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Mittwoch, 13. Oktober 2021

Vom Einen in allem (1)

Wer die Lebensverläufe der Menschen studiert kommt zu einer interessanten Koinzidenz. Je älter und zugleich (!) je reifer ein Mensch wird - was man aus bestimmten Gründen heute fast nur noch bei seltenen Lebenskünstlern (=Künstlern) findet - desto mehr scheint sich ihr Sprechen, dieses Schiff, das lange Lebensjahre alleine fährt, ehe man es - hat man seine Aufgaben bewältigt, sich ihnen also gestellt, nach und nach besteigt, um dem Horizont zuzusegeln - in einer gewissen Monothematik einzupendeln.

Sie kennen ja den netten Witz. Klein Franzel, Schüler der Klosterschule der Schwestern der vollen Frömmigkeit, in der Naturkundestunde einem Vortrag der lobfrommen Äbtissin und Lehrerin zuhört. Die augenzwinkernd ankündigt, die Schüler nun mit einer schwierigen Frage zu konfrontieren: Was das denn sei, das da mit buschigem Schwanz und spitzen Ohren im Wald lebe, und von Ast zu Ast hüpfe. Die Hand unseres Franzels ist als erste hochgeschossen, und die Schwester ruft ihn erfreut an. Der Bub ist ja sonst sooo maulfaul.
- Na, Franzel, was meinst Du, was ist das?
- Naja, sagt das Bürschchen vom Huberbauernhof, und wird ein wenig rot und verlegen. Normalerweise, setzt er dann so leise fort, daß die Schwester Äbtissin es kaum hören kann, normalerweise würde ich sagen, das ist ein Eichhörnchen. Aber so wie ich den Laden hier kenne, ist das sicher wieder das Jesuskindelein.

Das ist ein Monothema. Hier als Essenz eines Zuwachsens eines reifen Lebens zum eigentlichen Lebensgrund. Es geht immer um dasselbe. Das als das erkannt wird, das es ist: Das Kleinste ist im Größten, das Größte im Kleinsten. Wie ein Fraktale, zeigt sich im ersten einfachsten Weltengrund ein Archetyp (der Dreifaltigkeits-Dynamik als freies, in Liebe wogendes Zueinander von Personen, also nicht einer Technik, nicht eines notwendig ablaufenden Schemas als was es die Naturforschung in dem Maß, in dem sie zur Naturwissenschaft wurde, mißverstanden hat) das alles Seiende durchdringt und deshalb als Wesensmerkmal alle seine konkreten, bestimmten, in der individuellen Gestalt erscheinenden verstehen lernen läßt.  

Dieses Eine zu suchen ist die eigentlichste Lebensaufgabe weil -richtung jedes Menschen. Nur weiß er lange nichts davon. Und dennoch ist alles, was er tut, nichts als die Suche danach: Was ist der Sinn seines Lebens? Was ist diese Grundprägung, die alles was er tut und getan hat durchdrungen und geprägt hat, sodaß alles Atmen nur ein Ventilieren des Geistes war, der über aller Konfrontation in der Begegnung mit dem (faktischen) Anderen schwebt, darin erst Luft zum Leben bedeutet. 

Exemplarisch ist das beim Künstler, der eine lebendige Versuchsanordnung, ein Forschungslaboratorium ist. IN dem er sich nach und nach eine Freiheit erkämpft, die für den Normalbürger nicht zulässig wäre, weil sich sonst das Leben als Sein in der Welt auflösen würde. Wer sein Tun und Dasein nicht ernst nimmt, nicht alles zuerst einmal ernst nimmt, was sich zeigt, bei ihm wie im Begegnenden, der kann nicht "leben". Der kann die Welt nicht darstellen. Der Mensch MUSZ WELT SEIN UND WELT SEIN WOLLEN. 

Deshalb gehört auf eine Weise der Künstler nicht zu den Menschen, und wurde auch lange nicht als Mensch gesehen. Solcherart unfähig zur Erlösung, konnte er auch nicht im Tode einen Platz in der Menschengemeinschaft annehmen. Er wurde deshalb nicht am Gemeindefriedhof begraben. 

Was auch immer ein Künstler tut, es hat nur einen Zweck. Worin er das Wesen der Menschheit selbst am unmittelbarsten als DAS Lebensproblem erfährt. Es geht um die eine und einzige Lebensthematik, die jeden Menschen von der Empfängnis an (die immer das Hineinsenden einer Idee in Gott IN die Welt, und das heißt: AN EINEN ORT bedeutet.)

Somit sucht auch jeder Schriftsteller danach, und es ist nämlich das, was ihn im Grunde zur Welt in Spannung versetzt, das sein Ort ist, also die Art der Beziehung zur Welt, in die er hinein geboren ist. 

