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Donnerstag, 16. Juni 2016

Kampf sehr starker Naturen

Papst Sixtus V. (1521-1590)
Die Abneigung, ja der Haß des Papstes Sixtus V. gegen den spanischen König Philipp II. generell, und gegen dessen Botschafter im Vatikan, Graf Don Enrigo speziell, war legendär und bekannt. Angeblich hat der Ärger über den spanischen Botschafter Don Enrige den Papst sogar ins Grab gebracht, aber das ist wohl übertrieben. Beigetragen hat er aber sicher.

Beide Männer des späten 16. Jhd. waren dabei sowieso höchst unduldsame, reizbare und unnachgiebige, herrische Charaktere. Deshalb schlug die Großmannssucht und Arroganz, die die Spanier an den Tag legten, dem Papst schwer aufs Gemüt, denn er konnte kaum etwas dagegen sagen. Immerhin war das Spanien des Philipps II., in dem er seinem Vater Karl V. als König gefolgt war, so groß und reich und mächtig, daß der Papst schon deshalb stets einen auskömmlichen Weg suchen mußte. Weil er von den Spaniern ja lebte. Aber es fiel ihm nicht leicht ...

In einer in Madrid aufbewahrten Handschrift finden sich etliche Anekdoten, die daraus erstanden und die der spätere Staatskanzler Olivares - eine der wichtigsten europäischen Figuren des 17. Jhd. -, niederschreiben hatte lassen. Und die den Anspruch der Spanier, den sie aus ihrer politischen Macht ableiteten, recht deutlich machen. 

So sei bei Banketten im Vatikan üblich gewesen, daß Botschafter Don Enrige ständig mit der Tischglocke nach Dienern läutete, wenn er etwas wünschte, und ihnen Aufträge erteilte. Das war nicht nur ein Affront gegen die Gastlichkeit, sondern dem offiziellen Protokoll nach war die Tischglocke überhaupt nur den Kardinälen und dem Papst vorbehalten.

Also schickte Sixtus V. einen Diener zu dem Spanier, der ihm die erst noch höfliche Bitte überbrachte, er möge doch fürderhin das Läuten der Glocke unterlassen, es sei Angelegenheit der Kardinäle und Gastgeber, sich um sein Wohl zu kümmern. Dieser höflichen Bitte entsprach der Spanier natürlich nicht. Also schloß sich der französische Botschafter mit einer Petition an (der den Spaniern sowieso nicht wohlgesonnen war). Als auch das nichts nutzte, und um noch eins draufzusetzen, gab der Papst schließlich ein Breve heraus, in dem er Don Enrigo kirchliche Strafen, im Extremfall sogar die Exkommunikation androhte - wenn dieser die Tischklingel nicht in Ruhe lasse.

Der Spanier war empört, und insgesamt dreimal lief er in höchstem Zorn zum Papst, um die Rücknahme dieser Ungehörigkeit zu verlangen. Immerhin sei er der Botschafter des größten Herrschers des Erdenrunds, und der spanische Anteil an den Einnahmen der Kurie betrage mehr als alle übrigen Einnahmen zusammen. Dabei hatte der wütende Spanier sogar noch die wenig charmante Art, sich ständig zu "versprechen", indem der den Papst nicht mit "Eure Heiligkeit" sondern "Eure Undankbarkeit" ansprach. Aber der Papst gab nicht nach, der Spanier durfte fürderhin die Tischglocke nicht mehr angreifen. 

Aber der gab sich keineswegs geschlagen. Denn nun gab er jedesmal, wenn er einen Wunsch an die Dienerschaft hatte, einen Pistolenschuß ab, was nicht nur die Tischgesellschaft in Schrecken und Verwirrung, sondern auch die Nachbarschaft in Rom regelmäßig in hellste Aufregung versetzte. 

Schließlich gab sich der Papst geschlagen. Er sandte neuerlich einen Diener zum Botschafter Phillips II., nachts. Um diesem mitzuteilen, daß der Papst bereit sei, das Privileg der Tischglocke wieder zu gewähren, wenn Don Enrige sich verpflichte, dieses Herumgeschieße mit der Pistole zu unterlassen. 

Seitdem besaßen die spanischen Botschafter beim Heiligen Stuhl das Privileg, die Tischglocke zu bedienen.




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