"Denken, auf jeden Fall Sein-Denken - ist in sich ein Vernehmen. Wir sprechen im Deutschen von der Vernunft, aber auch von der Stimme der Vernunft. Wenn wir beides zusammenbringen, so stehen wir vor dem Selbstunterschied der Vernunft als einer sowohl kündenden als auch diese Kunde vernehmenden Vernunft. Die Koinzidenz von Künden und Vernehmen, von Reden und Verstehen der Rede macht Vernunft aus.
Für sich genommen würden sich Bestimmungen dieser Art sehr abstrakt anhören; sie werden faßlich auf dem Grunde des Selbstunterschieds des Sein-Denkens.
Die Vernunft ist kein rein empfangendes und kein rein hervorbringendes Vermögen. Sie interpretiert sich selbst; d. h. sie interpretiert, was wir schon denken (den in sich bestimmten Eindruck), durch das Wort. Und ebensogut könnte man sagen, daß wir interpretieren, was sie schon denkt.
Der Gegensatz zwischen uns und der Vernunft, die je unsere ist, hat hier seine Quelle. Die Vernunft ist dieses Sichinterpretieren. Der Charakter des Selbst, der ihr im Unterschied etwa zu dem Vermögen der Wahrnehmung zukommt, erwächst aus der immanenten rückwendig-produktiven Bewegung (s. G. Misch), die Denken des Denkens ist.
Das Problem der Vernunft ist das Problem des Gefühls, das zu uns spricht. Wir müssen ünden, was es kündet, wenn es künden soll."
Josef König in "Sein und Denken"
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