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Dienstag, 2. Juli 2013

Das Ganze ist mehr (1)

Es entsteht aber durch das Ganze etwas völlig Neues, schreibt Leo Gabriel in "Logik der Weltanschauung". "Wenn aus einzelnen Tönen eine Melodie entsteht, ergeben die einzelnen Töne zwar die elemente, das Material; die Melodie aber bildet etwas unvergleichlich Neues, das in der bloßen Gesamtheit der verwendeten Töne nicht enthalten und daher auch darin nicht auflösbar ist.

So ist es ja auch möglich, diese Melodie in eine andere Tonart zu transponieren, wobei sie als die gleiche Melodie erkennbar bleibt, obwohl sie nun aus völlig anderen Tönen aufgebaut ist. Ebenso können aus diesen Tönen als je Einzelne völlig andere Melodien gebildet werden.

"Es besteht offenbar eine gewisse Unabhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen, das sich als Invariante ihnen gegenüber ausweist. Aber noch mehr, es zeigt sich, daß die Teile erst durch die im Ganzen bestimmten Beziehungen ihre besondere Stellung und Bedeutung erhalten."

Durch die Hineinnahme der Sinnesdaten in das Ordnungsgefüge des Denkzusammenhangs werden dies auf eine neue Ebene ihrer Leistungsfähigkeit gestellt, erhalten buchstäblich eine "Bedeutung", sie sind nicht mehr, was sie früher waren, sie sind nicht mehr bloße SinnESdaten, sondern nun SINNdaten in der Qualität ihres neuen Bedeutens. So wie die Töne innerhalb einer Melodie eine andere Rolle und Funktion erhalten, als sie für sich und außerhalb dieses Zusammenhanges oder im Zusammenhang einer anderen Melodie besitzen.

Oder, am Beispiel eines Gemäldes: Im Rahmen eines Gemäldes erhält eine Farbe einen völlig anderen bzw. einen bestimmten Sinn, im Rahmen der Gesamtheit der Farbtöne, die sich auf dem Gemälde befinden.

Der Zusammenhang, in den die Einzelheiten eingesetzt werden, wirkt QUALITATIV BESTIMMEND auf sie zurück. Dieselbe Einzelheit in einem anderen Zusammenhang zeigt sich "in einem anderen Licht".

Deshalb wird einleuchtend wenn man sagt, daß das Ganze das ist was schöpferisch bestimmt was etwas ist, daß das Ganze die schöpferische Form ist. Ordnung ist qualifizierende Form (wenn auch nicht in der Substanz des Teiles).

Damit ist das Ganze das schöpferische Moment der Synthese, insofern den Teilen erst im Zusammenhang des Ganzen ihre Bedeutung zufließt. So ist es möglich, daß ein und dasselbe Teil in anderem Zusammenhang eine andere Bedeutung hat. Identische Erfahrungen sind unterschiedlich auswertbar, sodaß die Verschiedenheit des Zusammenhanges auf die eingesetzten ERfahrugnselemente qualitativ differenzierend wirkt.

Ohne Abstraktion auf ein Ganzes hin - wobei diese Abstraktion eigentlich ein synthetischer Akt ist - kann also aus einem Erfahrungsdatum gar keine Bedeutung ermessen werden.

Sodaß gleichzeitig klar ist, daß die umfassende Weltanschauung es ist, aus der heraus jedes einzelne Erkenntnisdatum des Menschen gedeutet wird.

Das gilt in gleich scharfer Weise auch für die Wissenschaft. Zwar lassen sich die Punkte x, y, z einzeln bestimmen, aber ob sie miteinander (und: wie) verbunden das Portrait Lincolns ergeben, ob sie also dahinein gehören, oder in die Umrisse einer Dampflokomotive, ergibt sich nicht aus den einzelnen Sinnesdaten, sondern ist eine schöpferisch-synthetische APRIORI-Leistung der Deutung.*




Teil 2 morgen) Was das mit ADHS zu tun hat






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