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Samstag, 30. Oktober 2021

Gedankensplitter (1355a)

[Man erzählt sich von] allen wahrhaft großen Menschen, daß sie mehr Typen als Individuen gewesen seien. 
(Richard von Schaukal, Erkenntnisse und Betrachtungen)

Persönlichkeit entfaltet sich in dem Maß, als der Mensch sich auf einen Ort hin überschreitet. Nicht im "Selbst sein wollen" liegt also die Größe, sondern in der Bereitschaft zu empfangen, dessen, was immer da kommt, indem man sich an eine Aufgabe, an eine Identität, an eine (immer erhaltene, einem übergebene) Position in der Welt hingibt.  

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Im Magna-Autozulieferteilebau-Werk in Graz, der Hauptstadt der Steiermark (eine Fabrik, die übrigens auch und im Auftrag von Mercedes, BMW etc. jährlich zehntausende Autos baut, das aber nicht an die große Glocke hängt, um die Automobilfirmen/-marken, ihre Kunden am Teilemarkt, nicht zu vergraulen), in diesem Werk also wurden ab Ende September die Werkskantinen für alle Ungeimpften gesperrt. Während die Firma nichts dagegen hat, daß am Fließband Geimpfte und Ungeimpfte nebeneinander stehen, miteinander arbeiten, wird beim Essen diskriminiert. Eine eigene Kantine für Ungeimpfte gibt es natürlich nicht. 

Wohlgemerkt: Wir reden hier von GESUNDEN. Die behandelt werden, als hätten sie eine Seuche. Während die Geimpften doch aus einem Grund geimpft worden sind, den man "Immunität" nennt. Wie sie bei Genesenen besteht.

Nachdem es also nicht um Gesundheitsaspekte gehen kann, denn dann dürfte man die Gesunden überhaupt nicht mehr beschäftigen, stellt sich die Frage, was damit bewirkt werden soll. Und wer soll nun wen noch anstecken? Oder handelt Magna einfach bewundernswert klug, weil die Gesunden vor der Infektion durch die Geimpften geschützt werden? 

Auch möglich. Aber einen merkwürdigen Umstand sollte man denn doch beseitigen. Den, daß so getan wird, als hätten Gesunde einen Mangel! Indem man sie zu UN-....(irgendwas) macht. Dabei sind SIE DIEJENIGEN DIE KEINEN MANGEL HABEN, und darin jedem Geimpften völlig überlegen. 
Wir leben aber überhaupt in einer Zeit, in der das Normale zum Mangel wird. Und sich alle möglichen Parteiungen und Bewegungen die größte Mühe geben, Rezepte zu verbreiten, mit denen das Normale, das Gesunde zu einem Ungesunden und Unnormalen wird. 
KEINES DIESER REZEPTE ABER, DAS NICHT SELBST ES IST, DAS KRANK UND ABNORMAL MACHT.

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Noch ein Wort zu Graz:

Die Stadt boomt, und wer sie wie ich noch aus den 1980ern kennt (und liebt), erkennt die Stadt kaum noch wieder. Sie platzt aus allen Nähten, und das (wunderschöne) Zentrum, das sich aufgrund der historischen Bausubstanz - im 16. Jahrhundert war Graz Hauptstadt des Deutschen Kaiser-Reiches) natürlich am wenigsten verändert hat, ist für diese rasante Entwicklung eigentlich zu klein. 

Ich kenne die konkreten Zahlen nicht, aber es würde mich nicht wundern, wenn sich dort bereits mehr Industriearbeitsplätze befinden (also Beschäftigungen, in denen reale, handfeste Dinge hergestellt werden), wie im viermal so großen Wien. Wo es fast nur noch Tertiärsektor gibt - Verwaltung, Dienstleistung, Beamtenschaft. In den letzten Jahrzehnten hat die Industrie fast systematisch Wien verlassen, während sie sich in Graz niedergelassen hat. Entsprechend saugt der Stadtraum die Bevölkerung der Steiermark auf, wie ein Schwarzes Loch. Jeder dritte Steirer wohnt bereits dort.

