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Mittwoch, 24. Januar 2018

Filmempfehlung

Wow! Das war die Reaktion des VdZ nachdem er den Film "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" (Produktionsjahr 2017) gesehen hatte. Noch nie hatte er das Problem von Wut und Schuld (im Alltäglichsten, aber genau darin als Grundproblem des Menschen) so großartig und wahr angerührt gesehen. Der Film endet schließlich noch mit einem großartigen Moment: Wo diese Wut, in der eine gehörige Portion Wut auf sich selbst versteckt ist, umso vehementer die Aufklärung, nein, mehr noch, die Verurteilung des Mörders an der Tochter verlangt. Selbst wenn der Täter nicht DIESER Täter ist. Er hat nur vermeintlich eine ähnliche Tat vollbracht.

Man könnte den Moment fast übersehen, wo die Protagonistin, phantastisch gespielt von einer wie immer phantastischen Francis McDormand (übrigens die Ehefrau von Joel Coen, an der in ihren schon bisher großartigen Darstellungen vor allem ihr "Mut zur Häßlichkeit", Hauptmerkmal jedes guten Schauspielers, auffällt), ihre gefühlte "Mitschuld" am brutalen Vergewaltigungstod ihrer Tochter bekennt.

Wo sich diese Mitschuld als subtiles, schwer zu differenzierende Tatsache der Zulassung, ja Bewirkung, somit subtiles Motiv der Sühne offenbart. Das ist das Großartige daran: Die Mutter (von einem Alkoholiker getrennt lebend) hat einfach ihrer Tochter das Auto verweigert, weshalb diese im Zorn zu Fuß zum Abend ausging, dabei ausrief, daß sie dann eben (quasi im Scherz) hoffe vergewaltigt zu werden, was die Mutter als "Wunsch" (sie solle also vergewaltigt werden) erwiderte - und prompt genau in dieser Brutalität ermordet wurde.

Natürlich ist da keine direkte "Schuld" rational erfaßbar. Aber irgendwie doch. Irgendwie, weil es unklar ist, wie die Dinge in der Welt zusammenhängen. Sie scheinen letztlich doch Zusammenhänge zu besitzen. Zumindest im Sinn. Und das ist sicher der interessanteste Aspekt in diesem Film: Der heutige Mensch in der Unklarheit über Ursache-Wirkungs-Verhältnisse, im ... logos, im Sinn.

Und damit in Schuld. Der Film ist also eine Metapher über die Verdammung des Menschen OHNE logos zur Schuld! Umso vehementer deshalb das Drängen der Mutter auf Aufklärung. In einem Schuldigen ist die individuelle Ambivalenz geklärt. Aber die Tat ist einfach zu "perfekt", zu zufällig, man kann sie nicht aufklären. Diese subtilen Schuldgefühle sind es, die sie radikalisieren.

Mit dem bloßen Verlustgefühl einer Mutter hat das alles also nichts mehr zu tun, und ob gewollt oder nicht - das unten angeschlossene Interview mit der 60jährigen Francis McDormand, die hier immerhin eine 38jährige spielt, läßt vermuten, daß dieser Aspekt gar nicht so bewußt gewesen sein könnte, aber wer kümmert sich um die Gründe, die eine Aussage eines Kunstwerks effektuieren? - stellt die Protagonistin eine Frau dar, die ihre Schuld bewältigen will.

Übrigens: Großartig auch Woody Harrelson, hier als krebskranker Polizeichef, der alle entlastet, die sich durch seinen letztendlichen Selbstmord belastet fühlen könnten. Außer seiner wesentlich jüngeren Ehefrau. Die sein Faß des Erträglichen - wunderbar als Gefangenheit in Irrationalem, aber erkennbar Unerträglichem dargestellt! - zum Überlaufen brachte. Der VdZ hat ihn selten so überzeugend und berührend gesehen. Wobei er ihn als Schauspieler immer sehr geschätzt - und für vielfach unterschätzt gesehen - hat.

Der Film endet deshalb folgerichtig mit einer Ersatztat, wenn man diese auch nur annehmen kann. In der Reise zu einem - aber nicht DEM - Täter, samt Waffen im Kofferraum. Es geht aber um die symbolische Tat. Gemeinsam fährt die Mutter mit einem mutterabhängigen Versager (was für ein Aspekt!), der als Polizist nicht in der Lage gewesen war, den Mord aufzuklären, also auch von Schuldgefühlen beladen im Ersatz handeln will.

Wer etwas Subtiles, aber sehr allgemein Wahres über den Menschen erkennen will - der Film bietet diese Möglichkeit. Wenn man das Allgemeine, das er bietet, sehen kann.















*170118*