Teil 2) Und der Gründe mehr und mehr
Sie
 zeigt nicht wie in diesem Fall, daß seit Jahrzehnten nie substantielle 
Tilgungen der alten Schulden stattfinden, sondern Steuern mehr und mehr 
nur noch in den Zinsendienst gehen. Auch die Privatisierungen - also 
Erlöse aus dem Verkauf ehedem staatseigener Vermögenswerte und 
Unternehmen - wurden nur ins Budget gestopft, wo sie auch wahre Wunder 
vollbrachten (Nulldefizite!) Sie wurden aber nicht benutzt, um Schulden 
abzutragen. 
Waren
 bisher alte Kredite fällig, etwa durch Anleihentermine, wurden nämlich 
einfach neue Kredite aufgenommen, die die alten "rückzahlbar" machten. 
Oder man denke an das schöne "sale and lease back"-Verfahren, mit
 dem sich seit Jahrzehnten öffentliche Budgets elegant aus 
Liquiditätsengpässen halfen, indem sie öffentliche Anlagen (von den 
Straßenbahnwaggons über öffentliche Bäder und Kanalnetze etc. etc.) 
"verkauft haben", um sie gleichzeitig zurückzumieten, und dabei die 
allfälligen Einnahmen (also Gebühren, Eintrittsgelder, usw.) als 
Rückzahlung abtreten. 
Was
 in dreißig Jahren damit ist interessiert heute ohnehin noch niemanden, 
denn es pressiert ja immer, irgendeine Notsituation findet sich 
tatsächlich immer, die um des größeren Ganzen willen einen kleiner 
bewerteten Nachteil rechtfertigt. Etwa den, daß jede Investition, jedes 
Anlagegut seinen Neuanschaffungswert in der Zeit einspielen müßte, die 
sie besteht, sonst kann man (über laufende Sanierungen etc.) nicht 
einmal die Substanz erhalten. Das Schienennetz in England, das 
Straßennetz in Deutschland sind Beispiele dafür. Also muß man am Tag X, 
der notwendigen Erneuerung, wieder einen Kredit aufnehmen, um die 
Neuinvestition zu finanzieren.
Im
 Budget (einer vereinfachten Gewinn-und-Verlust-Rechnung) finden sich 
ohnehin nur die Zinsen, also die gerade realisierten und zu tätigenden 
Geldflüsse. Eine Kapitalbilanz gibt es für öffentliche Einrichtungen in 
Österreich nicht. Darum weiß in Wirklichkeit auch niemand so wirklich 
genau, wie es um heimische öffentliche Finanzen steht. Und in Zeiten, in
 denen die Zinsen sinken, wie seit einigen Jahren der Fall ist, und aus 
genau diesem Ursachenzusammenhang (sonst wäre 2008 fast jeder Staat 
Europas pleite gegangen, zumindest schwerstens erschüttert worden), ist 
fast jedes solcher Probleme der Geldbeschaffung ohnehin recht leicht zu 
lösen. Ein Anruf bei der EZB genügt, sozusagen. Dann erwirtschaften 
Staaten sogar einen Budgetüberschuß, über den sich alle freuen - und 
verschulden sich in Wahrheit noch weiter. 
Auch
 Bankenhilfen sind da ein gelungenes Beispiel ausgeklügeltster 
Finanzierungstechnik der Moderne. Der Staat half 2008 durch 
Stützungskredite, zugleich erhielt er Bankenanteile zum Pfand. Die Bank 
war also wieder liquide und gut kapitalisiert, und zwar so lange, als 
sie der Staat eben stützte, während sie umgekehrt für den Staat 
"Vermögen" darstellten, also für diesen keine "Ausgaben" nötig waren, 
WEIL sie eben vom Staat garantiert wurden. 