Jede Theorie ist so ein Ausdruck der Zugehörigkeit an einen Ort. Und jede Theorie, ja überhaupt jede Aussage des Menschen ist Zeugnis davon, wo jemand steht, oder wo jemand stehen will. Oder nicht will. Wie er sich also der Welt stellt, darum geht es. In welcher Beziehung zum Sein er steht, denn Welt ist nur, was am Sein teil hat. Sodaß "dasselbe aussagen" im Grunde bedeutet, daß man mit jemandem am selben Ort steht. Hier geht es also um immer dasselbe, tatsächlich. Das aber irgendwie seine Spannung nie verliert, oder, werter Leser?

Tja, wäre das so einfach, wie es tatsächlich ist. Der Mensch ist halt etwas komplizierter.

Und so finden sich dann die Menschen zusammen. Nach dem Zusammenfügen an ein - und demselben Ort, an dem sie ihr Leben lang schon stehen, ohne es zu merken. Das nun im anderen zum Namen kommt: "Endlich Fleisch von meinem Fleisch, Bein von meinem Bein," sagt Adam. Heureka, das ist es, was er da mit Eva gefunden hat: Sie stehen am selben Ort, dem in der Ehe, in dem sie an diesem und jenem konkreten Ort zur Welt stehen. Beide auf dieselbe Weise. 

Und das ist durch Sympathie angezeigt, dieser Geneigtheit die Form und damit Formungskraft des anderen aufzunehmen. Max Scheler schreibt über die so bedeutende Rolle der Sympathie - als Mitgehen mit dem anderen, sodaß sich in einem selbst das Wesen des anderen nachbildet, und somit erkennbar weil das zu Erkennende wird - im Erkenntnisprozeß.

***

So hat jeder Autor auch dieselbe Charakteristik in seinen Werken. Sie zeigen immer ein und dieselbe innere Gestaltungscharakteristik, und haben somit immer eine einzige Grundaussage, die zu präzisieren der Autor so lange ringt - wie er schreibt. Denn jeder Mensch wirkt immer an dem Versuch, ein endgültiges Stück herzustellen.

Das trifft auf die Kritiker nicht weniger zu. Die nur allzu oft nicht merken, daß sie selber in immer ein und demselben Erkenntnismodell verhangen sind. Und ihr Leben genau an diesem Thema scheitert und gescheitert ist, denn darum geht es im Leben, um immer neue Anläufe, in immer neuen Weltebenen und -kreisen, diese innere Charakteristik in jenes Werk umzumünzen, das sämtliche Ebenen enthält und nunmehr in der höchsten angelangt, in der Verbindung mit dem Ewigen, bleibt.

Nur einem gelingt das nicht. Sein Leben schraubt sich zwar von Stufe zu Stufe, doch versucht er immer wieder dasselbe Endwerk zu errichten, und scheitert immer grandioser. Darin zeigt sich das Verfallen an große Ideen, die über allem schweben, aber mit dem Leben, der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Sie sind aber so mächtig, daß sie den Menschen festhalten (und er an ihnen), und ihn von der Aufgabenstellung wegziehen, zu feingemachten, technisch perfekten Glitzerbildern in 3D, die sich nur mit Beharrlichkeit weil immer wieder als erste Aufgabe darstellen wollen, aber weggeschoben werden müßten. 

Wie schwer das aber ist. Wie leicht es ist, es zu verfehlen. Sodaß er dann einem Phantom nachläuft, das er in allem umso mehr zu beweisen sucht, als es nicht bleibt. Wie der Hamster im Rad läuft, so widmet er sich ganz einem Thema. Mit dem bedauerlichen Beigeschmack, daß es sich nicht findet, weil er immer wieder denselben Filter verwendet, damit immer wieder dieselben Dinge einläßt, Welt verweigert, und damit in einer untersten Stufe verbleibt. 

Vermutlich hat auch D nur die Konkurrenz, den Widerspruch zu ihrem eigenen Lebensproblem gesehen. Und der VdZ hat es ja sogar genau darauf abgesehen. Durch das Gegenwärtige zum Ewigen hin durchzubrechen, das nicht durch die großen Ideen geschieht, sondern durch das Erden im Kleinsten. Dort, im Kleinsten, findet die Begegnung mit Gott statt, dem Prinzip, das alles auch Große durchzieht. Wie ein Grundton, auf dem alles steht, die gesamte Kadenz des Tones aufgebaut ist, der zu eines Ohr dringt. 

Morgen Teil 2) Das zu lösende Eintrittsticket eines Corona-Kritikers, der zur Meinung kommt, es sei alles Propaganda. Das Eine in Allem? Der schwache Seinsgehalt in der Lebenslösung.