Es ist erwähnenswert, weil es einen Umstand berührt, den man gemeiniglich heute zu wenig bedenkt. Da hat ein chinesischer Anleger versucht, eine der größten australischen Viehfarmen, die mit einer Fläche von 100.000 km2 so groß ist wie Österreich und Südtirol zusammen, zu kaufen. Fast wäre es schon zum vertrag gekommen, da schaltete sich das australische Landwirtschaftsministerium ein und untersagte das Geschäft. Grund? Weil damit nationale Interessen berührt würden.*
Völlig richtig. Denn was man übersieht ist, daß Handel immer auch eine Berührung von Völkern und Nationen ist. Kommt es zu größeren Eigeninteressen von Geschäftsleuten in einem Land, ist fortan dessen Politik immer auch eine Frage der nationalen Interessen des Geschäftsmannes, weil Bürger dieses fremden Landes. Was immer Australien also hinkünftig ím eigenen Land gemacht hätte - es hätte sehr rasch die Interessen Chinas weil seiner Bürger mit berührt. Und das kann ein Land nicht einfach so hinnehmen, das muß gut erwogen werden. Sonst muß sic Australien gefallen lassen, zukünftig gewisse chinesische Interessen gleichermaßen einzukalkulieren. Und die politische Lage in Südostasien ist ohnehin von gewisser Brisanz gekennzeichnet.
Was vielfach als großer Segen globalisierten Kapital- und Warenverkehrs gesehen wird, ist also von weit größerer Tragweite, als eine rein liberalistisch-kapitalistische Betrachtungsweise überhaupt zur Kenntnis nehmen kann. Denn plötzlich wird ein rein innerstaatlicher Akt - nehmen wir an: Auflagen für gewisse Branchen, Einschränkungen oder Qualitätsforderungen, was auch immer - zu einem Fall für die Diplomatie, im schlimmsten Fall für ein angespanntes Verhältnis zweier Staaten.
In beide Richtungen. Durch diplomatischen Druck AUF das Gastland, das für seine Politik plötzklich über ganz andere Druckmittel verfügt (Androhungen von Entlassungen, Kapitalabzug, etc.), wie auf das Land der Investoren (Enteignungen, Vermögensbeschlagnahmen, etc.), um nur ein Beispiel zu nennen. Und die Geschichte sollte doch ausreichend lehren, daß darauf oft die handfestesten Kriege folgen. Keineswegs kann also davon die Rede sein, daß internationale Geschäftsbeziehungen automatisch "Frieden" nach sich ziehen. Eher ist sogar das Gegenteil der Fall: Sie schaffen heikle Berührungszonen, weil jeder Bürger immer auch als Bürger eines Landes auf der Welt ist.
Wenn heute Chinesen Afrika vom Süden her aufgerollt und wahrlich riesige Landflächen bewirtschaften so ist das keineswegs ohne politische Relevanz. Vielmehr hat sich China dadurch bereits bis zur arabischen Halbinsel vorgearbeitet, und hat durch seine Investitionen nunmehr bereits direkte politische Interessen in fast ganz Afrika. Denn selbstverständlich hat ein Staat das Recht, ja sogar die Pflicht, die Interessen seiner Bürger im Ausland zu schützen.
Oder Staaten nutzen die Wanderkapitalien direkt - erst vor wenigen Wochen wurde publik, daß Saudi Arabien in der Außenpolitik der USA schon deshalb eine Sonderstellung der Unantastbarkeit genießt, weil die saudischen Investitionen in US-Schatzanleihen mit 750 Mrd. Dollas systemrelevant für die USA selbst sind. Als die USA einen kleinen Richtungsschwenk in der Nahostpolitik riskieren wollte, zuckte Arabien nur mit dem kleinen Finger - und drohte, die Anleihen zu verkaufen, was unabsehbare Folgen frü die amerikanische Wirtschaft gehabt hätte. Und schon kuschten die Amerikaner.
