"Das eigentliche, einzige und tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte, dem alle übrigen untergeordnet sind, bleibt der Konflikt des Unglaubens und Glaubens.
Alle Epochen, in welchen der Glaube herrscht, unter welcher Gestalt er auch wolle, sind glänzend, herzerhebend und fruchtbar für Mitwelt und Nachwelt.
Alle Epochen dagegen, in welchen der Unglaube, in welcher Form es sei, einen kümmerlichen Sieg behauptet, ... verschwinden vor der Nachwelt, weil sich niemand gern mit Erkenntnis des Unfruchtbaren abquälen mag."
J. W. Goethe, "Israel in der Wüste"
Florens Christian Rang weist einmal darauf hin, daß (unabhängig von aller unfruchtbaren und oft genug dümmlichen Diskussion über die Frage nach Goethe's Christentum) man nicht übersehen darf, daß Goethe in seiner Zeit ein schwärmerisches, pietistisches Christentum gegenüberstand, das Gefühlsrausch mit Geisterfahrung verwechselt. DAS hat er in seiner Ablehnung zweifellos gemeint. Denn ihm war alles Schauen ein Schauen von Gestalten, ihm war Gott in der Form gegeben, jenem Tor, an dem der Geist wie ein Schmetterling in der Flamme der Sehnsucht des Fleisches nach Erlösung verbrennt. Er war auf der Suche nach jener Quelle, die ihm die wahre Religiosität immer war, die er aber in keiner der aktuellen Glaubensgestalten vorfand. Und das hieß und heißt zweifellos: das erneute Aufschließen der Glaubenstür, auch für die sogenannte christliche Welt.
Es sind nahezu immer die Christen selber, die den Blick auf die Gestalt Jesu Christi, von der dieser Geist des Schöpferischen ausgeht, verstellen, verhüllen, anstatt sie zu enthüllen.
Der Welt fehlt es noch gar nicht am Christentum, sondern an seinem Grund: An der Religiosität, am En-Thosiasmus, nicht an Gefühlsrausch und Geplappere.
Der Welt fehlt es noch gar nicht am Christentum, sondern an seinem Grund: An der Religiosität, am En-Thosiasmus, nicht an Gefühlsrausch und Geplappere.
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Das erinnert den Verfasser dieser Zielen an ein Gespräch, in dem ein Kenner der islamischen Welt, selber Katholik, darauf hinwies, daß die "Christenverfolgung", die in islamischen Ländern beklagt wird, oft vielleicht gar keine ist, oft genug um eine Religionsform entbrennt, die auch dem Katholischen Geist sehr fragwürdig sein muß. Ausgangs- und Zielpunkt solcher Verfolgungen sind oft genug jene protestantischen Freikirchen und Sekten, die "im Namen Christi" auftreten und aggressiv "missionarisch" Voluntarismus und Spiritualismus predigen, wie sie mit dem eigentlichen Christentum, das per se eine Religion der Gestalt (Christi) ist, kaum noch etwas zu tun haben. Ein ausgewogener, realistisch-wirklichkeitssatter Katholizismus, so der Priester, stößt in diesen Ländern kaum einmal auf derartige Ablehnung. Ist das Bild des "Christentums" in der öffentlichen Meinung aber einmal verzerrt, werden alle in einen Topf geworfen.
Die Frage stellt sich aber, ob der europäische Katholizismus, ob die Katholische Kirche überhaupt noch genug Gestalt und damit Kraft hat, um missionarisch wirken zu KÖNNEN. Ob nicht sein Gesicht jenem verdächtig ähnelt, dem auch Goethe gegenüberstand, und von dem er sich - man möchte sagen: mit Recht - angewidert abwandte.
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