Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 19. Juni 2016

Gerade diese Ehen aber sind ungültig (1)

Im Musical Anatevka stellt der Milchmann Tevje eines Tages die Frage an seine ihm seit 25 Jahren angetraute Frau, ob sie ihn liebe. Sie versteht die Frage nicht, denn - sie weiß es nicht. Sie weiß nur, daß sie ihm seit 25 Jahren die Wäsche macht, die Kuh melkt, die Kinder geboren hat, für alles im Haus sorgt - sie weiß nicht, ob man das Liebe nennt? Eigentlich aber, meint sie, muß man es annehmen. Und darin hat sie ziemlich recht. Denn die Liebe ist etwas, das man an den Wirkungen erkennt, nicht an "sich selbst". Wer sie "als sie selbst für sich selbst" kennenlernen will, begeht einen schweren Irrtum.






Diese Stelle aus dem Musical ist wichtig. Sie sagt mehr über Liebe aus als sämtliche Homilien, die der VdZ seit Jahrzehnten gehört hat. Die Art nämlich, wie nach der Liebe gefragt wird, ist eine Unsittlichkeit. Ist der Versuch, ein immanentes, selbstverständliches vergegenständlichen zu wollen. 

Die Ehe ist ein Ursakrament. Das heißt, sie ist in der Natur des Menschen nicht nur als schöne, äußere Form angelegt, sondern sie macht den Menschen überhaupt erst zum Menschen. Denn der Mensch ist nicht dafür gemacht, allein zu sein. Er ist in der Polarität von Mann und Frau gemacht. Und die Ehe ist sein Weg - ein Weg, kein fertiger Zustand, den man abholen kann, wie man bei Media Markt einen neuen Videorekorder kauft - zur Menschwerdung selbst. 

Sie ist deshalb zuerst und vor allem auf der Zueinanderordnung der Geschlechter gegründet. Und das heißt - in ihren jeweiligen Positionen als Aufgabe aneinander, als Ort sich zu finden FÜReinander. Die Ehe berührt nämlich zuerst und als Menschwerdung die Werdung weil Schaffung einer Identität, das ist der Ort der Menschwerdung. Und diese braucht einen Initialakt. Der bei der Namensgebung beginnt.

Nicht also ist es so, daß sich die Ehe schließen läßt, um dann die Funktionen zu bestimmen, sondern umgekehrt: Erst sind die Beziehungsweisen zueinander, und darauf kann eine Ehe aufsetzen. Die dann in ihrer Initiation zum einen den formalen Akt - den kultischen Akt! - braucht. Und die zum anderen an die Öffentlichkeit untrennbar gekoppelt ist. Die Öffentlichkeit ist für die Ehe - Identität kann nur als eine Seite der Medaille gesehen werden, deren andere die Öffentlichkeit, die Gesellschaft, die Umgebung ist, die Ehe, die dieser Einheit, diesem Menschwerden einen Namen ZUSPRECHEN, anerkennen, Namen akzeptieren, bestätigen muß, weil sie es ist, die den Identitätsgründungsakt mit Inhalt füllt - unerläßlich.

Und dieses Gegenüber ist nicht nur die sogenannte Öffentlichkeit, sondern diese wiederum steht für das Sein selbst, dem der Mensch vom ersten Moment seines Seins begegnet, dem er gegenübersteht, und zu dem er sich verhalten muß. Der Priester als Zeuge (samt "Trauzeugen") ist mehr als bloßer Signifikant, er ist Mit-Zeugender, als zweite Seite der wirklickeit einer Ehe, der Öffentlichkeit.  (Die der orthodoxen Kirche mit ihrem weit kollektivistischeren Verständnis sogar so wichtig ist, daß sie überhaupt einem Sakramentenverständnis näher steht, das "die Kirche" - den Priester - die Ehe stiften und sakramental begründen sieht.)