China hat mittlerweile ebenfalls schon weit über eine Billion Dollar in den USA investiert, sein ganzes Rentensystem basiert sogar auf diesen Investitionen. Glaubt wirklich jemand, daß das keine politischen Konsequenzen hat? Was glaubt der Leser warum die USA 2008 überhaupt keine Alternative zur Rettung seiner maroden Banken hatte? China hätte gigantische Summen verloren. Der amerikanische Bankenkrach hatte höchste politische Brisanz. China, Deutschland, Frankreich, ... Amerikas Außenpolitik, seine globale Stellung, wäre mit einem Schlag schwerstens ramponiert, wenn nicht ausgelöscht, die Karten völlig neu gemischt worden.²
Und wenn der türkische Premierminister Erdogan die vier Millionen Türken in Deutschland als "Teil der Türkei" bezeichnet - dann hat interessanterweise sogar der Türke Recht. Die Zuwanderung IST ein diplomatisches Faktum, nicht einfach eine Marginalie eines zufälligen Wohnsitzwechsels von 2000 km. Denn die Auffassung eines Staates als Territorialprinzip ist keineswegs die ursprünglichere, sie ist eine zweckorientierte Kunstschöpfung, die aus gewissen Absichten - die nicht immer lauterer Natur waren und sind! - behauptet wird. Die aber irgendwann immer mit der ursprünglichen, ja ontologisch eigentlichen Staatsauffassung als Personalprinzip in Kollision kommt. Wo also Land immer den Menschen und seinem Lebensvollzug und seinen Möglichkeiten zugeordnet wird. Selbst die Vermessungseinheiten - acre oder ar, Joch, Hektar, Morgen, Hufe ... - beziehen sich auf diesen Zusammenhang.
Über den hier schon mehrmals auseinandergesetzt wurde: Eigentum, Besitz ist immer eine Frage der Persönlichkeit als der Wirklichungserstreckung eines Menschen. Das betrifft auch Land. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis das Territorialprinzip versagt und im Personalprinzip wieder aufgefangen wird, sofern dies nicht schon durch Vereinzelung seiner Bürger völlig erodiert ist.** Denn Land, Eigentum und damit Recht ist immer den Menschen zugeordnet, nicht umgekehrt. Und ein Staat ist in seiner Ontologie die Einheit eines sich damit in der Institutionalisierung selbst aufhöhenden Staatsvolkes als Geflecht von Bürgern und deren verbindlicher Beziehungen, deren umittelbare Lebensinteressen auch in Eigentum münden.
Und aus genau diesem Grund ist die Zuschreibung von Land an ein Volk hostorisch RELATIV. Landanspruch variiert mit der Stärke (auch: Zahl) und Kultur eines Volkes. Sie ist nicht in Territorialzuschreibungen ein für allemal bzw. generell zu verabsolutieren, sondern hängt mit der Tiefe und Art der Beziehung dazu (auch etwa im Bedarf eines Nachbarvolkes) zusammen. Deshalb war es keineswegs prinzipielles Unrecht, Ureinwohnern in Amerika, die durch extensive Wirtschaft kein wirkliches Eigentumsverhältnis zum Land entwickelt haben, Land das sie "zufällig" durchstreiften gewissermaßen "wegzunehmen", indem es ein Zuwanderer, der es künftig intensiv bewirtschaftete und kultivierte, für sich beanspruchte.
Die Geschichte lehrt auch (man denke an die recht gut zu überblickende Situation um Landeigentum im römischen Kaiserreich), daß das Territorialprinzhip (auch im sogenannten Privateigentum) über kurz oder lang immer scheiterte, wenn es sich vom Personalprinzip allzu sehr entfernte. Nur letztere sichterte die Produktivität des Landes. In unseren Breiten ist überhaupt so etwas wie "Landeigentum" im heute verstandenen, abstrakten, bedingungslosen Sinn erst mit der Renaissance und ihrer abstrahierten Art, die Welt auf Modelle und Raster umzubrechen, so richtig aufgekommen, und hat in vielem die Grundlage für den kapitalistischen Kolonialismus der Moderne, ja überhaupt für den Kapitalismus bedeutet. (Der - noch einmal sei es betont - mit einem "Freiem Markt" nur am Rande zu tun hat, sondern diesen höchstens benutzt.)
Diese Tatsache des letztendlichen Personalprinzips auch dort, wo es sich als Territorialprinzip ausgibt, ist nicht zuletzt der eigentliche Hintergrund hinter der sogenannten "Flüchtlingskrise Europas" der letzten Jahre - der Widerstand in der Bevölkerung ist ein solches Durchschlagen des Personalprinzips als Grundlage selbst in sich so bezeichnenden Territorialstaaten, ohne das es einen Staat gar nicht geben kann.
Was damit gesagt werden soll: Die Sache ist weit komplizierter und brisanter, als die Holzköpfe blindfaselnder "Globalisierung!"-Schreier ahnen, deren Horizont nicht über den Rand des Kontoauszugs hinausgeht und in Krisen von andern verlangen, daß sie ihre Interessen schützen. Und die Australier haben genau deshalb darauf reagiert. Was nämlich für China relevant ist - eine Farm mit 100.000 km2 und 180.000 Rindern -, ist es genau deshalb auch für Australien. Das gegen einen Kuhstall in Bornsville bei Canberra mit 30 ha und 38 Färsen vermutlich kaum eingeschritten wäre, selbst wenn der neue Besitzer darauf mit seiner Winchester Schießübungen an jedem Wochenende durchgeführt hätte, und Rindfleisch-Szechuan extrem scharf und mit vergammelter Braunschlange angereichert liebt, was sagen wir extrem unaustralisch wäre.
