Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 31. Juli 2013

Schorle vom Dag

Jetzt wird's überhaupt nur noch grotesk. Alle sind nun Opfer. Die Armen in den Favelas und die ersoffenen Flüchtlinge vor Lampedusa solche der Ungerechtigkeit und Hartherzigkeit der Reichen und vom "Egoismus der Gesellschaft", die Homosexuellen Opfer von Veranlagung (ach ja, pardon, wissenschaftlich doch wie so ziemlich alles heute erwiesen, oder?), Straftäter der sozialen Verhältnisse, und die Rauschgiftsüchtigen Opfer der Drogenhändler ... die Liste wird sich noch weit erstrecken, mit jeder Schorle vom Dag etwa wird sie ein Stück weiterwachsen.

Schuld schaffen wir einfach mal ab. Also für ein paar Tage zumindest. Bei den anderen nicht, klar. Aber bei uns. Da piesakt uns ohnehin pausenlos das Gewissen. Das legen wir mal beiseite, und kuscheln uns ein wenig glücklich, einverstanden? Naja, so sind sie halt, die Jungen heute.

Und war da nicht einmal etwas mit Kreuz und so? Als Tor zum Transzendenten, als Schlüssel zum Heil? Als Auftrag, sich hingebungsvoll ins Unbekannte aufzurichten, in die insecuritas zu schreiten - weil dort überhaupt erst der Geist anfängt, Geist und Persönlichkeit eine geheimniserfüllte Analogie bilden? War da nicht einmal etwas von Personsein, das Aufrichten heißt, trotz allem, als vollendete Analogie zu Gott, um so am reinen Sein teilzuhaben, in dieser Hochzeit der Willen?

Ach so, das ist hartherzig und zynisch, so etwas zu erwähnen. Wir haben für Gerechtigkeit auf Erden zu sorgen. Nicht in der eigenen Pfarre, beim Nachbarn ums Eck, das ist egoistisch und selbstreferentiell, sondern in Rio und Johannesburg und Kalkutta. Auch dre Papst liefert dazu seinen Beitrag: Fairtrade-Kaffee wird mit Ablässen belohnt, und päpstliche Twitterabos mit Heiligungszertifikat ausgestattet. Die regelmäßigen Motivationsveranstaltungen nicht zu vergessen. Naja, so sind sie halt, die Jungen heute.

Früher war es zwar ein bißchen leichter, fromme Texte von Päpsten auf Homepages zu veröffentlichen, aber bitte, es findet sich schon noch der eine oder andere Papstsager, der wenigstens nicht oder nicht gar zu deutlich falsch ist. Und wer kann schon war dagegen sagen, wenn es plötzlich nur noch so von "fühlen" schwirrt in heiligen Texten. Alles klar, man muß ja das Gute suchen, sagt die Liebe, das wird selbst in den letzten Holzschädel schon noch reingehen. Daß damit etwas legitimiert wird, das in Wahrheit in eine ganz andere Richtung läuft, braucht uns nicht weiter zu kümmern. NLP hat ja nicht NUR schlechte Seiten. Und im gerade noch nichts Falsches sagen waren solche Herrschaften immer schon Weltmeister.*

Die große Gesamtbewegung, die alles regelrecht in den Orkus reißt, weil die geistige Verankerung, die fleischliche Prägung gar nie gegeben war, niemand mehr in sich steht, weil das Gefühl als Basis einfach nicht reicht und so seltsam mitwandert. Ach ja, die kalkulieren wir als Collateralschaden. Ex incarnatus est? War mal. Wir haben nun das Zeitalter des Geistes, der bekanntlich weht wo er will. Vor allem in uns. Kollateralschäden, am Wege zu einer diesmal aber wirklich reformierten Kirche. Wo gehobelt wird fallen eben Späne. Die für gewöhnlich den Vorzug haben, unter den Tisch zu fallen. 

Jetzt käme es auf die Priester an, die Menschen zu stärken, gerade jetzt, wo man sie ohne Hosen und im Regen stehen läßt, ihnen in den Rücken fällt und heillose Verwirrung anstiftet. Jetzt sie nicht im Stich lassen, die Leut, die einfachen Leut, während das schizoide Wort der nominellen Richtigkeit aber der falschen Realintention Urstände feiert, aus dem kußgespitzten Munde narzißtisch Gestörter gefeuert, als wäre der Diabolos zu einem Tänzchen aus dem Fäßchen gelassen. Die nun endlich ihre Meinung sagen. (Als hätte die jemals jemanden an einem Papst interessiert, der nicht gerade Reporter der Bunten war.) Und dafür Kreuzwege hinlegen, daß die Notenrichter siebenmal (von acht!) die Höchstnote gaben: 9,0. Weltrekord. Wann erlebt man schon so eine zehnte Station? Und dann erst die vierte, was sagt man dazu? Das Blitzlichtgewitter der iPods war nicht enden wollend, und so mystisch. Naja, so sind sie halt, die Jungen heute.

Ja, liebe Kinder, jetzt ist sie eben da, die Zeit, wo sich zeigt daß Glaube aufs Zerreißen nur in der realen Persönlichkeit ankern kann und muß, in jenen Gewißheiten, die tief im Herzen und im Fleisch sitzen, nicht auf Twitter und Webseiten und Blogs. Die es immer schon gewußt haben, die, die die immer schon die Kirche waren, jubeln bereits. Endlich ein Papst, der die Probleme der Zeit versteht. Ein neuer Frühling bricht an, eine neue Zeit, rufen sie, voller Liebe und Barmherzigkeit.