Das sich dann in vielfältigen Wesen zeigt, dem Ort der Konkretisierung, dem Ort der Weltwerdung. Und hier - im Wesen der Ehe als Beziehungsfeld innerhalb eines gigantischen endlichen, aber unausschöpflichen Mosaiks, das die Welt dann ist.

Deshalb erfüllt sich die Ehe zuallererst nur, wenn sich die Eheleute in der geschlechtlichen Stellung begegnen, die in ihnen sogar physisch angelegt ist, die darauf verweist: Hier der Gebende, der Aktsetzende, dort die Empfangende, die Aufnehmende, Nährende und Aufziehende. Die geschlechtliche Polarität ist deshalb genauso eine Hierarchie, wie es die Beziehungen aller Dinge dieser Welt zueinander sind. Alles steht zueinander in einer Hierarchie, in den Außenbeziehugnen nicht weniger wie in sich, in der inneren (analog trinitarischen) Wesenswirklichung. 

Eine Ehe, die nicht auf dieser (hierarchischen, das heißt: geordneten) Zueinanderstellung beruht, kann gar nie eine Ehe werden. Wenn es deshalb in einem Staat, in einem gesellschaftlichen Gesamtfeld Verordnungen und Gesetze, Sollensvorschriften gibt, die diese hierarchische Zueinanderordnung aufheben oder stören, so kann es zu einem gesamtgesellschaftlichen Klima kommen, in dem Ehe generell unmöglich wird. Diese gesellschaftliche Dimension wird oft sträflich vernachlässigt, für nebensächlich gehalten und ignoriert. So, als wäre ehe eine auf moralischer Höchstleistung basierende Institution. Das ist sie aber nicht. Denn sie ist ihrem Wesen nach auf Außenwirkung angelegt. Erfährt sie eine falsche, nicht wesensgemäße Rückmeldung, kann sie diese gar nicht ignorieren, weil sie sonst wiederum dem Wesen der Ehe zuwiderhandelt - im Empfangen. Sie wird zu einer freischwebenden "Idee", die aber keinen Boden findet.

Auf diesen (und noch mehr) natürlichen Gegebenheiten beruht die sakramentale Ehe. Die auf dem Sakrament der Taufe aufbaut, insofern also auch nicht für sich betrachtet werden kann. Sie ist wie jedes Sakrament die Rückgliederung der von Gott losgerissenen Welt (die dem Menschen zugeordnet wie untergeordnet ist) in die im göttlichen Wissen gegründet wie von dort hervorgehende Gesamtordnung der Schöpfung, in der sich Natur wie Übernatur in einem Übereinanderstehen finden. Gratia supponit naturam - die (sakramentale) Gnade braucht die Natur, sie setzt sie voraus, sie folgt ihr.

Es gibt noch einen Grund, warum hier Anatevka zitiert wird. Denn was dem VdZ an diesem Musical so gut gefällt ist die Selbstverständlichkeit, die er als das eigentliche Thema sieht. Der VdZ hat einmal den Spruch geprägt "Ins Bewußtsein steigt als Bild, was in der Realität fehlt." Und Viktor Frankl stellt es in das Bild "Das Auge sieht sich erst, wenn es krank ist." Keineswegs ist es ein Mangel an den Dingen, wenn sie ihre Natur still und selbstverständlich vollziehen, ohne je darüber nachzudenken, was sie tun und warum sie es tun. Sie tun es einfach. Ein fast paradiesischer Zustand. Und je natürlicher, je wurzelnäher eine Sache ist, desto selbstverständlicher vollzieht sie sich. Wo der Mensch einmal über das Atmen oder das Essen nachzudenken beginnt, ob es gesund oder nicht sei etc. etc., ist er bereits schwer krank.