In Zeiten des Friedens mag Internationalisierung, internationale Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft also durchaus den Frieden durch Wirtschaftsbeziehungen vertiefen. Aber in Zeiten der Krise wird es Konflikte noch brisanter machen, und schneller zur Eskalation treiben. Und die Geschichte elehrt, daß noch jeder Friede nur die Zeit zwischen Kriegen gewesen ist. Woher der Optimismus stammt, daß das plötzlich nicht mehr so sein soll ist dem VdZ schleierhaft. Denn der Mensch hat sich nur in der Science Fiction von Hollywood geändert.
Die Globalisierung der Weltwirtschaft, die Verschränkung von immer mehr je lokalen, partikularen, nationalen Interessen damit (und seien sie oft noch so klein) hat also noch viel weitreichendere Konsequenzen, als dies bislang bedacht worden ist. Und während es gut geht so lange es eben gut geht, geht es viel schlechter, sobald etwas schief geht. Weil sich mti den verschränkten, komplexeren Interessenslagen je eigenständiger, reaktiver Teile hochkritische Systeme aufbauen, die zugleich ihre Berechenbarkeit verlieren. Und man weiß aus der Kinetik, daß in solchen Systemen ein Megaausbruch aller Risikofaktoren praktisch mit Gewißheit angenommen werden muß, die Frage ist nur der Zeitpunkt.
Ebenfalls keine Frage ist aber, daß in solchen Systemen oft kleinste Anlässe, die man zuvor nicht eimal ernstgenommen hat, in einer unkontrollierbaren Wechselwirkung einen Megacrash auslösen können. Der berühmte Schlag des Schmetterlings in den Alpen, der einen Orkan in Brasilien auslöst, ist realer, als viele wahrhaben wollen.
*Für die völlig gleich Handlung wurde Ungarn vor drei Jahren von EU und Westmedien regelrecht gekreuzigt, als es seine Gesetze ernstnahm, die es 1997 beschlossen hatte - kein landwirtschaftlicher Grund mehr an ausländische Investoren - und den rund 130 österreichischen Umgehungskonsruktionen einen Riegel vorschob. Hier kam es übrigens ebenfalls zu diplomatischen Interventionen.
²Wer sich für die Krise 2008 interessiert - und sie ist interessant! - dem kann der Film "Too big to fail" empfohlen werden. Er übertrifft in der Komplettheit der Schilderung der Vorgänge, sachlichen Überlegungen und Ursachenzusammenhänge den (sehr guten, filmisch zweifellos sogar weit besseren) Film "The big short" bei weitem, der ja nur die Auslösungsmechanismen beschreibt.
²Wer sich für die Krise 2008 interessiert - und sie ist interessant! - dem kann der Film "Too big to fail" empfohlen werden. Er übertrifft in der Komplettheit der Schilderung der Vorgänge, sachlichen Überlegungen und Ursachenzusammenhänge den (sehr guten, filmisch zweifellos sogar weit besseren) Film "The big short" bei weitem, der ja nur die Auslösungsmechanismen beschreibt.
**Und wir dürften heute schon ziemlich weit auf diesem Weg fortgeschritten sein. Denn mit Erschrecken hat der VdZ erst voriges Jahr eine Studie gelesen, in der das Verhältnis der österreichischen Jugend zu Freiheit und Staat untersucht wurde. Sie brachte das Ergebnis, daß junge Leute in hohem Prozentsatz nicht mehr bereit wären, für die Freiheit Österreichs zu kämpfen, und einer Invasion fremder Mächte nichts entgegensetzen würden. Das zeigt, daß die persönliche Verbindlichkeit im Staat als Prinzip, Frucht und Garant der Freiheit eines Volkes, und Volk als der erste (!) Rahmen jedes Individuums (ein Individuum ist ja nur die Inviduierung eines Volkszugehörigen, das Einzelne die Invidiuierung eines Insgesamt), gar nicht mehr erkannt wird. Während das Territorialprinzip niemals ein persönliche Bindung an "den Staat" den man bewohnt erwecken konnte weil kann (das ginge nur mit Fanatismus, übrigens). Also wird aus diesem (an sich sogar richtigen) Erleben von Sinnlosigkeit "der Staat" generell als nicht mehr schützens- und erhaltenswert angesehen. Ohne Volk aber - kein Staat. Land selbst ergibt keinen Staat.
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