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Montag, 22. Januar 2018

Dabei sind wir doch alle böse

Der Grund warum der Mensch der Gegenwart Gott nicht mehr sieht ist, daß er nicht sieht, wie tief er eigentlich ist. Auf diese Aussage Jungs bezieht sich Jordan Peterson in diesem kurzen Video. In dem er schon aus psychohygienischen Gründen davor warnt, sich als gut und tugendhaft einzuschätzen. Denn das entspricht einfach nicht der Realität, in der wir stecken. Stattdessen erleben wir doch täglich, wie wir Dinge tun, die wir weder wollen noch die uns weiterbringen. Peterson rät also dazu, sich einfach einmal die Frage zu stellen und zwar als Frage, nicht als Behauptung, ob wir wirklich gut sind, oder ob nicht in jedem von uns viel viel Böses steckt. Nur als Möglichkeit! 

Zumalen der Grund, warum wir oft noch nicht so "richtig schlecht" gehandelt haben nur darin liegt, daß es uns an Möglichkeiten dazu gefehlt hat. Die Frage um böse Menschen in der Geschichte ist nämlich nicht damit beantwortbar, daß es hier eben ganz besonders böse Menschen gewesen sind, sondern nur damit, daß es Menschen wie wir alle waren, die durch die Umstände der Zeit klammheimlich in ein Verhalten schlitterten, das wir aus der Distanz als böse klassifizieren. Wir wissen aber nicht, solange wir uns nicht unserer eigenen Abgründe bewußt sind, wie böse wir selbst sein könnten, und wie böse wir wirklich sind.

Stattdessen ist es ein Symptom der Pathologie unserer Zeit, daß wir vor dieser Antwort Angst haben, und krampfhaft versuchen uns unter allen Umständen als "die Guten" darzustellen. Nicht nur das: Hat die beobachtbare Spaltung in "gute Menschen" und "böse Menschen", in der bestimmte Menschengruppen als "böse" abzuklassifizieren und auszugrenzen und sogar als vernichtenswert dargestellt werden, nur die Funktion einer "Sündenbock-Marionette", in der wir das uns gar nicht bekannte Böse in uns auf andere projizieren und damit (uns selbst am allermeisten) vorgaukeln, daß wir dieses Böse ja nicht sind, weil wir es ja erkennbar "ablehnen". Das wir in der political correctness sogar in ein "kulturelles System" der "Gutheits-Vergewisserung" eingebettet haben.

Demselben Zweck dient es, wenn wir das Böse an bestimmten Attributen  ("rechts" etc.) festmachen. Schon ein oberflächlicher Blick in die Vergangenheit zeigt aber doch, wie relativ selbst diese Kategorien sind. Man nehme das Beispiel des Nationalsozialismus, der heute als "rechtes Phänomen" dargestellt wird, obwohl er systematisch-ideologisch untersucht deutlich links war. Damit täuschen wir uns über das Wesen des Bösen in uns und in der Gegenwart. Und wir tun es aus Angst vor dem Bösen, dem wir vor allem eines nicht widmen: unseren klaren, offenen Blick. Das wir lieber unerkannt lassen, stattdessen mit oberflächlichen Zuschreibungen vernebeln, denen wir natürlich nicht zugehören. Die aber nur eine Täuschung über die wirkliche Wirklichkeit des Bösen sind.

Damit verbauen wir uns den Zugang zu unserer eigenen Realität, und so nebenbei: zur Realität der Erlösungsbedürftigkeit. Wer ohnehin "gut" ist - und das ist niemand! - braucht keine Hilfe, keine Transzendenz, die gut "macht". Die Wahrscheinlichkeit, daß wir "gut" sind, ist aber aus der Sicht eines Seelenkenners ... NULL. Wenn wir das aber dennoch glauben oder uns und anderen glauben machen wollen wird Gott als das uns unermeßlich Vorausliegende, das absolute Gute gar nicht mehr erkennbar.

Wir dürfen aber bei dieser Selbstbefragung nicht bei den "großen Dingen" anfangen! Sondern bei den ganz kleinen Dingen des Alltäglichsten, denn dort wird es am manifestesten. Und genau dort werden wir unsere Unzulänglichkeiten zuerst erkennen. Dann können wir damit anfangen, diese kleinen Dinge zu verbessern. So baut sich auch unser Selbstbewußtsein auf. Auf einer Selbsterkenntnis, die dann von selber und nach und nach zu immer größeren Dingen schreitet. Aber NUR, wenn diese kleinen Dinge adressiert werden. 