Deshalb ist es keineswegs ein Defekt, wenn junge Menschen "einfach so" heiraten wollen. (Daß die mangelnde Reife heutiger jungen Menschen eine Adoleszenz standardmäßig gar nicht mehr passieren läßt, selbst 30jährige über ihre Pubertät nicht mehr hinauskommen, ist ein anderes Problem.) Denn der Mensch will "einfach so" heiraten, ohne zu "wissen", als Denken zu wissen, warum und wofür.  Deshalb ist es auch keine gute Idee zu verkünden, daß die Eheabsicht doch genauer zu prüfen sei. Worauf wartet man da? Auf ein Zertifikat als Mystiker? Daß gerade junge Menschen, denen ihre frischen Körper im Bauch brennen, besonders rasch heiraten wollen, hat etwas sehr Gesundes. Sex und Ehe sind eben tatsächlich nicht zu trennen.

Zu heiraten ist elementarster Teil seiner menschlichen Natur, weil es Teil seiner Selbstwerdung ist, also tief in seinem Wesen angelegt, ja diesem als eine Urtatsache grundgelegt, und deshalb will es auch jeder Mensch. Ob er es weiß oder nicht. Und er vollzieht es, indem er sich ohne zu wissen, wie das geschieht, in dem er einen Partner will und sucht, dem er sich von allem Anfang an (!) und ausnahmslos mit einer Einmaligkeit und Ausschließlichkeit in voller Hingabe - der Überschreibung der Verfügung über seine Leiblichkeit an den anderen! - zuschreibt. 

Das muß auch in den staatlichen Ehegesetzen zum Ausdruck kommen. Wer hier ein Bürgerliches Gesetzbuch von 1908 mit den Ehegesetzen der gegenwart vergleicht, wird sofort begreifen, was sich hier verändert hat. Das Gesetzbuch von vor 100 Jahren beschreibt exakt, was eine Ehe noch ausmacht, indem es erfaßt, was sie bricht und verletzt, ja sogar unmöglich zu führen macht. Das heutige Gesetzbuch verrät, daß die Gesetzgeber von Ehe überhaupt keine Ahnung mehr haben. Daß sie sie als willkürliches legistisches Instrument verstehen, dem sie bestenfalls Nutzen (Nachwuchs für die Armee, vor allem Steuerzahler, etc.) zuordnen können.

Samt ein wenig verbesserter psychischer Stabilität, vielleicht, samt gewissen Vorteilen, wenn man alt wird, wie Hollywood-Filme ja eindringlich beweisen: Ehe, Treue (und das eine oder andere Kind) haben einfach emotionale Vorteile und Nutzen, die man im Alter wie Sahne am Törtchen abschlecken kann. Kirchliches Gerede über Liebe und Ehe aber wirkt oft wie ein abgestandener Absud von Hollywoodfilmen, die dieses lauwarme Liebesgewäsch aufgreifen, das seit 200 Jahren die Menschen verwirrt.

Noch nie aber hat der VdZ einen Kleriker, einen "Eheexperten" (und das wäre ein Kleriker schon aus seiner Natur heraus, denn auch er hat eine Ehe eingegangen) sagen gehört, daß die Gesetze der "Justizreform Broda" in Österreich, die die Ehe Stück für Stück auseinandergenommen haben, etwas mit den Zuständen der Ehe heute zu tun hätte! Noch nie hat es ein Bischof gewagt zu sagen, daß die per Gesetz diktierte Beendigung des "Mannes als natürlichem Haushaltsvorstand" die Ehe in ihrer Wurzel getroffen haben könnte. Noch nie, daß die Scheidungsgesetze (allen voran: die "einvernehmliche Scheidung") eine absurde Scheinkonstruktion sind, die sich mit den eigentlichen Vorgängen im Menschen überhaupt nicht decken, die gar keine Scheidung kennen.