Die
 Rückzahlung dieser Stützen mußten oder durften sich die Banken dann 
eben bei den Kunden wiederholen. Was wiederum eine restriktivere 
Kreditpolitik seitens der Banken zur Folge hatte, die wiederum der Staat
 durch billige Kredite verhindern mußte, weil sie das BIP gesenkt hätte,
 also wurden höhere Spannen für die Banken etabliert, sich selbst ein 
Netz internationaler Solidarhaftung verordnet (ESM) damit 
Staatsgarantien nominell werthaltig blieben ... und so weiter, und so 
fort ... Auch das alles mündet übrigens irgendwann oder gleich in eine 
zumindest indirekte Steuer. 
Seit Jahrzehnten werden nirgendwo mehr Schulden aufgenommen, um absehbar zurückgezahlt zu werden
Daß
 Schulden aufgenommen und auch gleich wieder zurückgezahlt werden glaubt
 ja nur der einfache Maxi. Schon Unternehmer wissen es besser, die sich 
auf ausgefeiltere Finanzierungsmechanismen eingelassen haben. Sie 
wissen, daß Schuld nur dort und so lange ein Problem ist, als eine 
zukünftige Ertragskraft glaubwürdig dargestellt werden kann, in die auch
 irgendwann eine Schuldrückzahlung einberechnet ist. Da stört auch das 
eine oder andere Jahr mit Miesen in der GuV nicht wirklich, alles hat 
Gründe, udn wenn man die Gründe erkannt hat und gegensteuert, ist die 
Glaubwürdigkeit flugs wieder hergestellt, und weitere Kredite können 
fließen, um diese pure Liquiditätslücke zu schließen. Das kann oft sehr 
kompliziert werden, und manche Branchen (wie die Baubranche) sind da 
Weltmeister, dabei durchaus nicht verlogen, aber eben sehr findig, denn 
die müssen in der Regel mit enorm hohen Anteilen Fremdkapital arbeiten, 
viel vorfinanzieren, haben langfristige und auch noch bedingte 
Forderungsbestände, Haftungsrücklässe, Halbfertigwaren, verschiedene 
Rangbewertungen von Forderungen (etwa alleine im Spagat zwischen 
Privatkunden hier, Unternehmen als Lieferanten dort, mit 
unterschiedlichen Gesetzen und Usancen) usw., usf. Weshalb es bei 
Baukonkursen oft die größten Überraschungen gibt, denn ein 
Bauunternehmen kann aktiv und in Gewinnhoffung viel wert sein, und ist 
buchstäblich am nächsten Tag fast wertlos. Da kennt sich der VdZ 
(leider) ein wenig aus.
Wie
 hoch die Schulden Österreichs sind (also: Verpflichtungen, als bereits 
eingegangene Verpflichtungen, also Schulden und Steuern der Zukunft) 
weiß niemand so ganz genau. Es gibt verschiedene Hochrechnungen, 
Schätzungen, wenn-dann-Rechnungen. Die plausibelste ist, daß Österreich 
(und so gut wie jeder Staat Westeuropas) einen Verpflichtungs- (also: 
potentiellen, aber nicht aktualisierten Schulden-)Stand hat, der das 
DREIFACHE eines BIP ausmacht. Also drei Jahreseinkommen aller seiner 
Bewohner insgesamt ausmachen.
Wirkliche
 Rückzahlungen, die auch den Schuldenstand senkten, sodaß auch die obere
 Kurve wieder nach unten gehen bzw. flacher werden würde, würden eine 
tatsächliche Beschränkung der Ausgaben verlangen und damit den 
Aktionsradius der aktuellen Politik einschränken. Das hieße weniger 
öffentliche Investitionen, weniger Beamte, weniger Sozialausgaben usw. 
Nur hat die Politik dazu seit Jahrzehnten keinen Mut, und vermutlich 
auch gar keine Ideen, wie man das machen könnte, ohne gleich und radikal
 an die Wand zu fahren. Und vor allem lassen sich damit, so ihre Angst, 
keine Wahlen gewinnen. Die müssen sie aber gewinnen, weil der Staat ohne
 sie ja sowieso vor die Hunde geht.
Morgen Teil 3) Der Wettlauf zum Totalitarismus
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