Es ist eben verdammt einfach, sich für abstrakte, unermeßlich große Dinge "schuldig" zu fühlen (Klimakatastrophe ...) oder für Dinge, die weit in der Vergangenheit liegen (Holocaust ...), oder weit weit weg liegen (Menschenrechtsverletzungen in China ...). Die Beispiele ließen sich fast unendlich vermehren, denn wir haben heute lauter "große Besorgnisse", die in Wirklichkeit unsere eigene Handlungsebene weit, weit überschreiten. Kirchenkrise. Staatssystem. Der Kampf gegen rechts (oder links). Oder - nicht zu vergessen! - die "Probleme" oft verschwindend kleiner Minderheiten, die wir zu großen Problemen aufbauschen, man denke an die "Ehe für alle". 

Samt grotesken, neurotischen "Lösungsstrategien", wie die absurde Energiewende, oder den Veganismus, Demonstrationen gegen abstrakte Probleme. Allesamt "Scheinbeschäftigungen", Beschäftigungstherapien. Alles in Wahrheit kleine, von uns selbst unterhaltene und geführte Puppentheater, auf denen wir mit ausreichend Distanz vorspielen, was sich in unserem Leben gar nicht wiederfindet und abbildet.

Was nicht heißt, daß es hier nicht objektive Kritikpunkte gibt, aber diese sind nur dem ein gerechtes Problem, der sie auch auf Augenhöhe adressieren kann, zu dessen Aufgabe es also gehört. Weshalb es falsch ist, von "Motivierung der Massen" zu sprechen, die nur eines bewirken soll: Daß sich noch mehr Menschen von ihrer alltäglichen Lebensebene wegbewegen. Und was so nebenbei Radikalisierung bewirkt, weil das Erleben des Machbaren natürlich dann auch fehlt. Also wächst die von einer den Einzelnen übersteigenden Handlungsidee her zuwachsende Frustration, und damit die Wut.

Aber wir werden dadurch nicht "besser", wir täuschen uns nur weiterhin darüber hinweg, wie wir wirklich sind. Und sind damit so nebenbei tief ungerecht, genau dort nämlich wo wir überzeugt sind, besonders gerecht zu sein.

Man kann deshalb vor Menschen nur warnen, die meinen, "gut" zu sein, weil die ganz sicher nicht "gut" sind, sondern nur ihr Böses nicht kennen und nicht kennen wollen. Diese sind meist tatsächlich böse, nur wissen sie es nicht, weil sich ihr Böses eine andere - verschleierte, oft natürlich rationalisierte, also rechtfertigende - Form sucht. Die meisten, nein, alle Weltretter sind deshalb brutale, menschenverachtende Totalitaristen, weil ihre persönlichen Kräfte und Ermächtigungen dem Ziel nicht entsprechen, sodaß sie das System scharfmachen, den anderen die Freiheit nehmen wollen.

Wir aber sollten wissen, wie böse wir sein können. Dies zu wissen, aber nicht böse zu handeln - das ist alles, was wir tun können und sollen. Zumalen wir für das Böse in uns vielfach oder oft auch gar nicht direkt verantwortlich sind. Wer aber weiß, wie böse er sein könnte, der wird auch für den anderen Verständnis, Empathie aufbringen. Und nur der wird auch verzeihen können.

Der Leser möge es probieren. Er möge erfahren wie  befreiend es ist, sich einzugestehen, daß man (durchaus) "böse" ist.  Was passiert wenn man aufhört, "der Mutti gut Jung" zu sein, der "nette Bursche", von dem man nunmehr weiß, daß er gefährlich, ja böse sein kann, aber es momentan nicht ist. Er wird erfahren, was es heißt, wenn sich plötzlich andere auch einmal vor einem "fürchten" der bereit ist als "böse" angesehen zu werden (weil er weiß, daß er das sein kann). Er wird dabei erleben wie eng schöpferisches Tun (das immer ein Hinausschreiten ins Chaos ist, um es zu ordnen) mit dem Mut zu tun hat, in den Augen der anderen "gefährlich" zu sein. Und er wird erleben, wie die anderen ihre seelenbedrückende Macht über ihn verlieren. 

Die Freiheit beginnt nämlich erst dort, wo ein Mensch auch böse sein kann, weil er weiß, daß er das - auch! - ist. Aber nicht sein muß.










*120118*