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Montag, 1. Juli 2013

Zentralismus als Zerfall

Ein Reich zerfällt nicht, weil es sein Zentrum verliert, sondern es zerfällt, wenn die Tugenden und Eigenschaften, die es in seiner hierarchischen und gestalthaften Vielfalt halten, sich auflösen.

Deshalb haben die Kaiser des Abendlandes ihr Reich in dem Moment aufzulösen begonnen, als sie die gewachsenen Hierarchieebenen (im Adel) übergingen, und sich direkt an die Städte und Bürger wandten, ihren Bund MIT IHNEN schlossen. Damit haben sich Tugenden und Eigenschaften aufgelöst, denn als "Funktion" SIND sie nicht mehr Tugenden, sondern der künstliche Leim aus der Not der Auflösung. 

Niemand hat deshalb das Römische Reich so nachhaltig zerstört, als der stärkste Kaiser, den es bis dahin überhaupt gesehen hatte - der Staufer Friedrich II. Historisch zeigt sich deshalb auch der direkte Verfall, der ihm folgt, sogar mit einem Interregnum, das durch eine veränderte Politik abgelöst wurde: dem der bloßen Hausmachtpolitik, in der sich die Auflösung direkt vorbereitete, und in der nur 250 Jahre später sogar das Haus (Habsburg) selbst erloschen ist.*

Was immer an realpolitischen "Gründen" dafür angeführt wird - sie wurzeln alle in diesem Zerfall des Großen, weil der gesamte Mittelbau abgeräumt wurde, und in ihm das, was das Reich selbst zusammenhielt: die real wirkenden Tugenden.




*Karl VI. blieb ohne (nur als Mann/Sohn möglichen) Thronfolger. In der pragmatischen Sanktion, in der er seine Tochter Maria Theresia installierte (Reichskaiser freilich konnte weiterhin nur ein Mann sein: Franz Stephan von Lothringen, ihr Mann), löste sich das Reich endgültig auf. Ihr Enkel Franz II. gründete deshalb folgerichtig als Franz I. ein neues Reich - Österreich. Dem aber alle innere Kraft bereits fehlte, aus besagten Gründen, das nur noch ein verwesender Leichnam war, der im 19. Jhd. dahinvegetierte, bis er der historischen Logik zum Opfer fiel. Was da kam war aber nur noch Folge der Auflösung,die in Karl VI Gestalt genommen hatte. Denn Maria Theresia, eine Frau, hatte die Stellung Österreichs im Reich schon realpolitisch definitiv verspielt, und den Aufstieg Preußens als neuer Herrschermacht über Deutschland, der es an innerer Legitimität mangelte, das deshalb aus seiner Natur heraus voluntaristisch-gewaltsame Mißgeburt war, verschuldet. Und so nebenher die Aufklärung - wie könnte es anders sein! Ihre Installation selbst war bereits aufklärerische Funktionalität! - zum Regierungsprinzip gemacht, damit und ganz real die natürlicheen Gesellschaften ihres Herrschaftsbereichs selbst aufgelöst, und "moderne" Gesellschaften geschaffen. Der Mythos, unter dem sie hierzulande in verklärendes Licht gestellt wird, ist pure Geschichtsfälschung. Auch sie war ja so besonders "volksnah". 

Damit ist gleichfalls logisch, daß das einzige Land, das aus sich heraus noch legitim war, mehr und mehr an Stärke im Staatsverband gewann - Ungarn, das über alle Zeiten und bis heute ihr tragendes, nur keine Gestalt nehmendes, vakantes Prinzip anerkennt, bewahrt und hoch hält: die Krone. So wie alle übrigen Staatsteile Österreichs auf ihre legitimen Teile - Staaten und die heute Bundesländer genannten Länder - zurückfielen.

Der Verfasser dieser Zeilen ist sicher, daß der Zerfall der Republik Österreich unaufhaltsam ist. So grotesk das heute vielen erscheinen mag, und so "zufällig" es geschehen wird.² Daß gerade in Österreich die Stimmen, die ein Auflösen des Nationalprinzips in Europa fordern, so laut sind, kommt nicht von ungefähr. Aber ein kommendes Neues kann nicht auf der Grundlage geschichtsverklärender Nostalgie (in die hinein sich alles Mögliche einmischt, das mit Habsburg und deren Monarchie nur zufällig in eins gesetzt wird) entstehen, sondern braucht eine klares Bewußtsein der wirklichen Bewegungen im tiefsten Untergrund der Seelen. Und das bedeutet, daß endlich die Geschichte des Landes, aus dem erst seine aktuelle Position verstehbar würde, wirklich - und das heißt: anders, als es heute geschieht - aufgearbeitet werden müßte.

²Möglicherweise zeigt sich in Schweden - Vorreiter des technizistischen Zentralismus - noch früher, was vielen europäischen Staaten bevorsteht.



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