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Frühstücksplaudereien - Zu meiner Zeit galt Graz überhaupt als Studentenstadt. Zu Anfang der 1980er war jeder fünfte Grazer an der Universität eingeschrieben. Heute ist es noch mehr aber Arbeiterstadt, Stadt der MittelSCHICHTE (NICHT des MittelSTANDES!) .

Mit solch einer Mischung ist dann ein kommunistischer Bürgermeister überhaupt nicht unlogisch. Ich sehe da auch aus meiner Erinnerung heraus klare Zusammenhänge. Auf der Fakultät der Psychologie, an der ich damals inskribiert war, erreichte der KSV, der Kommunistische Studentenverband, bei den Hochschulwahlen mehr als 50 Prozent der Studentenstimmen. Bei den Anfängern (wie mir) waren es sogar 80 Prozent oder mehr. So wie heute aber war das rein dem persönlichen Engagement der Funktionäre zuzuschreiben, die sich wirklich um einen kümmerten. Und die ich schon deshalb bald kannte. Wir erzählten uns auch von unserer Kindheit. 

Wir waren alle Ministranten gewesen. Und der Oberste der KSV-Leitung, ich glaube er hieß Philipp, hatte lange Zeit WIE ICH Priester werden wollen.
Diese Koinzidenzen sind mir schon damals aufgefallen. Ich glaube sogar, daß es nur in meinen Generationen derartig viele verhinderte Priesterberufungen gibt, wie ich immer wieder festgestellt habe. Was sich auch in Männern zeigt, die nie geheiratet haben. Oder das nie hätten machen sollen weil in Wahrheit: wollen. (Siehe Anmerkung*
Der Teufel hat in den 1960er, 1970ern gerade noch etwas verhindert, so könnte man es sehen. Und zwar in ganz Europa.

Irgendwann habe ich, glaube ich, auch einen Mitgliedsantrag zum KSV unterschrieben. Zumindest war ich bei etlichen Versammlungen dabei. Die eine der wenigen Möglichkeiten waren, mit dem Mädchen, dem ich völlig verfallen war, wenigstens irgendetwas gemein zu haben, und etwas gemeinsam zu tun. (Dabei hatte sie mich dadurch noch mehr verachtet, denn sie war ja kommunistisch schon aus Familientradition: Ihr Vater war Sportjournalist bei einem Kärntner Organ der "Kummerln" gewesen, wie man sie damals in Österreich nannte. Das aber eingestellt worden war, worauf die Sozialistische Landes-Tageszeitung (KTZ) das Personal übernahm.

Wer die Kosten dafür trug, daß wir mit Bussen zu Demonstrationen nach Wien gekarrt wurden, habe ich damals nicht überlegt. Erst später habe ich von den Machinationen der "Roten Fini" erfahren, die für etliche kommunistische Bewegungen des damaligen Ostblocks Devisen beschafft hat. Auf welchen Wegen hunderte Millionen "verschwunden" sind. Eine wilde, spannende Geschichte, die voller Spionage und Geheimdiensten und Machenschaften ist und wie ein Roman wirkt. Daß es solche nur mit Ironie zu fassenden Ereignisse wirklich gab, wie sie Graham Greene ja so meisterhaft beschrieben hat, konnte damals und können heute die meisten Menschen gar nicht glauben. Aber es hat sich auch hier nichts geändert, ich bin völlig sicher. 

Es sind archetypische Strukturen - Gestalten! - die alles tragen. Das meiste am Tagesgeschehen ist wie Flugsand, der sich an den Fenstern anlegt, aber bei Änderung der Windrichtung sofort verschwunden ist, nicht mehr.

Morgen folgen weitere Gedankensplitter. Flugsand, und Perspektiven. Die Volksstimme.


*290921*