Bei Benedikt war alles so irgendwie ... also sicher, er war auch super, gibt es nix zu sagen. Generation Benedikt und so, echt cool. Aber der, der ist halt so richtig, wie soll man sagen ... ein Zuckergoscherl? Der reißt halt so richtig mit. Ist halt ein anderes Temperament, so mehr Cucaracha oder so, oder Footloose, nicht so sehr intellektuell, wenn man das sagen kann. Er hat halt nicht jedem gefallen, der Benedikt, mehr polarisiert, gewissermaßen. Der jetzt aber, bei dem ist es, als würde sich alles aussöhnen. Dabei sagt der genau dasselbe, also total, das mit der Abtreibung und so, echt cool. Aber er sagt's halt anders. Nicht so direkt. Also schon, aber ... mehr fürs Herzerl, so irgendwie ... nein, paßt, echt. Ein Baum, zwei verschiedene Asterl gewissermaßen. Was? Na klar, wenn ich heimkomm, wird missioniert, gleich am Montag fang ich an, wenn ich den Jetlag ein bisserl aus den Knochen hab.

Ich hab's ja versprochen, gewissermaßen. War mir eh ein bisserl ... aber das war schon geil, wie da so 500.000 Jugendliche stehen, und er sagt: sprecht mir nach, und 500.000 Jugendliche sprechen nach. Pfauh, da isses mir über den Buckel runtergelaufen, und wie sich das anhört! Das war wie eine Dusche mit Heiligem Geist, sozusagen. Ich mein, ist ja wahr, fehlen doch überall, die Werte, und wie! Das sagt er schon richtig, hat mir echt getaugt. Und dann dieser Egoismus überall, nein echt, schrecklich. Also der trifft gewissermaßen den Nagel auf den Kopf, den heutigen. Und für die Jugend isses auch viel gescheiter, sie geh'n zu einem Gebetstreffen, als nehmen vielleicht Drogen oder machen sonst einen Blödsinn. Sollen besser missionieren, sich für was engagieren, Gerechtigkeit und so, was Sinnvolles halt. Fehlen doch wirklich heutzutage, die Werte, seind wir's uns ehrlich.

Seltsam, wieviele Frühlinge es gibt in den letzten Jahren. Die ganze islamische Welt genießt ihren Werterausch auch gerade. Das mit der Demokratie kriegen die schon noch hin, dauert halt ein bisserl. Aber mehr und mehr gehen sie auch sonstwo auf der Welt auf die Straße, und sagen, was sie sich denken. Gegen erhöhte Fahrscheinpreise und Grundlöhne protestieren, oder einfach "Frieden jetzt!" einfordern, den die böse Welt nicht und nicht hergibt. Wir lösen einfach alles auf, machen alles gleich, und haben uns nur noch lieb - ja ist denn das nicht eine Lösung? Da machen wir unseren täglichen Flashmob dazu und fühlen uns nur noch glücklich.

Und die Priester? (Auf Bischöfe zählt sowieso keiner mehr.) Also die, die mehr tun als das Pfarrhaus zum wöchentlichen Franziskus-Revival zur Verfügung zu stellen, und die Werte beim Favela-Grillen zu moderieren.

Mal sehen, wer nun seine Weihe ernst nimmt, und tatsächlich sein Blut gibt. Wer nun, wo der Wind richtig scharf wird, in die letzten, feinsten Winkel kriechen wird, und wie scharf wird er erst noch werden, wer nun also mit derselben Bewegung - des Arschkriechens, des Hineinduckens in die Masse, die sich selbst heiliggesprochen hat und deshalb gar nicht irren konnte, weil Papstkriecherei schon Garantie für das Seelenheil zu heißen schien - plötzlich auf einer Seite rauskommt, die ihm noch vor wenigen Monaten der Gottseibeiuns war. Jetzt, wo es nichts mehr zu erben gibt, keine Posterln und Karrieren und Lobesadressen, sondern wo es wirklich drauf ankommt. Mal sehen, wohin sie jetzt abdampfen. Immerhin, man muß ja "klug" sein. Oder ob sie das, was sie bislang in ausreichend dimensionierten Sonderräumen groß verkündet haben, auch wirklich glauben. Naja, so sind sie halt.

Doch jetzt ist sie da, die Zeit der Prüfung, die Zeit der Strafe. Sie erwischt die Kirche genau dort, wohin sie sich gekrankt hat. Sie wird vor allem die Priester sieben. Die Gläubigen sind da Kollateralschaden.

Ach ja, eines haben wir vergessen -  das Gefühl. Bitte.









*Manche Leute meinen ja, DAS wäre er, der Geist des 2. Vatikanums, weil dessen Texte eine Meisterschaft des "Gerade nichts Falsches sagen" sowie des "Wie man Wahrheit vermeidet, obwohl man nur Richtiges sagt" wären. Also das findet der Verfasser dieser Zeilen denn doch etwas übertrieben. Wenngleich, wenn man genauer nachdenkt ... ach, lassen wir das. Der Kakao wird kalt.




***