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Montag, 15. Februar 2016

Die niedrigen Sünden sind die höheren (1)

(Aspekte der Heiligkeit als Menschwerdung) Der VdZ hat aus gewissen praktischen (sprachlichen bzw. lokalen) Gründen eine Beichtpraxis, die keinen festen Beichtvater kennt, sodaß Gelegenheit nicht nur Diebe, sondern auch Beichtgelegenheit macht. Dabei hat er also sehr viele in Österreich tätige Priester in ihrer Tätigkeit als Beichtiger kennengelernt. So nebenbei: Sein Eindruck vom Zustand der Kirche, von der Wirklichkeitsferne des Klerus in unseren Ländern, ist dabei in noch schrecklichere Tiefen, ja Hoffnungslosigkeiten gesunken. Dazu ein andermal noch mehr, um nicht gar zu heftig von der immer häufiger nur noch oberflächlich gesprochenen Lossprechungsformel zu reden, die der VdZ manchmal regelrecht FORDERN muß. Weil irgendein geistbehuschter Kleriker meint, so irgendwie von Heil und Barmherzigkeit zu plappern würde genügen, es seien einem halt nur noch nicht die Psychotricks der Selbstwohlfühlmacherei bekannt. Sie wissen nicht einmal, daß der Mensch aus dem gegebenen Wort stammt, daß das seine Ontologie ist. Aus der er geistig lebt. Sie wissen auch nichts von Sühne und Strafe, und höhlen lieber die Gesamtgrundlage des Pönitenten aus, wobei sie oft genug sichtbar den verachten, der um (echte!) Barmherzigkeit einkommt und sich nicht mit billiger Zuckerwatte und Selbsttäuschungsmechanismen, die auch noch als "Erneuerungsgeist" verkauft werden, abspeisen läßt. Der VdZ sieht sogar direkte Zusammenhänge mit der Zelebrationspraxis, dazu ebenfalls ein andermal, denn hier bestehen direkte Verursachungen am Zustand der Gegenwart: in der liturgischen Praxis seit 1970. Der VdZ wagt zu sagen, daß mit dem novo ordo auch die Wirklichkeitsrelevanz der Kirche zumindest tendentiell verdunstet ist.

Aber lassen wir das vorerst. Einige gute Beichtpriester gibt es ja denn doch. Priester, ältere Priester, selber noch im alten Ritus aufgewachsen vor allem, die noch ein gewisses Maß an Wirklichkeitserfahrung haben. Die den Menschen kennen, weil sie die Ernsthaftigkeit des Fleischlichen, Dinghaften kennen, und die sich meist sogar noch durch Schlichtheit und einfachen, aber treffsicheren, brauchbaren Rat kennzeichnen.

Braucht es den Hinweis, daß es sich dabei überwiegend um Priester aus ehemaligen Ostblock-Staaten handelt, die es hierzulande in bereits großer Zahl gibt? Sie sind meist zumindest noch nicht vom Beamtenstatus, einer in sich kreisenden Schein- und Sonderwirklichkeit, die sogar die sogenannte Pastoral zu großen Teilen zu regelrechten Phantasiekonstrukten macht, korrumpiert, also von der anderen Seite her wirklichkeitsgeschädigt. (An dieser Stelle wurde darüber bereits gehandelt.) Und hier ist sicher nicht gemeint, dem faktischen Druck der Zeit nachzugeben. Im Gegenteil. Nur wer die Wirklichkeit kennt, läßt sich von der Zeit eben NICHT korrumpieren, weil er die Wirklichkeitsrelevanz der Kirche kennt. Denn unsere Zeit, das also, was vielfach als "Realität" bezeichnet wird, ist gerade das: eine Entfernung von der Wirklichkeit der Welt und des Menschen. Der Vorwurf der Technisierung trifft vor allem die faktische Praxis der Kirche.

Bei hiesigen Priestern hat man es bei Beichten mit einer fast ausnahmslos, also kollektiven Erscheinung zu tun: Sie versuchen, dem Pönitenten Sünde oder Sünden "auszureden". Worein sich gar nicht selten sogar ein Zug von Verachtung demjenigen gegenüber gesellt, der sich doch skrupulös mit "Kleinigkeiten" auseinandersetze. Man möge dem VdZ Details ersparen. Aber als "beliebteste, verbreitetste" Aussage möge angeführt sein, daß dann gerne die Rede davon ist, daß gewisse Sünden (vor allem: ab dem 6., dem Keuschheitsgebot) nicht so schwer wiegen würden als man selber empfände oder meine. Immerhin gäbe es ja auch die Rangordnung der Gebote nicht zufällig. Gleich vorweg bzw. dazu: Der VdZ, aufgewachsen und katholisch sozialisiert in den 1960er Jahren, kann nicht nachvollziehen, wenn es da heißt, es sei eine "Drohbotschaft" gewesen, die er gehört habe. Im Gegenteil.

