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Dienstag, 23. Februar 2016

Unbarmherzigkeit der Kirche (1)

Es ist auffällig, daß ausgerechnet im "Jahr der Barmherzigkeit" die Kirche in unseren Ländern von einer gnadenlosen Unbarmherzigkeit getrieben wird, mit der sie den Menschen auferlegt, auf ihr Recht auf Vertrautheit der Umgegung, der Heimat, der befriedeten Umgebung zu verzichten. Nämlich nicht, um anderen in Not zu helfen. Niemand differenziert so wenig zwischen solchen, die in der bittenden Haltung um Schonung an unsere Türen klopfen, und jenen, die genau diese Vertrautheit nur plündern und von ihr beinhart profitieren wollen, wie die Kirche. 

Die mit einer sehenswerten Brutalität - sogar mit dem Mittel ansonstiger Heilsaberkennung - verlangt, richtiges Verhalten in abstrakte, universalistische Wortspiele abzuspalten, die die Aufgabe jeder Vernunft zugunsten absoluter Moralschemata verlangt. Und dazu das Zwangsschema "Flüchtlinge" ganz bewußt in doppelter Zunge als Inquisition benützt. Beharrlich weigert sie sich, Not von Gier zu unterscheiden. Denn die meisten der Zuwandernden sind von Gier und Neid getrieben. Sie sahen in den Medien, wie der Westen lebt, und machten sich auf den Weg - so wollen sie auch leben. Nicht so, wie es in ihren Herkunftsländern üblich war und ist, und schon gar nicht mit Schwierigkeiten, die sehr wohl auch mit ihnen zu tun haben. Denn es gibt keine Politik, die sich einfach über ein Volk schichtet. Das glauben nur Kleriker, das glauben nur weite Teile hiesiger Eliten*, allesamt selbst wurzellos und von Neid getrieben.

Angesichts dieser Realität erhält das per höchster Bindegewalt verkündete Versprechen diffus grenzenloser Barmherzigkeit einen ganz anderen Zug um seinen Mund. Denn der Katholik wußte sehr wohl schon bisher um diese Barmherzigkeit, ja darauf baute sein Leben. Aber nun verkündet man Straffreiheit für einen Schritt der Selbstentfremdung (der ja noch dazu nur die Heimischen betrifft, denn den Zuwanderern ist es aufgrund anderer Religion völlig gleichgültig), Ein- oder Rückeingliederung ohne Bekehrung.** Auch hier entreißt man den bislang noch "treuen" Menschen, die das Leben der Kirche bislang trugen, jene Vertrautheitssphäre, die aber der Mensch braucht. Und gibt jede Menge jenen Menschen Raum, die direkt darauf abzielen, diese Vertrautheit zu vernichten.

Es wirkt also auch hier als Teil einer Strategie der Entmündigung, als Belohnung für die Umbildung des Gewissens in jeder Konkretheit des Lebensvollzugs entfernter abstrakter Schemata. Wirkt wie die rituelle Gründungsmaßnahme einer neuen Religion, der fortan jeder zugehört, der diesen neuen Moralien zustimmt. 

Noch dazu, wo sich keiner der Zugewanderten dem in unseren Ländern angestammten Moralcodex zugehörig fühlt, hier also sogar mit anderem Maß gemessen wird. Verkennt ganz bewußt (und als Kirche: schuldhaft, auch da, wo ihre Vertreter selbst davon nichts mehr wissen) den Wert der Kultur, die nur angestammte, traditionale Kultur sein kann, für die Sittlichung der Menschen und installiert eine neue Moraldiktatur.

Es sind aber genau die angestammten, noch immer und egal wie lose bereits verwurzelten Menschen, die die Last der Zuwanderung tragen, denn um eine solche handelt es sich. Eine Last, die ihnen als schwerer Balken über den Rücken gedroschen wird: Los, trag! Es ist nicht der Klerus. Der ist der Macht ins Bett nachgekrochen, um beizutragen, eine neue Bevölkerung und eine neue Kultur zu installieren, die jeweils vorhandene aber leichtsinnig und ohne jeden Anlaß aufs Spiel zu setzen nach dem Motto: Schaun mer mal, was rauskommt.

Das ist kein Gestalten. Das ist kein Führen. Das ist pure Willkür. Bis in die höchsten kirchlichen Ebenen hinein wirken klerikale Gestalten wie Privatpersonen, die gesellschaftliche Agenden von ihren privaten nicht mehr auseinanderhalten können und dabei auch noch von ihrer eigenen privaten moralischen Überlegenheit maßlos überzeugt sind und diese Selbsteinschätzung (die sie natürlich jederzeit und medienwirksam kokett relativieren) zur Legitimation heranziehen, die Ihnen zur Sorge Gegebenen zu belasten. Wenn sie das nicht können - selber schuld. Wären sie halt auch so heilig wie die, die ihnen die Lasten auflegen.

Der Aufruhr der Menschen ist deshalb ein Schrei nach Barmherzigkeit, ein Schrei nach Rückkehr der Vernunft, die als Handlungsmaxime von der Führung selbst zu desavouieren versucht wird indem mit Moralbegriffen operiert wird anstatt mit sachzentrierten, problemorientierten Kategorien. Genau so muß man diesen Aufruhr sehen.

Genau die wahre Barmherzigkeit wird den Menschen also vorenthalten.*** Und zwar im Gleichschritt damit, als sie die Rede ihrer Behauptung ist. Aber sie hat denselben widerlichen Beigeschmack des Zynismus, der die Kirche seit Jahrzehnten bereits so durchbittert. Als sie begann, die Masken und Riten und damit die gesellschaftlichen Mechanismen abzuschaffen und durch subjektive Befindlichkeitspflege zu ersetzen. Als sie das Kreuz als reales, konkretes Geheimnis des Lebens - das erst im Kreuz zum schöpferischen Ereignis wird - abschaffte.





Teil 2) Anmerkungen zu Zusammenhängen zwischen Subalternen und Moralismen, 
zu Barmherzigkeit und Wirklichkeiten





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