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Mittwoch, 20. Oktober 2021

Gedankensplitter (1317c)

Das Ich wird am Du - Mit der Entdeckung Amerikas 1492ff. war etwas ganz Neues verbunden. Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden! Denn noch Friedrich II., der Staufer, war von der Überlegenheit der arabisch-islamischen Kultur überzeugt. Seit den Reisen Marco Polos und seit den Eroberungszügen der Mongolen im 13. Jahrhundert, seit den ständigen Angriffen der Sarazenen in Ost-, Südosteuropa und im Mittelmeerraum galt der Osten auch militärisch als überlegen, und Afrika war zum einen durch den Islam, zum anderen durch die Mauren Terra incognita.

Die Gewürze, die Seife, die Farben, die Alaune als Allheilmittel, die Erzählungen und Schriften, die nach Europa kamen, die Berichte Marco Polos über die unermeßlichen Reichtümer und Dimensionen Chinas, die nicht zu unterschätzende Tatsache, daß hunderttausende Europäer als Sklaven in diese Weltregionen verschleppt worden waren und die Gefahr nicht weniger wurde (die Türken eroberten 1452 Istanbul! und brachen damit das Tor nach Europa auf), die Pest im 14. Jahrhundert, die als ständige Bedrohung fortwirkte - KURZ: Europa hatte sich bis 1492 als unterlegen erfahren. Es WAR somit unterlegen. Und das entsprach ja durchaus dem Geist des Christentums, dem es nicht um irdische Schätze und Ruhm ging, sondern um Schätze im Himmelreich, die das Kreuz eröffnete. 

Aber nun passierte etwas Sonderbares. Nun betraten Europäer ein riesiges, gar nicht abschätzbares Land, das in allen Farben glitzerte und blinkte, und in dem es durchaus respektable Reiche gab - die Maya, die Azteken, die Inkas, und wie sie alle hießen - die aber den Europäern in jeder Hinsicht unterlegen waren. Das heißt, das Sein als Europäer WURDE zum Sein eines hochstehenden Selbst in der Welt. 

DAS ist das Ende des Mittelalters, weil es zugleich der Beginn der Neuzeit ist. Die in einem neuen Selbstbewußtsein in den selbstüberhobenen Glimmer der Renaissance explodierte. 

Die Reisen und die Viren - Die Pest, 1348 erstmals über die Genuesen (weil über deren Handelsniederlassung auf der Krim, die einer der wichtigsten Endpunkte der Seidenstraße war) nach Europa gekommen, über das es nun in Wellen hereinbrach, ist (wie die Syphilis aus Südamerika) eine Virenerkrankung. Nun ist es ja bemerkenswert, daß einer Eiweißkonstellation, die selbst nicht als lebendes Wesen eingestuft werden kann, weil sie keines der Attribute von Leben hat (Selbstgesteuertheit, Selbstvermehrung, usw.) eine Rolle zugewiesen wird, wie sie normalerweise aber lebenden Wesen zukommt. Denn es scheint in eine Gesamtwelt eingebettet, die darauf ausgerichtet ist, von der Existenz anderer abhängig weiter zu bestehen (fast hätte ich geschrieben: zu überleben), sodaß man Strategien vorfindet, die wie willentlich, zumindest intentional angewandte Strategien wirken.

Es gibt also in der Welt Bestandteile, die wie ein Teil einer Gesamteigenschaft der Welt wirken, und in der es uns unter bestimmten Umständen an den Kragen gehen kann. 

Mit entscheidenden Einschränkungen: Wieweit diese Eiweiße weiter bestehen, wie weit sie uns als Menschen gefährlich werden, ist im Wesentlichen davon abhängig, wieweit sie uns überraschen können. Wieweit unser "Immunsystem" (als "Abwehrsystem" mißverstanden) sie nicht kennt und in eine Ordnung verweisen kann. Sondern umgekehrt, wieweit wir einer Ordnung begegnen, die UNS an einen Platz verweisen will, der uns offensichtlich nicht gebührt. Sonst würden wir daran unter Umständen nicht zu Tode kommen, weil wir von diesen Viren versklavt, gezwungen, überfordert werden.

Und das wird immer akut, wenn wir auf Reisen gehen, oder das Ziel von Reisen sind. Denn erst dann kann es geschehen, daß wir mit Bestandteilen der Welt konfrontiert werden, die es bei uns nicht gibt. Mit denen wir also keine Co-Existenz aufgebaut haben, in der beide ihr Bestehen haben. 

Auch das Virus. Denn würde DAS Virus - wäre es lebendig (also aus einer Seele heraus selbsttätig, als niedrige, doch an sich ideell vollkommene und real vollkommen sein wollende Stufe des völlig Unabhängigseins, wie Gott es ist - will heißen: Kein Teil der Schöpfung strebt aus sich danach, "nach oben" oder überhaupt auch nur "woanders hin" in der Hierarchie der Ordnung, aus der Zugedachtheit des Ortes heraus zu gelangen, im Gegenteil, es wäre sein Vernichtungsurteil: Vollkommen heißt AN SEINEM PLATZ, und NUR dort), würde es sicher DER heißen (als selbsttätige Bezugnahme auf die durch ihn präsente Idee) - nicht mehr existieren, würden wir es vergessen, das heißt: Auch keine "Immunantwort darauf" haben.

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Übrigens war die Pest längst aus alten Schriften wie auch von Reiseberichten aus dem Orient bekannt. Sie war also nicht neu. Der Ausbruch in Rom im 2. Jahrhundert war ebenfalls in einer Phase der Expansion nach dem asiatischen Osten geschehen. Von dort war sie eingeschleppt worden, und hatte sich über den Mittelmeerraum ausgebreitet. Bis dem Virus das Milieu fehlte, in dem er nicht bekannt war, wo er also nicht "hingehörte" - und er (hier) wieder erlosch.

Was hat uns das zu sagen? Daß es uns zwar möglich, aber nicht in jedem Fall angemessen ist, uns zu "internationalisieren"? Auf jeden Fall ist es ein Hinweis auf die Verwurzeltheit als Wesensbestandteil des normalen Menschen. Der möglicherweise zwar berufen, aber realistisch betrachtet nicht fähig ist, sich als Individuum über die Welt auszubreiten. Zumalen die Viren, die Europa aus dem Osten bedrohen, auch dort - zumeist, nicht immer - Krankheit bedeuten.