Sämtliche Aussagen, die die sogenannte "katholische Ehelehre" über die Ehe macht, sind aber keine moralischen oder sonstweden "Gebote", sie sind auch und vor allem keine "spirituelle Kraftleistung", die es einzuhalten und anzustreben gälte. Sie sind zuerst und vor allem eine Beschreibung des Wesens der Ehe, das diesem Grundwollen JEDES Menschen immanent sind. Über die im Normalfall gar niemand nachdenkt.

Über die man erst nachzudenken beginnt, wenn eine Gefährdung auftaucht, wenn ein Defekt vorhanden ist. Wenn also - und das ist heute in westlichen Gesellschaften fast ausnahmslos der Fall (während man etwa in Osteuropa oder manchmal bei alten Menschen auch im Westen noch ein weit unangetasteteres, richtiges, aber kaum gewußtes Selbstverständnis von Ehe vorfindet) - die natürliche Ordnung der Ehe gestört ist, weil die Partner sich als "gleichgestellt" definieren wollen, weil darüber diskutiert wird, wie die Aufgaben verteilt werden, wie jeder seine Freiräume sucht weil er die angeblich braucht, wo die Empfängnis zum Diskussionsthema wird, wo Treue als Bindungsfestigkeit und Vertrauensbasis zwar noch als schön und nett gesehen wird, aber nicht mehr, sodaß das Entscheidende am Wachsen der Hingabe und Liebe, Vertrauen, gar nicht erst entstehen kann (sodaß die Eheschließenden oft schon bei Eheschließung Scheidungsverträge aufsetzen, um sich für den Fall der Fälle abzusichern), wo es diese Rücksicherungslosigkeit also gar nicht gibt, die aber Bedingung von Ehe ist (denn Selbstwerdung ist ein Weg vor allem durch die Fegefeuer und Schmerzen des Loslösens von "sich selbst", also von Vorstellung, Begierden, Antrieben "aus sich selbst") - wenn das alles also nicht gegeben ist, dann kommt eine Ehe gar nicht erst zustande.

Deshalb setzt auch eine sogenanne "christliche Ehevorbereitung" in den allermeisten Fällen auf erschütternde Weise völlig falsch an. Deshalb ist sie meist sogar regelrecht wertlos. Weil sie diese natürlichen Bedingungen einer Ehe nicht mehr kennt, und nicht mehr anspricht, und das wenn es davon schon noch etwas weiß oder ahnt: nicht mehr anzusprechen wagt. Weil genau diese natürlichen Voraussetzungen (!) einer Ehe - die Zueinanderordnung der Eheleute zueinander, die Zueinanderordnung von Ehe und Gesellschaft im Außenverhältnis (die somit auch ein gewisses Gepräge der Öffentlichkeit als "Ort des Mannes" trägt und tragen muß) - nicht mehr gegeben sind, DESHALB sind tatsächlich viele, und vielleicht sogar wirklich die meisten Ehen heute UNGÜLTIG geschlossen.

Das ist mit höherer sakramentaler Bewußtheit nicht behebbar.  Denn die Ehe IST ein URSAKRAMENT, das heißt, daß das Sakrament ihr gar nichts hinzufügt, das nicht in der Naturehe bereits angelegrt, aber mangels Sakramentalität - die im eigentlichen Sinn aber bereits die Taufe herstellte - nicht zu seiner vollen Gestalt kommt. Die erst in der Verbindung von Natur und Übernatur, von Natur und Gnade ganz wird. Ganz aber im Sinne von "ganz zu sich selbst geführt", ganz in die ganze menschliche Wirklichkeit hineingestellt, die seine Spitze im Geist hat.  

Deshalb gibt es gar keine von der Naturehe unterschiedene Sakramentale Ehe, letztere gründet zuerst in der Naturehe, und sind beide Konsenspartner getauft, ist auch die Ehe sakramental.


Morgen Teil 2) Aber die Gründe für die Ungültigkeit so vieler Ehen sind völlig andere - Getaufte KÖNNEN GAR NICHT NICHT-SAKRAMENTAL gültig heiraten




*180616*