Er nahm Königin Isabella vor seiner ersten Abreise sogar den Schwur ab, daß alles, was er in "Indien" entdecken würde, alles das Gold und die Edelsteine, die man sich (auch aus den Berichten Marco Polos) erhoffte, eine riesige Armee finanzieren sollte, die den seit langem eingeschlafenem Gedanken eines Kreuzzuges in die Tat umsetzen sollte.
Das ist einer der Gründe, warum sein Logbuch, das als Reisetagebuch für die Auftraggeber und Finanziers so ausführlich geführt wurde, so viele Hinweise auf mögliche Goldfunde enthält. Sodaß man daraus schließen könnte, es wäre ihm nur darum gegangen - wüßte man nicht sonst so viel über ihn.
Zum einen mußten aber die Seeleute bei Laune gehalten werden, die ein ungeheures Wagnis auf sich genommen hatten - in eine völlig unbekannte Ferne zu reisen, von der man nicht sicher sagen konnte, ob man nicht eines Tages "von der Erde fallen" würde, oder (auch das eine häufige Angst) auf der anderen Seite der Erdkugel "hinunterrutschen" würde, sodaß man nicht mehr herauf- und nach Hause kam. Also mußte man ihnen die Aussicht auf riesige Gewinne ständig warmhalten, sonst hätten sie gemeutert.
Warmgehalten werden mußten aber zum anderen auch die Finanziers daheim. Sie hatten NUR die Motivation von Gewinn, und hier vor allem durch die Funde von Gold und Edelsteinen. Also notierte Columbus jede Äußerung der Indianer auf den Inseln, die entdeckt wurden, in denen diese von solchen Reichtümern AUF ANDERN Inseln und Landen berichteten. Wo zu vermuten steht, daß diese Erzählungen dazu eingesetzt wurden, um die Spanier, vor denen man sich durchweg bald fürchtete, wieder los zu werden.
Es hat vier, fünf Jahrzehnte gedauert, bis diese Reichtümer tatsächlich gefunden wurden. Die dann zuerst das Haus Habsburg zur ersten weltumspannenden Macht der Geschichte machten. Bis ihnen diese Reichtümer von den Engländern und Franzosen abgeknöpft wurden, und in der Folge erst jene, dann diese zum globalen Imperium machten.
Nimmt man nun noch die USA dazu, dann stehen wir vor der interessanten Situation, daß die Geschichte für alle diese Mächte schlecht ausgegangen ist. In denen die Krone des Römischen Reiches von einem zum anderen gewandert ist, alle mit dem Anspruch, das wahre Heilige Rom zu sein. Jene Macht, die Gott in ihren Hütten hat, und deshalb zu allem ermächtigt weil von Gott direkt beauftragt ist. Der seinen Willen an diese Krone gebunden hat, so wie er seinerzeit seine irdische Machtpräsenz an die Bundeslade gebunden hatte.
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Sie haben aber einen Konkurrenten. Der ebenfalls behauptet, das wahre Rom zu sein. Das von Byzanz auf ihn übergegangen ist. Und das ist das auf der Orthodoxie, dem wahren Glauben, der wahren Kirche und damit der einzig wahren Legitimität beruhende Heilige Rußland.
Man kann darüber sinnieren, aber der Gedanke ist nicht vom Tisch zu weisen, daß diese von Gott ausgehende Berufung ein Land, ein Volk, eine Herrschaft, die ein Volk oder Völker unter einer göttlich legitimierten Krone vereint, zu immensen Taten befähigen kann. Kein Weltreich ist ohne solchen Enthusiasmus (der "Erfülltheit von Gott") ausgekommen.
Und wenn China es auch gut verbirgt (wobei: dann auch gar nicht so gut, man muß nur die Filme anschauen, die das Land derzeit produziert, sie sagen in ihrer Geschichtsgründigkeit diesbezüglich nicht wenig aus!) so hat auch das "Reich der Mitte" seine wahre Sendung über Jahrtausende als wahren Hort des Wohnsitzes Gottes unter den Menschen verstanden.
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Tzvetan Todorov ist in "Die Entdeckung Amerikas" der Meinung, daß diese Rückständigkeit Columbus sogar die wahre Ursache war, daß Amerika entdeckt wurde! Nur aus dem ihn, den tieffrommen Katholiken beseligenden Ziel heraus, einen Kreuzzug zu finanzieren, brachte er die Energie auf, alle Hindernisse zu überwinden, um diese Reise auf die Beine zu stellen. "Columbus ist kein moderner Mensch," schreibt er. "Und dieser Umstand hat wesentlichen Einfluß auf den Ablauf der Entdeckung, gleichsam als könnte derjenige, der eine neue Welt ins Leben ruft, ihr nicht bereits angehören."
Als könnte er ihr nicht bereits angehören. Columbus ist einsam in Spanien gestorben. Nachdem er regelrecht aus dem Rennen gebissen, abgesetzt, gedemütigt, verurteilt (und begnadigt) worden war. Von wem? Von Leuten, die an die Vision von Gold und Gewinn angetrieben keine Intrige unterließen, den "altmodischen" Mann auszuschalten. Von skrupellosen Emporkömmlingen, die ihre Chance auf Aufstieg, Glanz und Reichtum witterten. Und die der (was den materiellen Aspekt anbelangte ziemlich enttäuschten) spanischen Königin die Zukunft in schönsten Bildern ausmalten. Die aber nur über "neue" Wege wirklich würden.
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Erinnert das nicht aber auch an Moses? Ist er nicht auch von dieser Warte her der Archetyp eines Führers in ein Gelobtes Land, der nicht zuletzt menschlicher Intrige zum Opfer fiel, woraufhin ihn der Oberste König - Gott - dazu verdammte, dieses Land selbst nie besiedeln zu dürfen? Wenigstens in einigen Aspekten.