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Dienstag, 14. Juni 2016

Ein wichtiger Gedanke

Vielleicht war es sogar zu selbstverständlich früher für Europäer. Aber Erwachsenswerden heißt sogar in allererster Linie, realistisch zu werden und das heißt: mit Ungerechtigkeit leben zu lernen! Denn die Welt läßt sich nicht auf eine allerorten und allerzeiten gerechte Linie bringen. Dazu müßte der Mensch seine Verfaßtheit der Freiheit aufgeben.

Gerechtigkeit ist ein Ideal, und genau als solches - nie erreichbar, schon deshalb, weil MAN SELBST NIE VÖLLIG GERECHT IST - entwickelt es seine Kraft. Als logos. Als Spannung, auf die hin immer wieder aufzustehen ist. Aber sie muß in Klugheit eingebettet sein, und Klugheit heißt auch nicht strategiche Durchtriebenheit, Falscheit. Klugheit heißt ein Einbeziehen der realistischen und realen Bedingungen. Und dazu gehört vor allem - VOR ALLEM - das Einbeziehen der sich immer wieder ("täglich sieben mal siebzig mal" fällt selbst der Gerechte!) ereignenden Unsachgemäßheit, Ungerechtigkeit, Bosheit und Verlogenheit und Getriebenheit und ... und DENNOCH nicht die Solidarität mit dem Nächsten aufzugeben. Die ja eigentlich eine Stellvertretung ist: ALS Menschheit vor Gott, dem Sein.

Es heißt auch, dem Nächsten immer wieder und täglich neu zuzutrauen (aber: auch verlangen zu können, also: auch täglich sieben-mal-siebzigmal neu zuzumuten, aufzustehen. Nie aufzuhören, damit zu rechnen, nie aufzuhören, sie selbst zu versuchen. Permanent wieder anzufangen, wieder zu beginnen zu versuchen, Gerechtigkeit walten zu lassen - und zu erwarten. Trotz Beleidigung, trotz Unrecht, trotz Boshaftigkeit. Ohne ihm je Freiheit und Verantwortung abzusprechen, weil man ihm damit das Menschsein abspricht.

NUR so kann fruchtbare Kultur und Volk und Staat entstehen und bestehen. Durch Sündenvergebung und durch Sühnebereitschaft als Mittragen der Schuld des anderen, zumindest weil man weiß, daß man selber ständig fehlt.

Ach ja - da nannte man Christentum. Denn das Unerhörte an Jesus Christus war genau das: Sündenvergebung. Wieder und wieder. Sühne. Wieder und wieder. Ach ja - auf DIESEM sittlichen Boden entstand das Abendland.




*090616*