Teil 2) Entweder nationalstaatlich - oder gar nicht
Menschliche Gesellschaften haben
der menschlichen Art gemäß, die sich in seiner natürlichen Entwicklung
erkennen läßt, gleichfalls je aufsteigende Kreise der Selbstausdehnung,
der Weltintegration - Persönlichkeitsentfaltung, mit anderem Wort. Es
beginnt bei der Grenze der Mutter-Kind-Beziehung, und weitet sich
allmählich in immer weitere zwischenmenschlich-gesellschaftliche Kreise.
Die sich je weiter umso geistiger in ihre Ursprung darstellen. Wobei
schon die Mutter-Kindbeziehung ihrem Wesen nach geistig (auf die
Persönlichkeit orientiert) ist, man beachte nur das Inzestgebot, der Austausch untereinander ritualisiert ist und darin das Wesen der Begegnung als Darstellung (und nur darin) verwirklicht.
Deshalb ist auch das menschliche Wirken in bestimmten Umfangsdimensionen, die durchaus in Zahlen zu fassen sind, eingebettet, sich lediglich aber sehr bestimmt in der Art unterschieden wie im Schneeballsystem ausfalten. Zwei, fünf (Familie), zwanzig (Großfamilie), hundert (Sippe, Nachbarschaft, Gemeinde), tausend (Landkreis), zehntausend (Staat). Größer ist das menschliche Wesen nicht ausgelegt, historisch wurde die menschliche Ansprechgröße, sein maximal möglicher persönlicher Wirkkreis auf diese Größe - etwa (5-10.000) - beschränkt gesehen.
In
der Antike begann an diesem Punkt die Kolonialtätigkeit. Weil die nun
überzählige Bevölkerung den Staat verlassen mußte. Ab hier kann nur noch
ein Repräsentationssystem einsetzen: Wo einer für 10.000 steht, was
übrigens dem alten Adelsbegriff entspricht. Es macht keinen Sinn für
einen dieser 10.000, in (sagen wir) zwischenstaatliche Angelegenheiten
einzugreifen, diese Ebene hat völlig neue und andere Gesetze und Inhalte
in ihrem Zueinander. Die sich zwar in allem Unteren wiederfinden, aber
in völlig anderer Art. Während "der, der für 10.000 steht", sich von
dieser unteren Art abstrahiert haben muß, um dieser Ebene der Beziehung
zu entsprechen. Auch das ist ja das traditionelle Selbstverständnis des
Adels gewesen, das Aufgehen in einer abstrakten Repräsentation.
Nur
in diesem Größenverhältnis aber kann noch verantwortete persönliche
Wahlentscheidung für das Ganze - die es in Fällen wie Krieg oder
Ausstoßung gab - überhaupt getroffen werden, weil zwischenmenschlicher
Austausch egal welche Mehrheit noch auch den etwa anders Meinenden mit
einschließt. Darüber hinaus besteht die Gefahr wirklicher
Gewaltherrschaft der Mehrheit über die Minderheit, droht also das
Auseinanderbrechen in Gruppierungen.*
Darüber
hinaus müssen deshalb die Repräsentanten diese Entscheidung treffen,
und zwar IM ABSTRAHIERTEN SINNE DER 10.000. Die sich in immer größeren Verbänden
erneut in hierarchischen Stufen, aber mit strukturell gleichen Aufträgen (der "Querbalken")
zusammenfinden, bis zum Allerhöchsten, dem König oder gar Kaiser, welch
letzterer aber von andere Kategorie ist.
Das
ist das stärkste Argument in der Kritik des Zentralismus, das stärkste
in jeder Föderalismusdebatte. Weil Zentralismus alle Zwischenebenen
auflöst, um nur als Einzelner allen Einzelnen direkt gegenüber zu
stehen. Weil in ihm das Unterste eine ihm nicht adäquate Ebene antrifft,
deshalb in seiner Art gar nicht Zupassendes erhalten wird können.
Umgekehrt steht das Zentrum als viel zu mächtiges (weil übersteigendes,
andere Wirkprinzipien bewegendes) Gegenüber dem Einzelnen gegenüber.
Wenn vor einiger Zeit der Journalist Christian Ortner ein Buch herausgab, in dem er den Sinn der Demokratie hinterfragt, weil die Bevölkerung gar nicht wissen kann, WAS sie in den Wahlen überhaupt entscheidet, so meint er genau da (ohne es zu wissen: er meint, etwa durch ein "Mehr" an Information wäre das behebbar.) Die Abstrakivebenen der Repräsentation des Ganzen sind niemals stufenüberspringend transformierbar. Unterwirft man dieses Ganzheitsprinzip aber der "untersten" Stufe, in Abstimmungen, Wahlen, verliert die oberste Stufe ihre Abstraktion - sie wird "banal", vermag nicht mehr zusammenzufassen.
