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Samstag, 6. Juli 2013

Wannen denn die Wale springen (2)

Teil 2) Öffentliche Submissive-Spiele




Polly Adler ist damit Teil jener Generation von Frauen, die vor 20 Jahren aufstand, als Töchtergeneration nach der ersten Feminismuswelle. Als Lucilectric (siehe Video im 2. Teil) mit "Weil ich ein Mädchen bin" reüssierte und damit genau diesen Generationswechsel im Bewußtsein der Frauen anzeigte. Die einfach draufgekommen sind, daß die "neue Frau" auf viel verzichten muß - aber auf nichts verzichten wollen. Die also Erdbeeren von einer ganz anderen Torte mitnaschen möchten, die sie sonst verschmähen.

Der Verfasser dieser Zeilen kennt die Autorin nicht. Nicht persönlich. Aber es würde ihn nicht wundern, wenn in deren Vita ein geschaßter Mann eine gewisse Rolle spielt. Natürlich alles mit Recht und Berechtigung und "richtiger Rechtfertigung".

Damit besteht die Gefahr, daß solcherart aufblitzendes Frausein zu konsumieren - das auftaucht wie die Handpuppe im Kindertheater - dem Konsum von Internet-Pornographie verdächtig ähnelt. Alles bleibt virtuell, bleibt im Reich der Vorstellung. So wie Unterwerfungsspiele die Sexualität längst dominieren, wie eine Untersuchung über Sexualpraktiken jüngst plausibel belegt hat, die wie im Kinderspiel Wirklichkeit simulieren, ohne den Mut zur ihnen grundgelegten Wahrheit der Zueinanderordnung Mann - Frau.

Nahezu die gesamte Bandbreite dieser Sexualpraktiken, die von verworrenen Geistern als Entfaltung der Sexualität oft regelrecht propagiert werden, sind diesem ins Spiel verlegten hierarchischen Zueinander (Unterordnung der Frau, Spiel mit ihrer Würde) zuzurechnen. Sie sind also nicht einmal Vielfalt, sondern nur Äußerungen ein und desselben Grunddrängens, das schon deshalb "Variation" sucht, weil es in keiner probierte "Variante" zur Sättigung kommt.

Vollzug, der (in subtiler, willentlicher Selbsttäuschung: denn die Sinne melden sogar eine scheinbare Realität) in die Virtualität, in die Vorstellung hinaufgedrückt wird und Wirklichkeit vorgaukelt. Als in eben der Wirklichkeit aber nicht mehr gesättigte Natur aus dem männlichen Geben und weiblichen Nehmen, aus Gestalten und Aufnehmen, aus dem Einen, das in aktivem und passivem Prinzip erst eines, und ein Neues wird. Vorstellung, die dem Willen als Urteil aus dem Wesen des Wahrnehmens heraus (dazu noch mehr an dieser Stelle) als "Vollzug" gilt. Sodaß die Sexualität im eigentlichsten Sinn tragisch wird. Weil plötzlich Spiel als Ernst gelten soll. Das Kind weiß aber, daß es spielt! Manichäismus, Spaltung von Leib und Geist in seiner reinsten Form also.

Damit ist Polly Adler keineswegs als einmaliges Phänomen zu sehen. Die scheinbar erfrischendsten, den Feminismus konterkarrierende Beiträge, die meist als Zitate des gesunden Hausverstands daherkommen, zur unseligen Debatte, von Männern groteskerweise gerne und erleichtert beklatscht, kommen mittlerweile von Frauen. Eine Debatte, welche man an sich ja gar nicht ernstnehmen müßte. Was man aber ernstnehmen muß sind ihre Folgen. Auch eine Birgit Kelle fällt in diese Kategorie, so wenig sie sich vermutlich darin sehen würde. In die auch die vor etwa 20 auftauchenden, bis heute bestehenden Kolumnen einer Marga Swoboda gehören. Und wer "Sex and the City" kennt, kennt das amerikanische Pendant. Es sind ... Unterwerfungsspiele.

Aber genug des Bierernsts. Man soll nämlich dennoch das real Spielerische, das Erfrischende, das allen Dung auflockernde solcher Gespräche als Momente, als dialektischer Reiz, wenn er denn real auftaucht (und, als Mann gesagt: wie selten, wie selten taucht er schon auf!) nicht verachten. Der einen nachdenklich darüber macht, wohinein man sich als Mann längst hat zurückdrängen lassen. Als Sprungbrett zum Leben selbst, das man im Absprung - verläßt. In dem durchaus, wie erwähnte Kolumnistin demonstriert, der Eros aufblitzt. Der immer echt ist. Nur ist er hier einer der bunten Fische im dichtbesetzten, keineswegs sortenreinen Teich.

Deshalb: als Mann nur zwischen den Lippen behalten, kosten, als Bild und Logos wachrufen, aber nicht schlucken. So, wie jene es mit dem Leben tun. Das Wahre darin aber darf man nicht übersehen. Denn die Forderung darin, ja die Aufforderung IST wahr, nur wagt sie kein Fleisch anzunehmen. Bei Männern wie Frauen gleichermaßen. In Schach gehalten vom Terror der Debatte, die in der Gestalt als "Allgemeines" daherkommt, in aller normativen Kraft. Die aber aus Widernatürlichkeit in die Spaltung treibt.*

Jene Kraft, aus der sich das Leben zur Gestalt und Schönheit - in Todesverachtung - aufschwingt. Und das blüht nur auf, wenn Offenheit für die Wirklichkeit besteht. Mit aller Bereitschaft, die Folgen aus dem für die Einzelentscheidung Richtigen - das ist Ethik - zu tragen. Die man dann beim Worte zu nehmen, beim Schopfe zu packen hat. Die bedrückende Schizoidität der Gegenwart läßt sich nur so bekämpfen, in der paradoxen Intention, im Wahrnehmen.

