum beherrscht wird. Was natürlich nicht möglich ist. Deshalb ergreift Elektrizitätserzeugung alle Vorbedingungen zur Welt selbst - sie greift in egal welcher Form massiv in die Landschaft ein, den Träger der Weltdinge, und baut ihn zum apeirischen, transzendentalen (das Dahinter der Dinge "für sich" darstellend, seiend) Raum um, der sich rund um die konkrete Welt dreht, selbst "neutral", "raumlos". Aus dem alles erfließt, was Gestalt der Welt zu ihrem Selbstvollzug braucht. Als elektrischer Strom. Der "sauberen" Energie.

Nur vorhanden in Aktualität, nicht speicherbar (jede Speicherform ist dies ja nur im übertragenen Sinn, indem sie andere Prozesse zwischenschaltet, anwegt, in Gang hält, bis diese selbst "Strom" erzeugen, unter geringeren, meist aber enormen Wirkkraftverlusten, betrachtet man eine bloße Energiebilanz) braucht Elektrizität ein ständig aktuelles, offenes Netz. Das weiter auszubauen, vor allem zu einem bipolaren Netz, wo jeder Erzeuger wie Verbraucher gleichermaßen wird, diesen "Bewußtseinswandel" bedeutet. Analog zum Internet, wo dieselbe Illusion herrscht, dieselbe Phänomenologisierung des Immanenten - die Rückwirkung des Einzelnen auf das Ganze. Sodaß jeder Bildschirmbesitzer der Meinung ist, er könnte die Weltbeeinflussen, weil "seine Meinung zählt". Hier fließen Meinungen, dort fließt Strom. Jeweils mit direktem Draht zum Herz. Die Bewegung ist dieselbe.

Und die Struktur. Als neues Netz des Zentralismus, in dem die Peripherien ihren Takt von dieser Zentrale her beziehen. Denn was nie bedacht wird: Taktung ist nicht einfach das Ergebnis des Zusammenflusses von Input. Taktung ist eine Entscheidung, weil es die Eigenrhythmik eines Dings ist, das nur ein Ding wird, weil es zu einem "gesprochen" wird. Indem es zum Begriff wird, wird es in seinen Grenzen und in seinem Eigenwesen bestimmt und bestimmbar. Anders als die Israeliten, um nur ein Beispiel zu nennen, die Gott für nicht benennbar hielten, wie er selbst es ihnen mitgeteilt hat. Ein Stromnetzt MUSZ benannt werden. Es muß zu einem Begriff mit Eigengesetzlichkeit werden. Und das wird es.

Wie bei Jehowa - noch einmal: wir sprechen von einer funktionalen Nachbildung, nicht von einem wirklichen, inhaltlich gefüllten "sein wie" - sind es dann diese Gesetze, die unsere Lebensregeln werden. Das ist nicht diskutabel, das IST so. Und darin greift es das Wesen des Menschlichen an - die Freiheit. 

Denn Freiheit ist nicht die Möglichkeit, "zu tun was einem gerade einfällt". Freiheit heißt der Selbstvollzug der Selbstmächtigkeit, in diesem Zusammenziehen von Vergangenheit und Zukunft. Als Akt. Nicht als "Extrabonus" zu einem ansonsten brav gelebten Leben. Sondern der Selbstvollzug des Menschen, seine Menschwerdung selbst, ist nur dann gegeben, wenn er aus Eigenverantwortung ins Nichts der Zukunft hinaussteigt, und dorthinein seinen Namen setzt. Und damit Welt weitertreibt, weil Zukunft erst schafft. Nur dann gibt es Zukunft. Nicht aus dem Kalkül der Vergangenheit, das Energiemengen verwaltet. Je strikter und umfassender die Lebensvollzüge aber geregelt werden, und das ist die conditia sine qua non solcher Netze, der Elektrizität generell, je mehr man sie "optimiert", desto weniger Freiheit ist noch möglich. Der Drang zum Selbstvollzug sucht sich dann psychologische Ersatzwege. Zum Beispiel im Fanatismus. Weshalb Fanatismus und Zentralismus Geschwister sind.

Die Wahrheit der Welt liegt nicht in Ampere und Watt. Sie liegt hinter den Gestalten, als Formprinzipien. Ob im Froschschenkel oder im Gezeitenkraftwerk, es sind dieselben Wirklichkeiten, dieselben Tafelgesetze der Götter und Abgötter, die dahinterstehen. Zeit läßt sich aber nicht sparen, sie ist darin wie Strom, sie läßt sich nicht aufheben für eine zukünftige Qualität. Sie muß im Jetzt geschaffen, und im Jetzt angewandt werden. Wer meint, sie produzieren zu können, muß - wie bei der Elektrizität - die Welt selbst lähmen, stilllegen, töten, in immer weiteren Kreisen. 

Zurück bleiben Wüsten, durchzogen von Wankenden, die von einer Fata Morgana zur nächsten taumeln, weil sie Zukunft "ermöglichen" wollten - ohne sie zu schaffen. Als treue, gehorsame Diener der Götzen. Dann, gleichgeschaltet, unfrei, haben wir ihn auch - den Frieden, den Yogeshvar meint. Als Abwesenheit des Krieges. Tote kämpfen tatsächlich nicht mehr, sie haben keine Reibungspunkte mehr, die sie zu einem Neuen Jetzt verknüpfen, als Raum, als Welt. Theresia von Avila beschreibt es in einer ihrer Höllenvisionen sehr genau: Da gibt es keine Zeit mehr. Die Welt der Hölle steht. Und Franz Werfel nennt es in seinem "Jeremias" beim Namen, als Jeremias in die Unterwelt reist: Wir bekommen immer nur, was wir wollten.



*Da steht ganz zufällig in der Zeitung unter dem Artikel, daß die Solarförderung soeben 36 Mio Euro zur Verfügung gestellt hat, ein Artikel daß bei Siemens Österreich 300 "Jobs wackeln". Man sieht sie förmlich, die Siemens-Nadelstreif-Kostümchen, wie sie im Büro der Minister antechambrieren, und drei Wochen später die Meldungen über weitere Förderungen für "nachhaltige, saubere Energie" die Redaktionsschreibtische anfüllen. Obwohl selbst die EU - und das will was heißen - den Unsinn solcher Förderungen längst erkannt hat. Immerhin, wir wollen doch alle nur das Beste!? Wobei, solche Peanuts werden auf der Ebene der stellvertretenden Abteilungsleiter abgehandelt, die großen Linien werden auf hoher Ebene bei den Festspielen in Bonnerswyl abgestimmt.




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