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Montag, 18. Oktober 2021

Beim Lesen von Adolf Portmann (1)

Es hat etwas von Karneval, wenn man den Menschen mit Termini und Methoden der Biologie beschreibt. Betrachtet man ihn wie es Portmann tut - als nicht abgeschlossene Stufe der Evolution als naturimmanentes Entwicklungsgeschehen - dann fehlen aber für die bei ihm als hervorragendsten Phänomene beobachtbaren Wesenseigenschaften (siehe Anmerkung*) die wirklichen Wurzeln, Gründe, Motive und realen Orte der Präsenz.

Das führt zu völlig verfehlten Begriffsdeutungen, wie man am Beispiel ERINNERUNG so gut sieht. Die bei Portmann wie überhaupt bei allen Biologisten (Biologen) wie ein "Speicher" gesehen werden muß. Über dessen Ort gestritten wird, seit diese neue Anthropologie vor 100, 140 Jahren aufgekommen ist. Wo findet sich diese Erinnerung? Im Fleisch? Im Gehirn? Im Frontallappen? In einer Struktur und Verlötung von Synapsen? In immer komplexer werdenden, schließlich über mehrere Ebenen, fast schon Dimensionen - zumindest müßte man eigentlich so denken, ohne sich vorstellen zu können, wie und wo das stattfindet - Synapsenkomplexe?

Oder verhält es sich nicht doch ganz anders? Daß nämlich der Ort der Erinnerungen im Geist selbst liegt, der nur AUSZERHALB des Menschen zu denken ist (siehe Anmerkung**) - als Wissen Gottes, des reinen Geistes. Sodaß die Erinnerung lediglich insoferne eine "Fähigkeit" des Menschen ist, als sie seine Haltung betrifft, die in entsprechender Sittlichkeit geprägt (der der Sünde verlorene verliert das Gedächtnis, ebenso wie der Sittenlose oder in seiner Sittlichkeit Kranke) zugängig ist. Sodaß der sittlich Höchststehende und Absolute auch die vollkommenste Erinnerung hat - Gott.

Wenn man davon ausgeht (und was wäre einleuchtender) daß die Methode einer Wissenschaft dem Gegenstand entsprechen muß, stellt sich deshalb doch die Hauptfrage, ob der Mensch überhaupt Gegenstand der Biologie ist. Denn selbst wenn er - scheinbar - einer ähnlichen Biologie unterliegende Zellen, Muskeln, Fasern, meinetwegen Verhaltensweisen zeigt, so definiert sich doch alles aus seinem höchsten (bzw. tiefsten, weil alles durchdringenden) Wesen. Und das ist beim Menschen, wie auch der Biologe Portmann sagt, sein Geist. 

Was dieser Geist freilich sein könnte, darüber streiten die Biologen ja auch seit Jahr und Tag. Denn mit der am häufigsten benützten Definition des Geistes als bloßes "Äquiphänomen" (also ein und dasselbe Geschehen wie beim Tier, rein biologisch, aber von gewisser Warte aus gesehen etwas anderes) ist keine Erklärung. Sie ist nur eine Verschiebung ins nächste Irrationale. 

Aber ebenso wenig wie Geist eine Dimension der Naturwissenschaften sein kann, ebenso wenig ist der Mensch Gegenstand der Biologie. Sondern der Geisteswissenschaften, der Anthropologie, der Metaphysik, der Philosophie und - vor allem - der Theologie.

Der Theologie? Ja, der Theologie. Denn auch in der von Portmann (und ich glaube es ihm als persönliche Motivation jede Zeile weit, die er schreibt) in so wunderbaren Worten gepriesene "Humanität" fehlt es an Motivation und Begründung, wenn sie in der Evolution begründet werden soll. Dann bleibt sie zufälliges "höchstes" Zwischenergebnis eines Prozesses, von dem man annehmen muß, daß er kein Ziel hat weil nie abgeschlossen werden kann. 

Aber es kann daraus nicht begründet werden, warum der Mensch einer besonderen Behandlung (oder gar: Liebe) "würdig" sein sollte. Und die Realität zeigt es uns, und zwar immer bedrängender, wie die menschliche Würde an bestimmte zufällige, zeitbedingte Bedingungen geknüpft wird. (Sogar ein "Ungeimpfter" fällt bereits unter die Kategorie derjenigen, denen die Würde abzusprechen ist.) 

Nur eine Verankerung in einer Schöpfung kann aber diese Würde des Menschen retten. Nur, wenn ich den Menschen als Ebenbild des Schöpfers begreife, sodaß ich in ihm auch den Schöpfer erstens sehe, und zweitens zu ehren habe, sodaß mir der Mensch im Erkennen immer "voraus" ist, das heißt er vorgibt, WAS er ist und damit wie er zu behandeln weil immer zu respektieren ist, nur dann kann ich auch das retten, was von Portmann und was allgemein Humanität genannt wird.

Wie bei Portmann aber überhaupt jene Freiheit entstehen soll, die er selbst als die herausragendste Eigenschaft des Menschen sieht, beobachtet, einfach feststellen MUSZ - ausgerechnet das kann er nicht begründen. Damit liest sich das, was er über den Menschen und sein Verhalten schreibt wie eine Büttenrede, oder ein kleines Kabarettstück, zu später Stunde unter bereits kräftig illuminierten Gästen vorgetragen. Wie der Zahnarzt - mit dessen Berufsblick und mit seiner Terminologie) das neue Alfa Romeo-Cabriolet beschreiben würde.

Aber Freiheit sieht er unbedingt, so sehr sie auch von innen wie außen eingeengt werden kann. Als in der Erinnerung vorhandene geistige bildliche Reizgestalten, über deren Wirken der Mensch alleine entscheidet. 

Morgen Teil 2) Zwischen Tod und Blüte.


*240921*