Umgekehrt darf ein höchstes Prinzip (grundsätzlich) niemals direkt stufenüberspringend eingreifen. Es wird die Ordnung sämtlicher unteren Stufen auflösen, und das gesamte Volk in ein Chaos stürzen - es fehlt die Transformationsmöglichkeit. Es darf nur abstraktiv entscheiden, was "für alle" - ohne jede Konkretion - gilt. (Ohne noch diskutiert zu haben, obwohl es sich aus dem Gesagten ergibt, nach welchen Kriterien und Orientierungen es dieses überhaupt darf oder muß.) Das Kleine, Alltägliche des Lebens im Detail zu regeln, kann niemals Aufgabe eines höchsten Prinzips sein. Es überschreitet unzulässig seine Zuständigkeit.
Im Versuch, das zu illustrieren: Die hohe Mathematik beschäftigt sich mit dem Zueinander von Größen, die aus dem Integral einer Datenkette hervorgehen. Die Erkenntnisse, die sie daraus gewinnt, zeigen zwar die Prinzipien des Vorgehens "auf der Straße", aber der Kaufmann um die Ecke kann damit nichts anfangen. Es wird auch sinnlos sein, ihn in die Geheimnisse der Integralrechnung einzuweihen, und er wird es auch nicht wollen. Seine Anspruchsebene liegt ganz woanders - sagen wir der Anschaulichkeit wegen: in Erlässen über Märkte oder Waren. Je konkreter, vereinzelter die Dinge werden, desto mehr müssen sie auf der ihnen zugeordneten Ebene geregelt werden.
Zugleich wird damit verstehbar, daß eine zentrale Einheit niemals ein Prinzip "schaffen" kann. Es kann nur ausdrücken - darstellen - und als solches verwirklichen, das allen Teilen gleichermaßen zu Grunde liegt! Nur im Maß dieser Übereinstimmung mit der Natur des Vereinzelten kann eine Zentrale überhaupt "stark" sein. Sonst wird sie zur Diktatur, zur Zwangsanstalt. Es wird sträflich unterschätzt, daß die Kritik an der EU in Wirklichkeit keine praktische, sondern eine weltanschauliche Auseinandersetzung über das, was "Natur" bedeutet, anzeigt! Der Kontinent ist geistig viel tiefer aufgespalten und zersplittert, als man zur Kenntnis nehmen will.
Wenn vor einiger Zeit der Journalist Christian Ortner ein Buch herausgab, in dem er den Sinn der Demokratie hinterfragt, weil die Bevölkerung gar nicht wissen kann, WAS sie in den Wahlen überhaupt entscheidet, so meint er genau da (ohne es zu wissen: er meint, etwa durch ein "Mehr" an Information wäre das behebbar.) Die Abstrakivebenen der Repräsentation des Ganzen sind niemals stufenüberspringend transformierbar. Unterwirft man dieses Ganzheitsprinzip aber der "untersten" Stufe, in Abstimmungen, Wahlen, verliert die oberste Stufe ihre Abstraktion - sie wird "banal", vermag nicht mehr zusammenzufassen.
Umgekehrt darf ein höchstes Prinzip (grundsätzlich) niemals direkt stufenüberspringend eingreifen. Es wird die Ordnung sämtlicher unteren Stufen auflösen, und das gesamte Volk in ein Chaos stürzen - es fehlt die Transformationsmöglichkeit. Es darf nur abstraktiv entscheiden, was "für alle" - ohne jede Konkretion - gilt. (Ohne noch diskutiert zu haben, obwohl es sich aus dem Gesagten ergibt, nach welchen Kriterien und Orientierungen es dieses überhaupt darf oder muß.) Das Kleine, Alltägliche des Lebens im Detail zu regeln, kann niemals Aufgabe eines höchsten Prinzips sein. Es überschreitet unzulässig seine Zuständigkeit.
Im Versuch, das zu illustrieren: Die hohe Mathematik beschäftigt sich mit dem Zueinander von Größen, die aus dem Integral einer Datenkette hervorgehen. Die Erkenntnisse, die sie daraus gewinnt, zeigen zwar die Prinzipien des Vorgehens "auf der Straße", aber der Kaufmann um die Ecke kann damit nichts anfangen. Es wird auch sinnlos sein, ihn in die Geheimnisse der Integralrechnung einzuweihen, und er wird es auch nicht wollen. Seine Anspruchsebene liegt ganz woanders - sagen wir der Anschaulichkeit wegen: in Erlässen über Märkte oder Waren. Je konkreter, vereinzelter die Dinge werden, desto mehr müssen sie auf der ihnen zugeordneten Ebene geregelt werden.
Zugleich wird damit verstehbar, daß eine zentrale Einheit niemals ein Prinzip "schaffen" kann. Es kann nur ausdrücken - darstellen - und als solches verwirklichen, das allen Teilen gleichermaßen zu Grunde liegt! Nur im Maß dieser Übereinstimmung mit der Natur des Vereinzelten kann eine Zentrale überhaupt "stark" sein. Sonst wird sie zur Diktatur, zur Zwangsanstalt. Es wird sträflich unterschätzt, daß die Kritik an der EU in Wirklichkeit keine praktische, sondern eine weltanschauliche Auseinandersetzung über das, was "Natur" bedeutet, anzeigt! Der Kontinent ist geistig viel tiefer aufgespalten und zersplittert, als man zur Kenntnis nehmen will.
