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Donnerstag, 30. Juni 2016

Und in Dornenhecken verborgen

Nun ist die mittlerweile fast flächendeckend ausgebreitete, die junge Generation nahezu ausnahmslos deckende Erscheinung wie die "Zweite Weisheit" das direkteste Zeichen des Kulturverfalls, das denkbar wäre. Umso mehr, als es natürlich der Zeit - die darin steckt - verborgen bleibt. Und sie hat auch ihr Führungspersonal, ihre Leitfiguren gefunden, bzw. jene diese.

Denn die "Zweite Weisheit" dient ja nur der Absicherung, sie ist selbst Schutzmechanismus, autorisierte Moralhoheit. In der sich die Lebenspraxis im Faktischen einrichtet und sich der lästigen Spannung zum logos entledigt. Trennung von Dogma und Pastoral - es ist wie ein Leisten, über den sich die Gegenwart brechen läßt.

Denn darum geht es ja. Darum geht es auch in der Entwertung des Geistes, des wirklichen Denkens in Freiheit und Distanz, in der Spannung des logos zum faktischen Zustand, welcher man sich entledigen möchte und eine neue Zufriedenheit als Paradigma von Lebensglück ausruft,in dem es sich jeder "nach seiner Facon" einzurichten vermag. 

Sie ist in den Trägern einer Kultur vermittelt worden, in den herausgebrochenen, emanzipierten Frauen der Selbstbestimmtheit, in der Depotenzierung des Vaters - dem Erfahrensgegenstand weil der Verkörperung des logos. Wo der Vater aber nicht mehr das Gesollte bestimmt, die immer vorausliegende Form, der es zu genügen gilt - während die Mutter Prinzip der Barmherzigkeit, der Milde, der Güte, des Bergens in der Müdentheit - dort gibt es auch keinen Geist mehr. 

Wo die Mutter zum Maßstab wird, und nicht die die den Maßstab des logos bergend aufnimmt, ihn als Ziel zeigend (Zeigen, das Prinzip des Lehrens und Lernens!) weitergibt, auf den ihr fremden weil polar gegenüberstehenden logos hinweist, fällt alles nicht nur in sich, sondern wandert ins Minus, in die Vergangenheit.* Und der Ort löst sich auf, denn logos heißt - Ort, getaucht in logische Beziehungen, erst so wird er ja zum Ort. Die Sprache löst als Sinnträger auf, sie wird zur Fuchtel einer Funktion, zur "Information", zur Anweisung, zur Vernebelung, der Begriff wird sinnlos. 

Die Königin Sophia, Schönste aller Schönen, wird davongejagt, in das Schloß hinter den sieben Bergen verbannt, und mit dicksten Dornenhecken umgeben, eines Prinzen harrend, der sich ohngeachtet der Stachel zu ihr dereinst durchschlägt. Der den Mut der voranwehenden Fahne wieder in die Welt bringt. So lange aber schäft sie, erstickt am Lügenbissen der neiderfüllten Weltenhure.**

Denn in der Welt draußen, da hat logos keine Aufgabe mehr, er wird zum lästigen und weil unsinnlich scheinbar so leicht zu verbannenden Anhängsel, deren so sorgsam zu hütende Jungfräulichkeit zum Hohn der Lebensgefräßigkeit wird. Der man freilch dies und das zugesteht, sie zu verwüsten wagt man denn doch nicht. Aber es hat keine Lebensrelevanz mehr, es ist ein Schnörksel am Karren Welt, der freilich ganz woanders hinfährt, und von dem der logos keine Ahnung, in dem er keine Relevanz hat. Also verbannt man ihn.

Hier trifft sich die Jugend mit dem Alter, das dankbar in den Chor einstimmt, selbst schon vatermüde und mutterstark aufgewachsen, und sich der Auseinandersetzung mit den ihnen schon vergangenen Lebensversäumnissen erspart.

Wo aber der logos irrelevant wird, kann es keine Kultur mehr geben. Dort wird Kultur zum Verweser vergangener Kultur, gibt es Gestalt nur noch so weit und so lang, als alte Substanz zum Verzehr geboten wird.

Und NEIN. Selbstverständlich beruht die logos-Verweigerung nicht auf einer logos-Losigkeit. Im Gegenteil, ist es ihr Dämon. Den sie aber vorzieht. Denn der verlangt die Zahlung erst in einer dem logos-Verweigerer eben nicht sichtbar sein müssenden Zukunft. Der ihm gestattet, er die Gegenwart über den Zaun der Müllhalde zu werfen, wohinter sie vorerst nicht mehr zu sehen ist. Der logos-Verweigerer ist ein Kreditmensch. Was wunders, daß seine Zeit in Krediten untergeht, die eine Höhe erreicht haben, die ihm schon kategorial gar nicht mehr sichtbar ist, die ihm erst der logos sichtbar machen würde?



*Die Menschheitsgeschichte zeigt es deutlich: Wo immer sich Kennzeichen eines solchen Matriarchats zeigen, ist eine Kultur binnen kurzem verschwunden. Denn die Welt, die ja bestehen will, holt sich den logos zurück, und löscht aus, die ihn verbannten. Sehnsuchtsvoll seufzend begrüßt von den ... Müttern.

**Oh ja, das Volk wutße es im tiefsten Inneren, immer, und hat es in seinen intuitiven Geschichten so klar gesagt und weitergegeben. Nur können wir sie nicht mehr verstehen, denn wir können nicht mehr lesen, wir wollen und können nicht mehr erzählen. Wo ein Volk aber aufhört, sich die alten Geschichten wieder und wieder zu erzählen, den Traum seiner selbst zu bewahren, wird seine Sprache leer, und damit muß es versinken.





*140516*