Er selbst hatte seine Sünden durchweg ernsthafter empfunden als die Priester, und von Hölle war nach seinem heutigen Sehen der Wirklichkeiten viel zu wenig akzentiert. (Außer natürlich für den, der meint, Barmherzigkeit Gottes heiße, unbehelligt sündigen zu können.) Die Ahnung ihrer Konsequenz kam aus ihm, aus dem eigenen Erleben, dem Kampf mit dem eigenen Schicksal. Erleben, das die Kirche - so tun nämlich viele - ja beileibe nicht erst in den 1970er Jahren erfunden hat. Was der VdZ in den drei- oder vierstündigen (ja, gewiß, für ein Kind ewig lang ...) Liturgien der Karwoche etwa empfunden hat, das, wagt er zu behaupten, wird in diesen kurzen Psychogruppenstunden der Gegenwart, die man noch Liturgie zu nennen wagt, nicht einmal annähernd (!) erreicht. Mit solchem billigen, oberflächlichen Tand der Selbstmanipulation des Gefühls gab er sich nie zufrieden. Und wer ihm das als Erlösung und Heil verkaufen wollte - kurzfristig ließ der VdZ sich sogar darauf ein, das war Mitte der 1980er Jahre, als er den Weg zurück zum Glauben suchte - dem glaubte er nie.

Tja, Herrschaften, wenn es nur so einfach wäre. Denn eigentlich ist das Gewäsch. In Wahrheit ist es umgekehrt. Wer nämlich im 6. 7. oder 9. oder 10. Gebot sündigt, hat die vorigen Sünden BEREITS MITBEGANGEN. Ihre ontologische Wirkung ist also weit tiefer, stärker, sie sind nicht "nach"-gereiht, sie stehen der Vervollkommnung auf dem Weg zu Freiheit und Wahrheit und Liebe voran.

Anderes anzunehmen führt häufig sogar zu jenen falschen Haltungen, in denen jemand vermeint, der direkte Kampf gegen eine dieser "niederen" Sünden würde erstens möglich, und zweitens Ausweis von Sündenlosigkeit per se sein. Immerhin befolge er ja die ersten Gebote. Der Rest wird leicht vernachlässigbar. Das Schuldbewußtsein schwindet aber so tatsächlich, effektiv, generell, und Hochmut (der ja meist in sehr verdeckte Form auftritt; kein Wunder, er sitzt ganz weit "oben", ist einem damit erst bei gewissem Voranschreiten erkennbar ...) zieht ein. Denn die höheren Sünden sind auch weniger direkt erfahrbar, sind geistigerer Natur, einerseits also gewiß tiefgreifender weil prinzipieller, die weitere Stufe in sich bergend, umfassender, der Grund für die späteren, vermeint niedereren. Aber ihre konkrete Form wird in den "späteren" Geboten real. Die Beichte, die Gewissenserforschung sollte deshalb beim 10. Gebot beginnen. Denn von dort aus erst wird der eigene Seelenzustand begreifbar. Und solange der nicht begriffen wird, kann die Treue zu den "ersten", "oberen" Geboten kaum mehr sein als kaum zu verstehender Gehorsam. Erst von "unten" aus wird allmählich auch die Möglichkeit, die Verfehlung der "oberen" Gebote zu begreifen, wachsen.

Wer sich im 6. Gebot (in vielen Beichten beliebtester Gegenstand der Bagatellisierung) wohlfühlt, wird die Tiefe der vorangehenden gar nicht erst verstehen. Er wird sie nicht begreifen KÖNNEN. Umso schwerer findet er damit auch, daß er gegen sie verstoßen habe. Aber das ist ein Irrtum. Diese Ausführungen richten sich also gegen die häufig zu beobachtende Denkweise, die der Volksmund gerne mit "Ach, was hab ich denn für Sünden. Niemanden habe ich umgebracht, niemanden bestohlen, am Sonntag gehe ich zur Kirche, und das bißchen Sex ..." Auch das - ein Irrtum, den aufzuklären eine eigentlich seltsame weil verdrehte Pastoral der Kirche wenig beiträgt. Die sich auch nur noch gerne um die "Hauptsachen" dreht. Und dabei die Hauptsache erst recht verfehlt. Denn die ist nur indirekt erreichbar.



Morgen Teil 2) Die 10 Gebote im Einzelnen - 
Eine Jakobsleiter, deren Richtung nicht verkehrt werden kann





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