Deshalb
benötigen auch zwischenstaatliche Verbände eine (in diesem Sinne)
föderalistisch-hierarchische Gliederung, mit jeweiligen Ebenen und
Strukturen, die zueinander in einem ritualisierten Verhältnis stehen und sich in der Art begegnen, auf der dieser Verband gründet - als Staatenbund etwa. Ein Gegenüber EU : Bürger wäre in jedem Fall eine Katastrophe
des Zentralismus. Die im Extremfall einer gesamteuropäischen
"demokratischen" Direktwahl nur noch verschlimmert würde, weil es (wie
im Mißbrauch!) eine Zustimmungssituation bewirkt, in der der Einzelne
sich gebunden fühlt, ohne aber das verantworten zu können (und zu sollen), was er
tatsächlich entschieden hat.
Löst man umgekehrt das Nationalprinzip auf, wo eine Nation der anderen gleichwertig gegenübersteht,
wird eine EU automatisch zum Spielball der quantitativ mächtigeren
Nationen oder Weltanschauungen. Etwas anders anzunehmen wäre schlichtweg
naiv - oder bösartig und mit Hintergedanken. Aus dieser
Argumentationskette ist zu verstehen, wenn Vaclav Klaus immer wieder
davon sprach, daß es "gar keinen Europäer" gäbe. Er hat darin völlig recht.
Eine auf weltanschauliche Fronten abstrahierte Politik, die von oben
nach unten dekretieren kann, würde eine Katastrophe der Unmenschlichkeit
und Utopie auslösen, und Europa in ein Chaos der Selbstentfremdung und Entzweiung stürzen.
Will man Europa einen, so wird es nur über eine Reform - als Wiedererstarkung - der eigentlichen Aufgaben der von unten nach oben gehenden Strukturen und der hierarchischen Repräsentation möglich sein. Alles andere wird zum Totalitarismus, der damit die eigentliche Lebenskraft, die schöpferische Kraft der Menschen, auslöscht. Denn es gibt dieses einende Prinzip der Geisteshaltung nicht mehr, auf das sich eine EU berufen könnte, bzw. ist es äußerst schmal - und nur in dieser Breite kann Einigung überhaupt stattfinden. Also müssen sich untergeordnete Stufen schützen und bewahren können, um nicht ihrer selbst entfremdet zu werden. Und nur aus dieser Unangegriffenheit heraus kann - wenn - Einheit erwachsen.
Will man Europa einen, so wird es nur über eine Reform - als Wiedererstarkung - der eigentlichen Aufgaben der von unten nach oben gehenden Strukturen und der hierarchischen Repräsentation möglich sein. Alles andere wird zum Totalitarismus, der damit die eigentliche Lebenskraft, die schöpferische Kraft der Menschen, auslöscht. Denn es gibt dieses einende Prinzip der Geisteshaltung nicht mehr, auf das sich eine EU berufen könnte, bzw. ist es äußerst schmal - und nur in dieser Breite kann Einigung überhaupt stattfinden. Also müssen sich untergeordnete Stufen schützen und bewahren können, um nicht ihrer selbst entfremdet zu werden. Und nur aus dieser Unangegriffenheit heraus kann - wenn - Einheit erwachsen.
*Das kann durch ein Parteiensystem im heutigen Sinn, wo sich also Weltanschuungen gegenüberstehen,
NICHT aufgefangen werden, wie auch etwa Simone Weil darlegt. Denn hier wird bereits eine andere Art der
Meinungsbildung verlangt, die den Entscheidungshorizont der Einzelnen
übersteigt. Auch die Praxis zeigt, daß weltanschauliche
Unterschiede auf der Ebene persönlicher Begegnung niemals so dezidiert
sind, weil das Gemeinsame im zwischenmenschlichen Lebensvollzug und
Entscheidungshorizont immer überwiegt, wie sie es in ihrer theoretischen Gestalt werden.
Das ist das Wunderbare in den DonCamillo-Peppone-Geschichten, die genau
das zeigen. Mit Parteiprogrammen höherer Rangordnung aber treten
unweigerlich zerspaltende weil artfremde, artübersteigende Elemente ins Leben.
Darüber hinaus stehen sich auf der Ebene der Weltanschauungen Unvereinbarkeiten gegenüber, die jeden demokratischen Konsens scheitern lassen müssen, weil bestimmte Dinge vom individuellen Gewissen aus jeweils gar nicht toleriert werden DÜRFEN. Das trifft Christen in der Auseinandersetzung mit der faktischen Welt heute sogar noch weit mehr, weil absoluter und unbedingter, als Nicht-Christen.
Darüber hinaus stehen sich auf der Ebene der Weltanschauungen Unvereinbarkeiten gegenüber, die jeden demokratischen Konsens scheitern lassen müssen, weil bestimmte Dinge vom individuellen Gewissen aus jeweils gar nicht toleriert werden DÜRFEN. Das trifft Christen in der Auseinandersetzung mit der faktischen Welt heute sogar noch weit mehr, weil absoluter und unbedingter, als Nicht-Christen.
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