Womit wir hier beim Humor, dem übersteigert Ernsten das zum Tragischen wird und in der Selbststeigerung zum Humor kippt, und dort beim Heiligen angelangt sind. Denn wie Polly Adler in einer Kolumne schreibt: Die größten Wale springen dann, wenn man frei geworden ist von Erwartung, und nimmt, was kommt. Denn es ist der Aufruf zum Selbstsein, was sich Kreuz nennt - und dem Eros der Welt zu folgen, ohne Furcht und ohne kleinbürgerliches Moralgewinsele.

Und wer den Bierernst hiesiger Gefilde verläßt, sich südlicherer, romanischerer, teilweise auch östlicherer Destinationen annimmt, wird dabei noch immer Erstaunliches entdecken. Die Kastration des Mannes ist ein germanisches (fast möchte man sagen: germanistisches) Problem. Freud's Entdeckungen waren kein Zufall. Er war Indikator einer kleinen Welt, in der auch in diesem Punkt die große ihre Probe hielt. Nur - dort kommt sie in homöopathischeren Verdünnungen vor.

Aus Polly Adler könnte noch was werden ... Selbst die Aids-Initiative, zu der sie von ihrer Homepage verlinkt, scheint bemerkenswert auf das beschränkt, was Aids-Initiativen eigentlich sein sollten: Obsorge um die Leidenden. Ohne der Welt eine neue Moral aufs Auge drücken zu wollen. Sie müßte nur abspringen. Solange sie nur wippt, bleibt sie nur angsterfüllter Teil dessen, worunter zu leiden sie aber wenigstens eingesteht. Es gibt ihn aber nicht, diesen dritten Weg. Solange sie aber glaubt einen solchen gefunden zu haben, wird ihre Ironie immer wieder Zynismus, bleibt ihre Freiheit die Frechheit der Schamlosigkeit.

Das anzunehmen ist aber nicht realistisch. Denn die Kehre in der Feminismusdebatte kann nur von Männern kommen, die heute nicht einmal mehr den Mut haben, sie zu führen, es lieber den Frauen überlassen. Und die, die spielen damit, was sonst. Wir werden also weiter warten müssen, bis die Wale springen.







*Der Großteil der ebenfalls heute immer häufiger werdenden Libido- und Potenzprobleme hat genau dort seine Ursache: Die fleischliche Wirklichkeit hat keine Relevanz mehr für den Willen als Konglomeratpunkt des Empfindens wie des Reagierens. Der Geist wird nicht mehr angewegt, sondern ihm bleibt nur noch der Verstand. Und damit die Virtualität, die vorgestellte Wirklichkeit als Zielpunkt des Handelns. Die virtuelle Sexualität hat ja ein Merkmal: sie ist in allen ihren Elementen beherrschbar. Die Hingabefähigkeit des Menschen, und damit die Verkostungsfähigkeit für die Wirklichkeit selbst, erlischt damit. Während die somit eintretende Verarmung ihren Ausweg in immer ausgeprägteren virtuellen, spielhaften Praktiken sucht, immer im Provozieren von Wirklichkeit, aber immer kurz davor endend. Mit der sprunglinearen Tendenz, diese wirkliche Wirklichkeit selbst zum Spiel zu machen, ins Spiel zu integrieren, weil mit der Virtualität auch der Ruf nach eben dieser Wirklichkeit - deren Ungesättigkeit immer größer und erfahrener wird - ansteigt, lauter wird. 

Sodaß die Grenzen des Spieles immer weiter überschritten werden, um noch Erlebenswert - und das heißt immer: Neues, als in der Struktur der Ratio nachgespielte Analogie zum Kernwert des Lebens selbst, der im Schöpferischen besteht, weil nur dann die Wale springen, und sie springen immer überraschend, und damit das Element der Wirklichkeit selbst - zu haben. 

Die virtuelle Sexualität drängt damit aus sich heraus auch in die Öffentlichkeit, um sich das Nicht-Vorhandene - Dialektik des Geistes! - erfahrbar zu machen, und Erfahrung heißt: präsent sein. Sucht damit das Gegenüber des Allgemeinen als Analogie zur (einen) wirklichen Wirklichkeit selbst einerseits, als "Gerichtshof" dessen Gewicht immer weiter steigen muß anderseits.

Das hier Gesagte wird vielleicht ein wenig leichter über einen häufiger bewußten inneren Vorgang verstehbar: Der Stolz, der sich seiner bewußt wird, ja aus eben diesem Stolz heraus sich seiner bewußt werden WILL, verordnet sich, wenn er das Unethische des Stolzes erkennt, die Herabwürdigung seiner selbst, um sich Demut vorzugaukeln. Was gerade in der Selbstherabsetzung zu einer Demut führt, die in Wahrheit erst recht Stolz und Hochmut ist, sich der Stolze wie er es ja will sich sogar in der Größe des Demütigen sich selbst verdankt. Der Stolz kommt also gerade in der Selbstherabsetzung besonders leicht zu seiner vollen Erfüllung. Der narzißtische Mensch (ein Phänomen des Stolzes) zeigt dieses Pendeln hervorragend. Im übrigen ist es etwas ganz anderes als das manisch-depressive Verhalten. 





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