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Dienstag, 16. Juli 2013

Logik der Welt

Der Ursprung allen menschlichen Denkens liegt in der nicht mehr weiter rückführbaren Feststellung des "es ist", des "was ist". Und dieses "es ist" ist in der Anschauung - als subjektive Zusammenfassung aller Erkenntnismöglichkeiten - gegründet. Damit wird begreifbar, daß alles Denken auf der Anschauung fußt, und in sie rückmündet. Und es gründet im Urteil des einem selbst vorausliegenden Selbstsein des Seins, der Begegnung mit einem "anderen", das nur erfaßbar ist "als anderes" - als seiende, wesende Idee innerhalb des Seins.

Und nur, wenn es als solches anderes in der erkennenden Bewegung belassen wird: Erkennen bedeutet das Benennen der Beziehung zu diesem "anderen" bzw. von diesem zu mir (als "was es mir tut", "wie es in mir tut").

Aber mehr: Alles Sprechen, das sich ja nur auf das Sein, das "was ist" beziehen kann, wird zur (erzählenden) Metapher - weil es nur innerhalb einer persönlichen Beziehung zum Sein, analog zu seiner Charakteristik, überhaupt "passiert".

Jedes Denken ist das seinen eigenen Anspruch durchsetzende Denken.

In einer zwiefachen Bewegung, denn im "was ist" ist auch das "was nicht ist" auf eine Weise (die "nicht etwas" ist) enthalten und gesetzt, über diesem gehalten.*

Leo Gabriel zeigt in "Logik der Weltanschauung", daß dieses Grundurteil, das ein "was ist" bedeutet, und das zur Begriffsbildung führt, nur aus seinen Beziehungen her überhaupt bestimmbar wird. In seinen Relationen im Gefüge seiner Beziehungen innerhalb eines Ganzen, also: durch ein System.

Damit ist auch die Logik, die sich auf dieses "was ist" beziehen muß, nichts anderes als das formale Weltbild des Denkens aus der Anschauung heraus. Jedes System ist also eine ideologische - Ideegehalt in logische Form gebrachte - Synthese. 

Axiom und Evidenz fallen im "das ist" zusammen, sind eine Einheit. In jedem Axiom erfolgt aber der Einsatz der Idee in das Denksystem durch den logischen Ansatz des ersten Urteils.

Daraus folgt, daß die Realität der Welt sich nur als Emanation einer Beziehung definieren wie finden läßt. Das "Ding an sich" ist im wahrsten Sinn des Wortes "nicht existent", auch wenn es wirklich ist. Was immer existiert, existiert nur im Rahmen einer Beziehung.

Das Absolute, in dem alles zusammenfällt und aus dem alles entspringt, übersteigt es nur noch einmal, im reinen Geist, in der Wirklichkeit der Wirklichkeit, an der alles was ist teilhat, als Abglanz, als Lichtsein des Lichtes. Es wird, wie Georg Misch es formuliert indem er die indische Philosophie zitiert, "zur Erkenntnis gebracht durch die rein aus dem Denken entspringende Setzung des Seins," in dem wir selbst wiederum auf unsere Setzung auf der Grundlage der Offenbarung reagieren**. 

So wird das Denken, der Logos, als vom Vater im Geist ausgehend begreifbar, der zu ihm im Absoluten, das im Seiendsein aufglänzt (als Selbstsein und damit als Beziehungsein) des Seienden, von Gott durch das Nichtsein*** als potenz des Geschaffenen in die Individuation getrennt****, weil erst so "isset" (als Akt) und damit seine höchste Analogie wird, zurückkehrt. Die Welt als Selbstopfer Gottes, in der absoluten Liebe.





