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Freitag, 26. Januar 2018

Nicht Macht, sondern Ort

In diesem Ausschnitt aus einer seiner Vorlesungen weist Jordan Peterson auf etwas Wichtiges hin, das zum weiten Bereich der neuzeitlichen Mythen gehört, die nur die Wirklichkeit verschleiern sollen. Jordan weist darauf hin, daß Hierarchie keineswegs mit "Macht" zu tun hat und nur so zu halten ist, sondern daß sie auf "Kompetenz" beruht. Auf der Fähigkeit, wollen wir gleich erweitern, daß jemand seinen Ort und seine Anforderungen zu erfüllen vermag. Denn ohne Ort ist Kompetenz wertlos, in sich leerer Funktionalismus. Macht geht deshalb immer mit Ort einher, etwas das Jordan nicht zu kennen scheint. Das ist der Transzendenz-Punkt, auf den es immer ankommt.

Der Chef ist nicht deshalb guter Chef, weil er die Schraube besser eindrehen kann als seine Monteure, sondern weil er das Chefsein, die Gesamtleitung gut erfüllen kann. Wo jeder seinen Platz zugewiesen hat und darin auch nicht gefährdet ist, wenn er ihn auszufüllen vermag. Aber mit diesem Platz geht auch Macht einher, notwendig, und für den Ernstfall auch mit Gewalt ausgestattet. Sodaß eine gewisse (und orts-angemessene) Gewaltbereitschaft auch (sic!) zum Kompetenzrepertoire gehören muß. Aber natürlich kann ein Ort in der Hierarchie nie "nur" über Gewalt bewahrt werden. Wenn das droht ist es Zeichen, daß ein prinzipielleres Problem (nämlich der Kohäsionsverlust eines Organismus, also der Verlust der in allen Teilen immanenten Matrix, um in der Terminologie zu bleiben; zum Beispiel durch den Verlust der Erziehungsfähigkeit einer Kultur, die selbst ihre Matrix verloren hat) vorliegt.

Dieser Pragmatismus ist es wohl auch, der Jordan bei den heutigen Liberalen (wie in ihrem Hin- und Herwabern in der Geschichte heute eher konservativen Zuschnitt zu haben scheinen, bzw. nach dieser Richtung tendieren) so beliebt ist. Er ist eben brauchbar, um doch noch eine Ordnung und damit die eigene Existenz zu retten. Eine Ordnung, die der Liberalismus ja nicht hat. 

Auch Jordan ist ein Liberaler, das wird aber erst deutlich, wenn man mehr seiner Vorträge hört und man erkennt, daß seine oft sehr originellen, richtigen Teilsichten und Analysen keinen wirklichen inneren Faden haben - oft aber sichtlich auf reale Erfahrung zurückgehen - und man oft nicht weiß, was er nun eigentlich sagen will.

Wir ergänzen eben deshalb, weil Jordans Gedanken zwar oft und oft sehr erfrischend und richtig sind, aber ihm selbst ein gefestigtes metaphysisches Gesamtgefüge fehlt. Wer viel von ihm hört wird feststellen, daß man immer verwirrter wird, es löst sich so gut wie alles auf. Er ist wohl deshalb auch zuerst Psychologe (und nennt seinen gewissen Realismus "Existenz-Psychologie"), und man weiß nicht recht, worauf alles hinauslaufen soll. Damit wird alles, was er so eloquent vorträgt, zwar sehr pragmatisch, aber letztlich ... sinnlos. Und das kann auch gar nicht anders sein. Denn Jordan ist Evolutionist. Damit notwendig widersprüchlich. 

Das gibt dem, was er auch hier sagt, diesen "kämpferischen" Charakter, der durch Moral nur "zivilisiert", letztlich aber wieder der Evolution dient. Die ja den "Kampf" als einen ihrer Grundsätze hat. Auch sieht Jordan damit natürlich keinen (absoluten) Sinn in der Hierarchie selbst (die er nicht als Gefüge von Orten begreift, sondern als Verhältnisse der Stärke, der Macht, oder - der Kompetenz; aber Kompetenz ohne Ort gibt es nicht, sie ist nicht "skills", "Fähigkeiten"), er sieht einen solchen Sinn nur im Rahmen des Pragmatischen. Jordans in vielen Details durchaus interessante Sichtweisen haben trotz aller Klugheit darin vielfach deshalb nur den Charakter eines "Lebensratgebers" á la Carnegie. Deshalb auch seine ständigen Verweise auf Hobbes oder Nietzsche. Deshalb die Rolle des "Erfolgs" als letztliches Ziel seiner Ratschläge.

Die evolutionistische Psychologie sieht nämlich im Tierreich (oder in der übrigen Natur) nicht eine niedrigere, in sich aber durchaus "vollkommene" Stufe - zwar richtig - ein und derselben Matrix, als Grundrichtung alles Geschaffenen, nur auf je anderer Ebene, weil einfach Analogie zu dem, was auch im Menschen angelegt ist (sodaß alles Irdische auf eine Weise immer ein- und dieselbe "Matrix" darstellt, letztlich: die Dreifaltigkeit), sondern sie schließt fälschlicherweise aus dieser (noch unter dem Menschsein, in dem sich alles zur Vollgestalt erfüllt, liegenden) Analogie eine evolutionistisch entstandene Aufeinanderfolge, eben ein "Evolvieren". Somit ist auch Hierarchie nur die Folge eines Kampfes, eines Messens, entsteht also von unten nach oben. 

Welche Widersprüche sich daraus ergeben, ist auch Jordan nicht bewußt. Wollen wir uns weit hinauslehnen? Weil er selber "der gute Junge bleiben" will, nur eine andere Mutti hat (weshalb durchaus auch "autonomistischer Widerspruchsgeist" etwas sehr sehr Unfreies haben kann.) 

Das ist vielleicht der Hauptgrund, warum es zwar heute durchaus Menschen gibt, die viele Probleme beim Namen nennen, aber kaum, ja so gut wie keine Menschen, die den wirklichen (!) Kampf damit aufnehmen. Die also gut über etwas reden können, gut und richtig, aber sogar in diesem Reden (als "Appell an die Vernunft" etwa) genau das vermeiden, was erst Probleme verursachen würde: Wirklich gegen Fehlentwicklungen durch Treue zum Guten, Wahren, Schönen festzubleiben. Das sind im übrigen auch oft die, die besonders selbstironisch sein können und als Redner sehr rasch beliebt sind. (So nebenbei: Eines der am häufigsten erkennbaren Merkmale der ... Neu-Rechten.)

Aber das wollen wir hier mal beiseite lassen. Nur wissen sollte es der geneigte Leser.











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