*Weshalb man auf eine Weise sagen kann, daß die Welt in den Begriffen "gehalten" wird, sonst zerfällt. Was die Bedeutung des "guten", wahren (als das Vorgefundene quasi einlassenden) Sprechens vor Augen stellen soll. Den Zustand der Sprache der Gegenwart zu monieren ist also kein "ästhetisches" Unterfangen, oder ließe sich abtun im Rahmen der Veränderung des Sprechens überhaupt. Es ist ein Verlust dieser Distinktheit, zu der nur die Liebe zur Welt anwegen kann, die erst Welt bedeutet, Sprache zur bloßen formlosen Lautäußerung niederkommen zu lassen. Wo diese Schärfe, die durchaus Anstrengung verlangt, fehlt, verfällt Weltgehalt als Welt des und für Menschen. Was heute als Toleranz bezeichnet wird, was sich im so häufigen Synkretismus äußert, ist damit vielfach nur noch Gleichgültigkeit der Welt gegenüber. Nur der Liebende hat Welt, nur der Liebende kann sprechen. Der Rest ist plappern. Nur dem Liebenden ist die Sprache heilig, weil Gefäß des Sinns. Kein Gespräch ist so um Sinn bemüht, wie das Gespräch von Liebenden. Denn nur Sinn (Logos) kann einen.

**Denn wir haben einen Anfang, setzen uns nicht selbst, sondern werden geschaffen. Würden wir identisch mit dem absoluten Sein sein, würden wir uns selbst Anfang sein müssen, ohne aber noch angefangen zu haben. Anders aber würden wir unser Selbst überhaupt verleugnen, und zum bloßen Schein erklären müssen, wie es ja tatsächlich die indische Philosophie macht. Die damit aber die Logik selbst wieder in die A-Logik kippt, und damit der eigenen Sicht der Erkenntnis des Absoluten aus der Logik heraus - widerspricht. Oder: widersprechen würde. Georg Misch meint in seiner Untersuchung des indischen Philosophie, daß das aus den überlieferten Lehren heraus nicht zu entscheiden ist. Also muß man die allgemeine Richtung ihrer Entwicklung heranziehen, und daraus muß man schließen, daß sie den Widerspruch NICHT auflösen kann, wie das in Griechenland gelang.

***Der absolute Geist aber ist reine Affirmation (Selbstzustimmung), schreibt dazu Meister Eckhart. Er schließt jede Negation aus. Diese Möglichkeit tritt erst mit dem Geschöpflichen ein. Nichtsein kann keine Ursache von Sein sein, und Nichtseiendes kann deshalb auch nicht aus Nichtsein hervorgehen. Genausowenig kann Sein die Ursache von Nichtsein sein. Das Nichtsein ist also nicht ein vom Sein Geschaffenes, sondern ein dem Geschaffenen als Mögliches sich in dessen Selbstsein Unterlegende, als aus diesem selbst erst sich ergebende Bedingung des Vielfältigen, das nicht alles ist. 

****Wenn dieses logische, sich aus allem Gesagten ergebende Element fehlt, das in den Vedas durch ein mythologisches Bild überspannt wird, wandert die bzw. diese Metaphysik unweigerlich in den Pantheismus ab, wo sich Seiendes und Sein IDENTITÄR (id es = es ist) vereint, und sich progressiv in Widersprüche verstrickt, und deshalb ins "mythologisch Bildhafte", "mystische" ausweicht, um das ursprüngliche Anschauen doch noch "zu halten". Konsequent durchgehalten und rational entwickelt wurde dieser (ursprünglich quasi selbe) Ansatz erst in der abendländischen Philosophie.

Die späten Upanishaden bringen an einer Stelle - diese "Kapitulation der Philosophie" belegend - einen bemerkenswerten Absatz, in dem schlichtweg die Begriffe zerschlagen werden, weil sie logisch nicht mehr auflösbar ist. Er wirkt sehr zeitgemäß, denn der als ethische Leistung ausgegebene Begriffsverzicht, der Rückzug auf ein persönlich Behauptetes als vorgeblich "Angeschautes", ist in der Gegenwart ausgesprochen verbreitet: "Mit IST, IST NICHT, NICHT-IST IST oder auch NICHT-IST IST NICHT, mit Festem, Beweglichem; Beidem in eins oder (doppelter) Negierung verschleiert nur der Tor! Das sind die vier Alternativen, durch deren Auffassung er nur verhüllt wird: der Erhabene wird durch sie nicht berührt."




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